Genug „Bucks“ und Zeit zum „Chillen“?

Studie

Zum vierten Mal seit dem Bestehen unseres Berufsverbandes der Compliance Manager (BCM) wurde die Berufsfeldstudie durchgeführt. Insgesamt 530 Compliance Manager haben an der Umfrage teilgenommen. Im Gleichklang mit dem Kernthema unseres Kongresses vom November 2016 „Compliance-Kommunikation und Dialog“ wurde dieses Thema auch in der Berufsfeldstudie zum Hauptschwerpunkt der Umfrage gewählt. Darüber hinaus wurden aber natürlich auch Fragen zu den organisatorischen und strategischen Themen eingebaut sowie zu Karriere, Einkommen und Work-Life-Balance. Und genau mit den letzten beiden Themen wollen wir beginnen.

Alles super!

Das Einkommen und die Work-Life-Balance sind nach wie vor durchaus als positiv zu bewerten. Denn das Ergebnis der Studie ist, dass die Compliance Manager – im Gegensatz zu manch anderen benachbarten Berufsgruppen – sehr gut verdienen. Dazu heißt es in der Studie: „Betrachtet man die Gesamtstichprobe, verdient die Hälfte der Befragten 85.000 € brutto im Jahr und mehr. … Über 30 Prozent verdienen jährlich mehr als 100.000 €.“ Auch die Führungskräfte unter den Compliance Managern verdienen immer noch gut, obwohl die Verdiensthöhe seit 2013 von 177.000 Euro auf knapp 102.000 Euro heruntergegangen ist (aber das kann daran liegen, dass diejenigen, die 2013 so viel verdient haben, dieses Mal nicht an der Studie teilgenommen haben). Dazu die Feststellung in der Studie: „Compliance-Führungskräfte, deren Abteilung einen hohen Stellenwert in der Organisation besitzt, verdienen am meisten.“ Sogar die, die „nur“ als Fachkräfte in Compliance tätig sind, verdienen durchschnittlich 72.300 Euro jährlich, dabei liegt schon das Einstiegsgehalt bei durchschnittlich knapp 61.000 Euro.

Eine Sache dabei ist besonders interessant: Eines der Studienergebnisse war, dass 57 Prozent der befragten Compliance Manager variable, erfolgsabhängige Gehälter (Grafik 1) haben. Da drängt sich förmlich die Frage auf: Von welchem Erfolg sind sie abhängig? Dass keiner mehr Schmiergelder zahlt, Kartelle schmiedet oder Verwandte begünstigt? Wahrscheinlich ist der Grund dieser relativ hohen Prozentzahl in der Tatsache zu suchen, dass 28 Prozent der Befragten aus dem Finanzsektor kommen. Oder vielleicht weil ebenfalls ein relativ hoher Anteil (mindestens die Hälfte) der Befragten einen „Chief“ vor ihrem Compliance Officer haben und dies bei den Chiefs eventuell so üblich ist. Aber dennoch: Die wenigsten Compliance Officer messen den Erfolg ihres Tuns, geschweige denn haben irgendwelche speziellen Compliance-KPI. Und nur dass man sich vornimmt, im Jahr drei Schulungen durchzuführen, eine nutzlose Zertifizierung endlich mal abzuschließen oder sieben Richtlinien zu schreiben, und das irgendwo in den Jahreszielvereinbarungen festschreiben lässt, ist noch lange kein „Erfolg“.

Und jetzt schauen wir auf die Work-Life-Balance: 71 Prozent der befragten Compliance Manager sind mit ihrem Beruf zufrieden. Damit weisen die Compliance Manager eine ähnliche Zufriedenheit mit ihrem Beruf auf wie die Vertriebsleute. Nur HR- und PR-Leute sind zufriedener (jeweils 81 Prozent). Die Experten aus dem Fach IT-Governance sind mit 64 Prozent sogar weniger mit ihrem Job zufrieden. 65 Prozent der befragten Compliance Manager gaben an, dass sie noch genug Zeit haben, um ihre Familie und ihre Freunde zu sehen (Grafik 2). Dass die Führungskräfte zufriedener sind als diejenigen Compliance Manager, die ausschließlich im Bereich Compliance arbeiten, ist nichts Außergewöhnliches. Ähnliche Ergebnisse liefern mehr oder weniger alle Berufsfeldstudien. Dieses Ergebnis deckt sich mit vielen psychologischen Studien, die das selbstbestimmte Arbeiten als den maßgeblichen Faktor für eine glückliche und zufriedene Berufstätigkeit feststellen konnten. Und übrigens haben 72 Prozent der Studienteilnehmer angegeben, in Leitungsposition zu sein. Da aber nicht alle selbstbestimmt arbeiten können und zudem noch einigen die persönliche Wertschätzung und Anerkennung im Unternehmen fehlt, ist es menschlich verständlich, dass sich ein paar Studienteilnehmer umorientieren möchten. In unserem Fall möchten 29 Prozent der befragten Compliance Manager eine Tätigkeit außerhalb des Compliance-Berufs suchen – sich also beruflich neu orientieren (wenn wir oben schauen, dass 72 Prozent der Befragten Führungskräfte waren, dann passt das gut zusammen mit 29 Prozent der Umorientierungswilligen …).
Dennoch: 56 Prozent der befragten Compliance Manager empfinden ihren Job als stressig, wobei das Stresserleben bei den Führungskräften, deren Abteilungen im Unternehmen von einer hohen strukturellen Bedeutung sind, tendenziell höher ist (Grafik 3).

Wir sind immer noch Berater

Kommen wir zum Selbstverständnis der befragten Compliance Manager. An dieser Stelle gab es nichts, was wir nicht schon seit Jahren wüssten: Die meisten Compliance Manager sehen sich als Berater von Vorstand und Geschäftsführung oder als Übersetzer von rechtlichen Anforderungen in organisatorischen Maßnahmen (Grafik 4).

Leider wird in der Umfrage hinsichtlich der Selbstsicht nur die übliche enge Auflistung der möglichen Selbstbildnisse geboten, aus dieser muss man dann etwas auswählen. Aber vielleicht gibt es Compliance Officer, die sich als Gestalter oder gar in mancher Hinsicht als Entscheider sehen? Soll’s doch auch geben, oder? Zumindest hat die Autorin schon mal mit solchen gesprochen. Die Möglichkeit zu so einer Auswahl wird in der Studie leider gar nicht gegeben. Und trotzdem haben 11 Prozent der Führungskräfte und 14 Prozent der Fachkräfte angegeben, dass sie sich anders sehen (siehe unter Sonstiges). Da wäre es doch spannend zu wissen, was dann ihr Selbstbildnis ist.

Die Compliance-Kommunikation

Betrachten wir nun ausführlich unser eigentliches Kernthema: die Compliance-Kommunikation. Bei 93 Prozent der Befragten liegt die interne Compliance-Kommunikation in der Verantwortung des Compliance-Bereichs. 23 Prozent teilen sich diese Verantwortung mit der Kommunikations-Abteilung. So weit wenig sensationell. Schaut man sich die Grafik 5 an, dann wird deutlich, dass die Compliance Manager auch keine Vorstellung davon haben, wie die Compliance-Kommunikation der Zukunft aussehen wird. Eher folgt man dem Mainstream und denkt, dass auf jeden Fall die sozialen Medien für die interne Compliance-Kommunikation relevanter sein werden. Das Thema ist derzeit en vogue. Da muss allerdings die Frage erlaubt sein, warum die Mehrheit dieser Meinung ist? Passt die Social-Media-Kommunikation wirklich zur internen Compliance-Kommunikation? Eigentlich nicht. Wie dem auch sei, derzeit rangieren auf den Top-5-Plätzen der internen Compliance-Kommunikation die direkte Kommunikation, Intranet, Face-to-Face-Trainings, Führungskräfteboard-Meetings und Web-Based-Trainings.

Bei der externen Compliance-Kommunikation, also der Kommunikation mit den Stakeholdern, wird ebenfalls zumeist direkt kommuniziert oder mittels der Information über Broschüren und Homepage. Diese externe Kommunikation wählt aber lediglich die Hälfte der befragten Compliance Manager.

Was ist nun das Kommunikations-Ziel?

Und nun zu den Zielen, die mit der Compliance-Kommunikation verfolgt werden. Sehen wir uns dazu die Grafik 6 an. Wenn Sie diese Grafik betrachten, fällt Ihnen etwas auf? Keines der Kommunikationsziele erhält mehr als 59 Prozent der Zustimmung. Die „Kenntnis über Compliance, Governance & Unternehmenskultur bei MA & Organisationsführung erhöhen“ haben sich eben die besagten 59 Prozent der Befragten zum Ziel gesetzt. Dicht gefolgt wird dieses Ziel von den Zielen „Mitarbeiter & Organisationsführung über Projekte, Neuerungen, Gesetzesänderungen informieren“ (57 %), die „Organisation aus negativen Schlagzeilen heraushalten“ (56 %) sowie „Verständnis & Akzeptanz für das Thema Compliance bei Mitarbeitern & Organisationsführung fördern“ und „Mitarbeiter & Organisationsführung über das Leistungsprogramm der Compliance-Abteilung informieren“ (jeweils 54 Prozent). Die Prozentzahlen bewegen sich alle im „Hälfte-Bereich“ – warum gibt es für keines der Ziele eine eindeutige Zustimmung? Sind denn die Kommunikationsziele so unterschiedlich? Oder wurde ein wichtiges Ziel, das zu einer eindeutigen Zustimmung aller Befragten geführt hätte, gar nicht abgefragt?

Umso spannender wird es, wenn man dies mit den Antworten der Befragten auf die Frage vergleicht, ob sie der Meinung sind, diese Ziele erreicht zu haben. Ganze 83 Prozent meinen, dass sie das Ziel „Verständnis & Akzeptanz für das Thema Compliance bei Mitarbeitern & Organisationsführung fördern“ erreicht haben. Das wäre ja der Durchbruch in der Compliance-Kommunikation! Die Frage ist nur, woher wollen die Befragten das wissen, dass sie dieses Ziel erreicht haben? Oder ein anderes Beispiel: 81 Prozent der Befragten denken, dass sie das Ziel erreicht haben, die „Kenntnis über Compliance, Governance & Unternehmenskultur bei MA & Organisationsführung [zu] erhöhen“. Das ist die ewige „Kuriosität der Wahrnehmung“: Schulung abgehalten – „Mission accomplished“? Vielleicht hätte man in dieser Berufsfeldstudie die Frage hinzufügen müssen, wie konkret die Compliance Manager feststellen, ob sie diese Ziele erreicht haben oder nicht.

Denn schauen wir uns doch mal genau die Grafik 7 an – wie dort eindeutig zu lesen ist, führen nur 27 Prozent der Befragten eine Wirkungsumfrage unter den Zielgruppen durch. 57 Prozent stellen lediglich einfache, auf leicht zählbaren Dingen basierte Verfahren an, also: x Schulungen durchgeführt, x Mitarbeiter geschult, ein Zertifikat bekommen. Woher wollen also ganze 83 Prozent der Befragten wissen, dass sie mit ihren Maßnahmen „Verständnis & Akzeptanz“ erhöht haben? Natürlich könnte man sich an den linguistischen Feinheiten der Fragestellung aufhängen, denn schließlich stehen da solche Wörter wie „fördern“ und „erhöhen“ – das lädt ja geradezu dazu ein, hier eine Zustimmung abzugeben. Denn natürlich „fördern“ und „erhöhen“ wir grundsätzlich durch jedes kommunikative Tun, also durch jede Compliance-Maßnahme, ja irgendwie die Bekanntheit und das Verständnis der Compliance-Dinge. Irgendwas bleibt schon hängen, nicht? Was ist aber mit der Qualität? Was ist mit der echten Bewusstseinsveränderung der Geschäftsführung und der Mitarbeiter?

Gehen wir weiter bei unserer Studienbesprechung. Dass die meisten Compliance Officer nach wie vor mit den Schulungen, der Kommunikation und der Abfassung der Richtlinien beschäftigt sind, ist nicht überraschend – ist ja ihr Job. Interessanter ist eher die Feststellung der Studienleiter, dass die Compliance Officer 2016 (im Unterschied zum Jahr 2013) heute mehr Aufgaben übernehmen. Wenn wir uns aber die Grafik 8 anschauen, dann werden wir feststellen, dass es nicht wirklich einen wesentlichen Unterschied zum Jahr 2013 gibt – es werden vermutlich dieses Mal ja auch andere Compliance Officer an der Umfrage teilgenommen haben. Wir schauen uns also bewusst nur die Bereiche an, wo es einen größeren Unterschied zwischen den Jahren 2016 und 2013 gibt, also beispielsweise einen Unterschied um mehr als 15 Prozent. Dazu gehören genau zwei Themen: Korruptionsprävention/-bekämpfung (Anstieg um 17 Prozent) und Whistleblowing (Anstieg um 22 Prozent). Wir richten also unsere Aufmerksamkeit immer stärker auf den Bereich Korruption. Und es gibt Bereiche, wo die Aufmerksamkeit im Jahr 2016 im Vergleich zu 2013 sogar abgenommen hat – winzig, aber immerhin: Compliance-Koordination und Compliance-Audits. Statistisch gesehen sind wir also etwas weniger mit der Koordination beschäftigt und machen 8 Prozent weniger Audits.

Was machen wir mit der Strategie?

Wie steht es um den strategischen Beitrag des Compliance-Bereichs? 60 Prozent der Compliance Manager denken, dass ihr strategischer Beitrag im Unternehmen ausbaufähig ist, wobei in größeren Unternehmen diese Tatsache am häufigsten erkannt wird. 42 Prozent der Befragten nehmen an strategischen Entscheidungen nicht teil, 37 Prozent tun das doch. 22 Prozent enthielten sich jeder Stellungnahme zu diesem Thema. Was sagt uns das? Eigentlich nichts, außer: Manche nehmen daran teil, andere nicht; und 22 Prozent wollen über dieses am Selbstbewusstsein nagende Thema nicht sprechen.

Aber die Studienleiter haben einen „Optimismus“ unter den Compliance Manager feststellen können, dass es mit der Bedeutung ihres Bereichs nach oben gehen wird – weil die Regulierungsdichte steigt, sich das Bewusstsein in der Organisationsleitung verändert hat, weil (mal wieder) die Öffentlichkeit sensibel gegenüber Vorfällen in der Wirtschaft ist, wobei angeblich die Medien dazu ganz viel beitragen sollen. Diese Gründe werden schon seit zehn Jahren ins Feld geführt. Und? Ja, die Öffentlichkeit reagiert etwas sensibler auf die Vorfälle der Unternehmen – aus welchen Gründen auch immer. Aber die Medien haben schon immer über die Vorfälle im Wirtschaftsleben berichtet (irgendjemand plaudert immer etwas aus), der Anstieg der Regulierungsdichte ist ebenfalls keine Entwicklung, die wir erst seit zehn Jahren hätten. Sie steigt seit Jahrzehnten. Und die Sache mit dem Bewusstsein der Organisationsleitung? Ja, das ist ein Grund: Sie haben verstanden, dass es ihnen (im günstigsten Fall nur) an den Geldbeutel gehen könnte. Aber daraus ist noch keine Massenbewegung unter den Vorständen geworden. Ob sie eine wird?

Wir wünschen uns für die Berufsfeldstudie der nächsten Jahre, dass diese tiefer gehende Fragen an die Compliance Manager stellt, was die Organisation, den Aufgabenbereich, die Netzwerkbildung, Best Practices und die Wirksamkeitskontrollen betrifft. Und vielleicht die eine oder andere offene Antwort zulässt. Vielleicht erleben wir dann eine Überraschung und sehen eine tatsächliche Weiterentwicklung.

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