Haftungsrisiken während der Betriebsratswahl – Teil 1

HR Compliance

Da der Personalbereich in vielen Unternehmen bisweilen wie ein Fremdkörper neben Rechts- und Compliance-Abteilung geführt wird, wird das Thema arbeitsrechtliche Compliance nur eingeschränkt betrachtet. Dabei erfahren gerade arbeitsrechtliche Themen ein besonderes Echo. Dass man Betriebsräte nicht bestechen darf, ist seit Peter Hartz hinlänglich bekannt. Viele andere Haftungs- und Strafbarkeitsfallen im Betriebsverfassungsgesetz sind es nicht. Diese Wissenslücke – die oft auch in eine Lücke in Compliance-Systemen mündet – will ein zweiteiliger Beitrag schließen.

Dieser erste Teil soll die Haftung des Unternehmens und Unternehmers bei der Wahl eines Betriebsrates beleuchten. Immer wieder wird schließlich Unternehmern, namentlich im Einzelhandel, aber auch in renommierten Unternehmen, wie etwa dem ADAC, von Gewerkschaftsseite oder Betriebsräten und Wahlinitiatoren vorgeworfen, in strafbarer Weise die Betriebsratswahl zu stören.

Der zweite Teil wird die Haftungsfallen im Umgang mit dem gewählten Betriebsrat beziehungsweise im Umgang mit dem abgewählten Betriebsrat thematisieren.

Wahlbezogene Straftatbestände im BetrVG

Nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft, wer die Wahl eines Betriebsrats oder der Jugend- und Auszubildendenvertretung behindert oder durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflusst. Die Tat kann wird nur auf Antrag des Betriebsrats, des Gesamtbetriebsrats, des Konzernbetriebsrats, des Wahlvorstands, des Unternehmers oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft verfolgt. Ein Blick in Rechtsprechung und Presse belegt, dass Betriebsräte, Wahlvorstände und Gewerkschaften durchaus nicht zimperlich bei der Anzeige vermeintlicher Straftaten im Sinne des § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG sind. Grund genug für eine detailliertere Betrachtung der realen Strafbarkeitsrisiken.

Strafbar machen kann sich jedermann, also nicht nur der Arbeitgeber bzw. die Arbeitgebervertreter, sondern auch „normale“ Arbeitnehmer, Gewerkschaftsvertreter, Betriebsräte und Wahlkandidaten. Beispiele für strafbares Verhaltens sind:

Straftaten durch den Arbeitgeber/Arbeitgebervertreter

  • Der Arbeitgeber verwehrt Gewerkschaftsvertretern im Zusammenhang mit der Wahl / Wahlvorbereitung den Zugang zum Betrieb.
  • Der Arbeitgeber fordert den Wahlvorstand auf, die Wahl nicht durchzuführen und droht mit Nachteilen für den Fall der Wahldurchführung bzw. bietet eine finanzielle Belohnung für den Abbruch der Wahl.
  • Der Arbeitgeber beraumt für den Zeitpunkt einer Wahlversammlung eine „Konkurrenzveranstaltung“ an und / oder offeriert Belohnungen für das Nichterscheinen bei der Wahlversammlung.
  • Der Arbeitgeber weigert sich, die zur Wahl nötigen Informationen (bspw. Information zu Mitarbeitern für Wählerliste) zur Verfügung zu stellen; alternativ ist auch eine Behinderung der Wahl durch Falschinformationen an den Wahlvorstand denkbar.
  • Der Arbeitgeber nimmt eigenmächtig Änderungen an den vom Wahlvorstand ausgehängten Informationen (Wählerliste, Wahlausschreiben usw.) vor.
  • Der Arbeitgeber kündigt Arbeitnehmern, die sich für die Wahl eines Betriebsrats einsetzen bzw. als Kandidaten / Wahlvorstandsmitglieder fungieren.
  • Der Arbeitgeber verweigert die Zustimmung zum Aushang von Wahlunterlagen (Einladungsschreiben zu Wahlversammlung, Wahlausschreiben usw.) bzw. entfernt solche Aushänge.
  • Der Arbeitgeber fördert eine Kandidatenliste, durch Werbemittel, durch das Sammeln (lassen) von Stützunterschriften, die Aufforderung, sich als Kandidat zur Verfügung zu stellen bzw. eine bestimmte Liste zu wählen oder durch „Stimmkauf“.
  • Der Arbeitgeber weigert sich, die Mitglieder des Wahlvorstands für deren Tätigkeit (bezahlt) von der Arbeit freizustellen.
  • Der Arbeitgeber weigert sich, die für die Betriebsratswahl erforderlichen Unterlagen / Gegenstände anzuschaffen (Wahlurne, Wahlzettel usw.) bzw. Auslagen zu erstatten (Reisekosten des Wahlvorstands, Übersetzung der Wahlunterlagen für ausländische Mitarbeiter usw.)

So vielfältig wie das Leben sind die Fallgestaltungen, die zu strafrechtlichen Risiken führen. Für deren Vermeidung ist es unabdingbar, dass die auf Arbeitgeberseite mit solchen Themen beschäftigten Personen (Personalabteilung, Geschäftsführung, ggf. Compliance-Bereich) zumindest die Grundzüge des Wahlverhaltens und der arbeitgeberseitigen Pflichten, etwa durch eine Schulung, kennen.

Straftaten durch Arbeitnehmer

Straftäter können aber auch Mitarbeiter sein, also etwa

  • Kandidaten, die anderen Kandidaten (etwa durch Zerstörung deren Wahlwerbung) schaden wollen,
  • Mitglieder des Wahlvorstands, die ihr Amt so ausüben, dass Konkurrenz bei der Wahl benachteiligt wird oder auch
  • übereifrige Führungskräfte (klassischerweise aus dem „Mittelmanagement“, die den Mitarbeitern ihrer Abteilung/ihres Teams klarmachen, dass eine Kandidatur als Betriebsrat nicht infrage komme oder sonst Einfluss auf die Wahl nehmen wollen.

Gerade bei der letztgenannten Gruppe („unguided missiles“) wird die Annahme naheliegen, dass solche Führungskräfte nicht ohne Anweisung gehandelt haben und folglich eine geheime Anweisung in diese Richtung besteht, insbesondere wenn mehrere Führungskräfte ähnlich agieren. Im Zuge einer dann möglichen Strafanzeige und den resultierenden Ermittlungen steht eine Geschäftsführung schnell – medial wie auch strafrechtlich – mit dem Rücken zur Wand. Auch hier ist es ratsam, wenn die Geschäftsführung dokumentiert, Führungskräfte einerseits über die Arbeitgeberpflichten bei der Betriebsratswahl informiert und andererseits zum Abstandnehmen von jeglicher Einflussnahme angewiesen zu haben.

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