Fünfzig Schattierungen der Moral

Compliance-Management-Systeme

Über die letzten Jahrzehnte konnten wir viele Fortschritte im Bereich der Betrugs und Fehlverhaltensbekämpfung durch Unternehmen beobachten, die unter anderem auf neue regulative Maßnahmen und globale Standards zurückzuführen sind.  Außerdem stehen den Unternehmen heutzutage bessere Verfahren zur Verfügung, um „Red Flags“ und Unregelmäßigkeiten zu identifizieren. Trotz solcher positiven Entwicklungen ist es noch ein weiter Weg für die Unternehmen, Betrug und Korruption effektiv und nachhaltig zu bekämpfen. Der Grund dafür liegt jedoch nicht nur in der Schwäche der internen Kontrollmechanismen, sondern in der komplexen Natur des Problems selbst. So wird es durch Aspekte wie menschliche Schwächen, Kultur und Umweltgegebenheiten verstärkt bzw. gefördert.

Gleichzeitig wirken Betrüger ihrer Bekämpfung entgegen. Systematische und vorhersehbare Abläufe bei internen Kontrollmechanismen, Sicherheitsmaßnahmen und Bilanzprüfungen erleichtern es ihnen, unentdeckt zu bleiben. Kurzum, unsere Bemühungen mit einem systematischen Ansatz Betrug und Korruption zu bekämpfen, reichen also nicht, wenn es um ein Problem geht, das komplex und schwierig ist und sich weit über das eigene Unternehmen erstreckt.

Ethische Risiken sind schwierig einzufangen

Durch die Entwicklung von „Enterprise Risk Management“ (ERM) Programmen ist es Unternehmen möglich, Risiken konzernübergreifend zu senken. Aber diese Programme haben ihre Schwierigkeiten, solche ethischen Risiken in ihre Überwachungsmechanismen und Abläufe zu integrieren. Wir sprechen hier von „ethischen“ Risiken, weil Compliance durch regulatorische sowie gesetzliche Risiken innerhalb der ERM- Modelle repräsentiert wird. In Wirklichkeit lassen sich Compliance und ethische Risiken nicht so einfach trennen, denn gesetzliche und regulative Fehler haben oft ihren Ursprung in nicht erkannten ethischen Elementen.

Dieser „blind spot“ des ERM im Falle der ethischen Risiken hat verschiedene Ursachen. Erstens sind viele Menschen der Meinung, dass gerade sie selbst sich besonders ethisch verhalten. Führungskräfte greifen bei Fragen der Informationstechnologien, Finanzen, Marketing und Sicherheit schnell auf die Hilfe von Experten zurück. Wenn es um ethische Fragen geht, sind sie damit jedoch zurückhaltender. Forschungen belegen, dass Menschen dazu neigen, ihre Ethikkonformität im Vergleich zu anderen zu überschätzen, und genauso ihre Fähigkeit, ethische Entscheidungen in einem bestimmten Kontext zu treffen.

Zweitens sind ERM Modelle auf klar quantifizierbare Risiken ausgelegt. Moralische Risiken entziehen sich aber genau solcher Arten der Quantifizierung und Vereinfachung. Zum Beispiel wissen wir, dass die Unternehmenskultur und der „Tone at the Top“ einen signifikanten Einfluss auf das Risiko von Betrug haben. Aber wie soll die Intensität oder Schwäche dieser Faktoren gemessen werden oder wie stark sie zur Minimierung von ethischen Risiken beitragen? Offensichtlich ist mehr Forschung in diesem Bereich notwendig, um Wege zu finden, wie die ethischen Risiken in einer Organisation entstehen, um so Vorhersagen treffen zu können, wie wahrscheinlich und in welcher Größe solche Ethik bezogene Probleme entstehen können.

Wir hoffen, dass wir eines Tages in der Lage  sein werden, die Kosten für die Reputation eines Unternehmens und die Produktivität seiner Mitarbeiter exakter bestimmen zu können. Außerdem hoffen wir, dass wir bessere Modelle entwerfen können, die es uns ermöglichen, die komplexen Zusammenhänge zwischen internen und externen Faktoren zu messen, die die Ethik einer Organisation beeinflussen.

Bottom up und outside in

Bis diese präzisen Modelle existieren, raten wir Unternehmen dazu, einen „bottom up“ und „outside in“ Ansatz zur Analyse von ethischen Risiken zu nutzen, um eine widerstandsfähigere Organisation zu schaffen. Wir nennen es „bottom up“-Ansatz, weil Mitarbeiter in niedrigeren Positionen einen engeren Bezug zu den Unternehmensrisiken haben und eine viel unvoreingenommenere Perspektive darauf, wie gut ein Unternehmen in ethischer Hinsicht bei Führung und Kultur aufgestellt ist. Des Weiteren empfehlen wir einen „outside in“-Ansatz, um die Erfahrungen und Sichtweisen externer Stakeholder-Gruppen einzubeziehen, bevor die Probleme wachsen und sich ausbreiten. Unternehmen können diese Einsichten für sich nutzen, indem sie diese in ihre traditionellen Compliance-Herangehensweise einbeziehen, um Bereiche mit einer hohen Wahrscheinlichkeit ethischer Risiken zu identifizieren, auch wenn keine konkreten Maßnahmen vorhanden sind.
Wir sind außerdem der Meinung, dass Compliance-Programme ihre “Checklisten–Mentalität“ ablegen müssen und sich vielmehr dahin entwickeln sollten, gerade die Abwesenheit von Routine und Vorhersehbarkeit als sinnvolles Werkzeug zu betrachten.

Unternehmen sollten mehr auf sogenannte „random acts of compliance“ setzen. Diese können sich verschieden darstellen, etwa als Einführung von spontanen Versionen traditioneller Ansätze, wie überraschende Betriebsprüfungen. Aber vielleicht noch viel wichtiger ist es, das Programm tiefer in der Wertschöpfungskette des Unternehmens zu verankern, um den Compliance-Mitarbeitern einen unmittelbaren Einblick in den Stress und die Herausforderung zu geben, denen die Mitarbeiter des Unternehmens gegenüberstehen. Dieser Kontakt zu den anderen Mitarbeitern gibt den Compliance-Verantwortlichen eine größere Wertschätzung der kommenden Risiken, und hilft dabei kreative Lösungen zur Unterstützung von Schwachpunkten zu finden.

Über den Tellerrand blicken

Compliance-Programme müssen, wenn sie ethische Risiken identifizieren wollen, auch Aspekte außerhalb des eigenen Unternehmens berücksichtigen. Industrielle Vorgehensweisen, regionale Normen und andere institutionelle Faktoren können einen starken Einfluss auf das Verhalten der Mitarbeiter haben. Viele Unternehmen beschäftigen regelmäßig Zeitarbeiter oder sind abhängig von Zulieferern, oft machen sie sich die juristischen Risiken und Gefahren für die Reputation des Unternehmens gar nicht bewusst, die sich daraus ergeben  können. Diese ethischen Risiken werden weiter gefördert, wenn Compliance-Programme diesen Angestellten nicht dasselbe Training und dieselbe Unterstützung wie den Unternehmenseigenen zukommen lässt oder sie nicht die Zeit und Ressourcen aufwenden, die Compliance der Zulieferer vertraglich festzulegen. Kurz gesagt, Unternehmen müssen nicht nur außerhalb der Box denken, sondern auch außerhalb des Unternehmens selbst, damit das Risiko von Betrug und Fehlverhalten verringert wird.

Sich außerhalb der Firma zu engagieren, kann auch neue Einsichten bringen, wie ethische Risiken verringert werden können. Forschungen belegen, dass Angestellte innerhalb der Organisation gegenüber unethischem Handeln „abstumpfen“. Oft heißt es, dass eine starke Unternehmenskultur Loyalität und Engagement der Angestellten fördert. Tatsächlich kann es hilfreich sein, wenn man neuen Mitarbeitern hilft, sich mit den Werten des Unternehmens vertraut zu machen. Dadurch wird die Mitarbeiterfluktuation reduziert und die Arbeitsmotivation gefördert. Nichtsdestotrotz müssen sich die Compliance-Verantwortlichen auch der Nachteile bewusst sein, die eine Unternehmenskultur für das ethische Verhalten ihrer Mitarbeiter haben kann.

Wenn Angestellte durch die geschriebenen und ungeschriebenen Verhaltensregeln der Organisation sozialisiert werden, stellt sich für jeden Einzelnen die Frage – kann ich diese Praktiken für mich akzeptieren, also annehmen und damit zu einem echten „Mitglied“ der Organisation werden, oder stehen die Praktiken im Konflikt mit meinen persönlichen Moralvorstellungen und sind somit inakzeptabel? Angestellte, die mit den geltenden Normen in einem Unternehmen nicht einverstanden sind, sehen sich einem weiteren Dilemma gegenüber. Sie müssen sich entscheiden, ob sie die Organisation wieder verlassen, oder ob sie bleiben und versuchen, die herrschende Kultur zu verändern. Egal wie die Entscheidung ausfällt, der Angestellte wird zum „Outsider“, und dass setzt ihn enormen Stress aus, denn jeder Mensch hat das Bedürfnis, sich anzupassen und Teil einer Gruppe zu sein.

Mit der Zeit kann es passieren, dass sogar ethisch stark ausgeprägte Unternehmenskulturen ausgehöhlt werden, wenn sie größer werden und auseinandertreiben, sich neuer Druck aufbaut und „Insider“ gegenüber den Risiken abstumpfen, die sich aus ihrem Verhalten und Handlungen ergeben. Darum brauchen Unternehmen neue Mitarbeiter, um ihnen eine Außenansicht zu ermöglichen und fragwürdige Praktiken zu identifizieren. Leider verlassen diese Leute die Organisation eher, als dass sie sich der schwierigen Aufgabe stellen und positive Veränderungen vorantreiben.

Um das Risiko zu minimieren, müssen Organisationen also auf andere Quellen der Außenansicht („outsider view“) zurückgreifen. Eine Möglichkeit ist, die organisationsinterne Ethik-Hotline für externe Interessengruppen wie Kunden, Aktionäre, Zeitarbeiter und Zulieferer zu öffnen. Wir sind uns bewusst, dass es viele unterschiedliche internationale Ansichten und Ansätze für Ethik-Hotline Programme gibt, aber indem man diesen Kommunikationskanal nach außen öffnet, gibt man externen Interessenten die Möglichkeit, Fehlverhalten zu melden, das ansonsten niemals ans Tageslicht gekommen wäre. So zeigt zum Beispiel eine aktuelle Studie, dass fast die Hälfte aller Betrugshinweise von solchen externen Interessengruppen kam. Zulieferer sind besonders aufmerksam, wenn es um fragwürdiges Verhalten von Konkurrenten (wie der Austausch von Geschenken und Vergütungen) geht, aus dem für sie Nachteile für das Anbahnen neuer Geschäfte mit einer bestimmten Firma erwachsen.

Das Gespräch suchen

Zusätzlich zur Öffnung der Ethik-Hotline können Compliance-Mitarbeiter das Gespräch mit solchen Angestellten suchen, die in regelmäßigem Kontakt zu Kunden und Zulieferern stehen. So können sie herauszufinden, ob diese Interessengruppen Bedenken vorgebracht haben, die auf eine Schwachstelle im Kontrollsystems der Organisation oder dem Risikomanagement hinweisen. Solche Bedenken werden oft nicht der Ethikhotline mitgeteilt, können aber ein wichtiger Indikator für das ethische Risiko innerhalb der Organisation sein.

Front-Line-Mitarbeiter können dem Compliance auch auf andere Art und Weise behilflich sein. Wir haben einen „bottom up“ Ansatz vorgeschlagen, der auf allen Ebenen der Organisation auf klare Verantwortung für eine  ethische Führung setzt. Studien zur Organisationskultur betonen, wie wichtig ethisches Verhalten im Top Management ist, das wir als „tone at the top“ bezeichnen. Wir teilen die Einschätzung, dass Führungskräfte mit einer klaren ethischen Verantwortung und positive Vorbilder ein wichtiger Teil der Ethik einer Organisation sind; aber wir werben gleichzeitig für eine weiterreichende Auffassung von ethischer Führung. Mit anderen Worten, sehen wir die ethische Führung als wichtigen Teil des Verhaltens aller Angestellten, nicht nur derer an der Spitze.

Andere Studien haben gezeigt, dass zwar der Großteil der Angestellten bereits einmal Zeugen von Fehlverhalten am Arbeitsplatz war, aber ein sehr kleiner Prozentsatz dieser Angestellten wirklich einschreitet und das Fehlverhalten dem Management meldet. Wegsehen und stillhalten sind die Norm, wenn es um organisatorische Ethik geht. Es steht zu befürchten, dass eine zu starke Fokussierung der Organisation auf den „tone at the top“ ungewollt das Signal sendet, dass nur das Top Management für ethische Probleme verantwortlich ist. Das fördert wiederum, dass Verantwortung zerstreut wird und dass sich eine „das ist nicht mein Problem“-Einstellung in Bezug auf ethische Angelegenheiten durchsetzt.

Um diesem Trend entgegen zu steuern und das angemessene Verhalten bei erkanntem Fehlverhalten zu verbessern, schlagen wir vor, dass alle Angestellten geschult werden sowie Anreize erhalten, ihre ethischen Führungsfähigkeiten weiterzuentwickeln. Aus der Perspektive der Weiterbildung müssen Angestellte sich mit den verschiedenen Arten von ethischen Dilemmata am Arbeitsplatz bekannt machen und üben, welche Schritte sie unternehmen sollen, um solche Dilemmata zu lösen; dazu gehört auch die Frage, wann und wie man die Compliance-Abteilung einschalten soll. Fallstudien und Rollenspiele können besonders hilfreich dabei sein, Angestellten Selbstvertrauen im Umgang mit ethischen Angelegenheiten zu vermitteln.

Aus Sicht der Verhaltensökonomik sollten Organisationen ethische Führung als Faktor in ihre Leistungsevaluierung mit einbeziehen, Angestellte können so für ethisches Verhalten belohnt werden, und wo es an diesem mangelt, kann nachjustiert werden. Wenn man Ziele ethischer Führung mit finanziellen und operativen Zielen verbindet, sendet man außerdem ein starkes Signal, dass beide wichtig für den Erfolg der Organisation sind.
Über diese Elemente der Compliance-Programme hinaus sind wir der Auffassung, dass Compliance-Angestellte Wege finden sollten, sich neue Erkenntnisse aus der Wissenschaft und der Forschung über ethisches Verhaltens zu eigen zu machen. Wir können beobachten, wie sich verschiedene Forschungsansätze zu diesem Thema annähern; diese Entwicklung hat das Potential, unsere Modelle, mit denen wir moralisch richtiges und falsches Handeln erklären, zu verändern. Diese Forschungen stehen im Gegensatz zu einem Compliance- Modell, dass annimmt, das Menschen ethische Entscheidungen allein nach rationalen und linearen Überlegungen fällen; sie weisen stattdessen den Weg zu einem „just in time-Modell“ hin, welches auf der Annahme basiert, dass Personen in ethischen Belangen viel mehr irrational, impulsiv und emotional entscheiden als bisher angenommen. Kurz gesagt, sowohl Compliance-Direktoren als auch Angestellte wären viel besser in der Lage, Risiken und Fehlverhalten zu minimieren, wenn sie im Bereich der ethischen Verhaltens- sowie Handlungswissenschaften besser informiert und ausgebildet wären.

Das Gehirn denkt automatisch ethisch

Sozialpsychologische Studien zeigen, dass viele Dinge im Arbeitsalltag die Fähigkeit der Angestellten beeinflussen, mit ethischen Dilemmata umzugehen. Stress, Zeitdruck, physische und mentale Erschöpfung, sowie die Angst vor Statusverlusten tragen dazu bei, dass Menschen sich unethisch verhalten. Neurologische Forschungen deuten darauf hin, dass unser Gehirn darauf programmiert ist, gewisse Arten von moralischen und ethischen Entscheidungen automatisch zu treffen; Emotionen wiederum können solche Entscheidungen entweder erleichtern oder unterdrücken. Sogar die Art und Weise wie wir kommunizieren bzw. uns ausdrücken kann sich unterbewusst darauf auswirken, ob wir ein moralisches Problem in einer bestimmten Situation als besonders dringlich oder eher nebensächlich wahrnehmen. Biologen haben in ihrer Forschung das Hormon Oxytocin als physiologische Signatur für Empathie, den Kern unseres Handelns gegenüber Anderen, identifiziert. Gleichzeitig haben Studien aus Psychologie und Soziologie eine dunkle Seite von Empathie entdeckt, die dazu führt, dass wir in Situationen, in denen wir unter sozialem Druck stehen oder von Gruppennormen beeinflusst werden, zu schlechten ethische Entscheidungen neigen, die zwar zum Wohle der Gruppe sind, aber auf Kosten von Individuen gehen; außerdem neigen wird dazu über unethisches Verhalten unserer Kollegen hinwegsehen.

Compliance-Programme können diese Erkenntnisse nutzen, um Angestellten einen Impuls in die richtige Richtung zu geben. Zum Beispiel halten Angestellte sich eher an Verhaltensregeln, wenn diese auf freiwilligem und ehrenamtlichem Engagement beruhen. Informationen über Entscheidungsprozesse mit den Angestellten zu teilen, trägt dazu bei, dass diese die gefällten Entscheidungen als fair ansehen, auch wenn sie aus der Entscheidung persönliche Nachteile erfahren. Wenn man persönliche Erinnerungen über die Wichtigkeit von Ehrlichkeit, Integrität und Werten in den Arbeitsalltag der Angestellten integriert, kann das ebenfalls der Tendenz entgegenwirken, Abkürzungen zu nehmen oder über Probleme hinwegzusehen.

Es würde der Organisation weitere große Vorteile bringen, wenn man die Angestellten regelmäßig schult, wie sie ihre Emotionen erkennen, kontrollieren und dafür nutzen können ethische Probleme zu bewältigen. Vielleicht können genau diese neuen voraussagenden Verhaltensmodelle, mobile Apps, sowie neue Technologien strategische Partner dabei sein, Angestellte und Mitarbeiter im Kampf gegen ethische Risiken zu unterstützen, wenn sie am verwundbarsten sind.

Diese disziplinübergreifenden Entdeckungen sind mehr als nur interessante Zufälle. Wenn wir diese in erklärungskräftige Modelle integrieren können, wie Menschen ethische Entscheidungen treffen, dann verändern sie dauerhaft die Art und Weise, wie wir Angestellte in Ethik- und Compliance-Angelegenheiten trainieren und wie wir mit Personen und ethischen Krisensituationen umgehen.
Wenn wir noch weiter über den Horizont blicken, können Compliance-Programme auch Vorteile daraus ziehen, dass sie moderne Reflektionspraktiken und Meditationen einbinden. Ethische Risiken lauern überall, auch wenn sie nicht immer gleich zu erkennen sind. Wir glauben, dass Reflektionspraktiken es Compliance-Mitarbeitern leichter machen, ethische Risiken klar zu definieren. Eine wichtige Praktik ist, dass man sich nach einem Fall von Betrugsvorwürfen als Gruppe erfolgreiche und problematische Abläufe bei der Bewältigung des Fall bespricht, alle wichtigen Punkte beim Umgang mit dem Vorwurf hervorhebt, um diese für die Zukunft zu adaptieren oder zu verbessern. Die Compliance-Abteilung sollte es vermeiden, impulsiv zu handeln und allein den Täter zu isolieren, die Angelegenheit administrativ zu behandeln und danach zum nächsten Thema überzugehen. Stattdessen sollte sich die Organisation die Zeit nehmen, die Gründe des Fehlverhaltens zu suchen, herauszufinden, wie weit verbreitet das Problem ist und schließlich Maßnahmen einleiten, um weiteres Fehlverhalten zu unterbinden. So ein Vorgehen verbessert nicht nur das Fallmanagement und die Identifikation von ethischen Risiken, sondern schafft auch die Voraussetzungen für Lernen und für Verbesserungen. Ohne diese Herangehensweise und ihre konsequente Umsetzung innerhalb der Arbeitsabläufe werden wir niemals in der Lage sein, die Fortschritte zu machen, die notwendig sind um die Hintergründe von Fehlverhalten zu verstehen und präventiv gegen sie vorzugehen.

Die meisten Angestellten unterschätzen den Einfluss ihres Umfeldes auf ihr Verhalten und die unterbewusste, unwillkürliche Natur von ethischen Urteilen. Studien zeigen, dass Aufmerksamkeit und kontemplative Praktiken diese Schwächen bekämpfen und ethisches Verhalten auf kritische Art und Weise beeinflussen können. Zum Beispiel wurden gewisse Arten von Meditation mit der Zunahme von Neuronen in Hirnregionen in Verbindung gebracht, welche für Empathie verantwortlich sind. In der Lage zu sein, Gefühle von Kollegen nachzuvollziehen macht es möglich, gegenüber eigenen Entscheidungen und dem eigenen Verhalten sensibilisiert zu werden und zu verstehen, wie sich diese auf Mitarbeiter und Umwelt auswirken.

Befunde aus den Kognitionswissenschaften deuten darauf hin, dass Meditationen Angestellten helfen können, ihre Impulse und Emotionen besser zu kontrollieren und in angemessenes Verhalten umzusetzen. Ein noch so kleiner kognitiver Freiraum zwischen Impuls und Handlung kann den Unterschied zwischen einem ethischen Fehltritt oder der Verhinderung einer Krise bedeuten. Eine große Gruppe von Unternehmen unterstützen meditative Praktiken, wie beispielsweise Stressverminderung durch Aufmerksamkeitsmeditation. Es gibt immer mehr Belege dafür, dass solche Praktiken die Selbstwahrnehmung und -kontrolle auf eine Art beeinflussen, die Personen und Organisationen zu Verhaltensweisen anregen, die ethisches Verhalten unterstützen.

Wir glauben, dass ethische Organisationen davon abhängig sind, dass es eine starke Führung gibt und dass die Verantwortung für ethische Fragen auf mehrere Schultern verteilt wird. Wir sind überzeugt, dass ethische Organisationen eine gesunde Arbeitsumgebung fördern, die Angestellte und externe Interessensgruppen anregt, Probleme gemeinsam zu lösen und Shared Value zu schaffen. Wir glauben Compliance funktioniert am effektivsten, wenn es nicht auf vorgefertigte Rezepte setzt, um ethische Risiken zu lösen. Darüber hinaus glauben wir, dass die Einbindung von neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen aus der Verhaltensforschung Compliance-Mitarbeitern dabei hilft, das traditionelle Bild des „Gesetze-Machers und Vollstreckers“ loszuwerden, und effektivere Führer in den globalen Bemühungen zu werden, ethische Organisationen zu schaffen.

Weitere Artikel