In der Welt der Startups, wo Innovation und Unternehmergeist die treibenden Kräfte sind, gibt es immer eine Geschichte, die es wert ist, erzählt zu werden. Die Gründerin des nachfolgendenden Interviews kennt die Herausforderungen und Triumphe des Startup-Lebens aus erster Hand. Sie hat nicht nur die Reise von einer Idee bis zur erfolgreichen Unternehmensgründung hinter sich, sondern auch zahlreiche Hürden gemeistert, die auf diesem Weg lauern.
1. Allgemeine Fragen zur Gründung
Was hat Sie dazu inspiriert, Ihr eigenes Startup zu gründen, wann haben Sie gegründet?
Ich habe selbst viele Jahre unter Essstörungen gelitten. Mit das schlimmste war es für mich mitzuerleben, wie sehr meine Eltern und meine Schwester mitgelitten haben und wie überfordert sie sich mit der Situation gefühlt haben. Gleichzeitig ist mir aufgefallen, dass besonders meine Eltern einen großen Einfluss auf den Verlauf meiner Krankheit beziehungsweise meine Genesung
hatten. Sie wollten mir helfen, wussten jedoch nicht wie. Mit ihren Fragen kamen sie dann zu mir. Ich konnte damals im Internet nichts finden, das ich meinen Eltern hätte unterstützend an die Hand geben können. Und das wollte ich ändern.
2. Anfängliche Herausforderungen
Welche Herausforderungen haben Sie bei der Gründung Ihres Startups erlebt und wie haben Sie diese Herausforderungen bewältigt?
Essstörungen sind noch immer ein stigmatisiertes Thema. Viele haben große Hemmungen zu bekennen, selbst betroffen zu sein – ob durch eigene Erkrankung oder als Elternteil. Dementsprechend war und ist es nicht so leicht, unsere Zielgruppe zu erreichen. Eltern wissen oft gar nicht, wie sehr sie schon durch kleine Verhaltensänderungen ihrem Kind helfen können. Wenn sie nach Hilfsangeboten suchen, dann häufig direkt für ihr Kind. Alternativ denken die meisten an Selbsthilfegruppen, Kliniken und Beratungsstellen. Mit diesen Anlaufstellen vernetzen wir uns immer stärker, um jetzt Eltern und in Zukunft weiteren Angehörigen die bestmögliche Unterstützung bieten zu können.
3. Unterstützung und Ressourcen
Welche Art von Unterstützung und Ressourcen haben Sie in der Anfangsphase Ihres Unternehmens genutzt (z. B. Inkubatoren, Venture Capital, staatliche Programme)?
Wir sind sehr dankbar während des ersten Jahres einen Platz im Vision Health Pioneers Incubator erreicht zu haben und dadurch Unterstützung in Form von sowohl wertvollem Mentoring als auch Finanzierung erhalten zu haben.
4. Standortvorteile
Welche Vorteile bietet Deutschland als Standort für Startup Gründungen?
Gibt es bestimmte Aspekte der deutschen Geschäftskultur, die Sie als besonders förderlich oder herausfordernd empfinden?
Insbesondere Berlin verfügt über ein sehr lebendiges und vielfältiges Startup-Ökosystem. Es gibt zahlreiche Coworking Spaces, Inkubatoren bzw. Accelerator-Programme und Events, die Gründer:innen unterstützen und vernetzen. Die deutsche Bürokratie kann auf der anderen Seite für
Gründer:innen ganz schön komplex und zeitaufwendig sein. Viele Institutionen, wie Krankenkassen, verfügen außerdem über langwierige Entscheidungsprozesse, die die Geschäftsdynamik verlangsamen können.
5. Regulatorische Rahmenbedingungen (Gesetze, Vorschriften, behördliche Richtlinien)
Wie haben sich die regulatorischen Rahmenbedingungen in Deutschland auf Ihr Startup
ausgewirkt? Gibt es spezifische Gesetze oder Vorschriften, die Sie als besonders unterstützend oder hinderlich empfinden? Welche Rolle spielt Compliance in der Gründungsphase?
Deutschland hat vergleichsweise strenge Datenschutzgesetze, wie die DSGVO, die den Schutz personenbezogener Daten fördern und damit zwar selbstverständlich sinnvoll sind, aber
für deutsche Startups einige Hürden mit sich bringen. Die meistverbreiteten, etabliertesten Tools und Softwares sind beispielsweise oftmals noch nicht DSGVO-konform nutzbar. Entsprechend müssen Startups in Deutschland auf oft kostspieligere, umständlichere Alternativen ausweichen. Auch die bereits erwähnte Bürokratie in Deutschland kann hinderlich sein, insbesondere in Bezug auf Gründungsformalitäten und behördliche Genehmigungen. Die Einhaltung der steuerlichen Vorschriften und die ordnungsgemäße Buchführung sind ebenfalls herausfordernd und aufwendig, besonders für kleine Teams mit stark begrenzten Ressourcen.
6. Können Sie einige Schlüsselerfolge oder Meilensteine in der Entwicklung Ihres Startups teilen? Was waren die entscheidenden Faktoren für diese Erfolge?
Welche wichtigen Lektionen haben Sie während Ihrer Reise als Gründer gelernt?
Vor 9 Monaten sind wir mit unseren aidable Online-Kurs für Eltern in den Markt eingetreten. Wir konnten bereits über 80 Eltern helfen ihre Kinder in der Essstörungs-Genesung zu unterstützen. Zusätzlich zum Online-Kurs bieten wir mittlerweile auch Einzelberatungen an und konnten kürzlich unsere erste Lizenz an ein Caritas Beratungszentrum verkaufen. Aktuell stehen wir mit zahlreichen Beratungszentren, Selbsthilfegruppen und Kliniken in Kooperationsgesprächen. Vor zwei Wochen gewannen wir den Wittener Preis für Gesundheitsvisionäre und ein Feature im Handelsblatt wird
in den nächsten Tagen veröffentlicht werden. Wir glauben ein entscheidender Erfolgsfaktor ist in unserem Fall die Tatsache, dass es eine echte Herzensangelegenheit ist. Uns wurde mehrfach von fachlichen Expert:innen sowie Kund:innen das Feedback gegeben, dass wir die Leidenschaft ausstrahlen, die wir durch unsere persönlichen Erfahrungen für das Thema
Essstörungen haben.
7. Ratschläge für angehende Gründer:innen
Was würden Sie jemandem raten, der in Deutschland ein Startup gründen möchte? Gibt es spezielle Ressourcen oder Strategien, die Sie empfehlen würden?
Für deutsche Startups gibt es einige Hürden. Die meistverbreiteten, etabliertesten Tools und Softwares sind beispielsweise oftmals noch nicht DSGVO-konform nutzbar. Mindestens genauso relevant wie das eben umschrieben, sogenannte „starke Why“ ist es die Resilienz aufzubauen, ohne die kein Startup durchhält. Man muss zahlreiche Rückschläge, entgegengebrachtes Desinteresse und
Durststrecken durchstehen und das Ganze als Abenteuer-Reise betrachten. Die Strapazen lohnen sich, vor allem wenn man aufhört ausschließlich den gigantischen Milestones nachzujagen
und auch die kleinsten Schritte in die richtige Richtung feiert!
8. Zukunftsaussichten
Gibt es bestimmte Trends oder Entwicklungen, die Sie für besonders relevant halten?
Das Gesundheitswesen entwickelt sich ständig weiter, und es gibt immer mehr Lösungen, die es den
Patienten ermöglichen, sich immer besser auszukennen und sich selbst zu helfen. Und das ist großartig. Aber eine Partei wurde in der Vergangenheit oft vergessen, obwohl sie einen großen Einfluss und ein großes Potenzial hat: Familienmitglieder als Unterstützer:innen. Die Rolle der unterstützenden Angehörigen wird aufgrund der alternden Bevölkerung, des Mangels an Gesundheitspersonal usw. immer entscheidender werden. Sie werden zunehmend als relevante Stakeholder gesehen und wollen auch als solche wahrgenommen werden. Mit aidable wollen wir genau das tun: die Eltern von Essstörungspatient:innen befähigen, ihre Lieben auf dem Genesungsweg wirklich zu unterstützen. Wir versorgen sie mit Informationen, konkreten Ratschlägen und schützen ihre eigene gefährdete psychische Gesundheit. Wir hoffen, dass
Angehörige zukünftig nicht nur ein paar unterstützende Services angeboten werden, die sie selbst finden und bezahlen müssen, sondern dass sie in das bereits etablierte Gesundheitssystem integriert werden, damit sie genau wie die Patient:innen Informationen und Beratung erhalten und die Kosten von den Krankenkassen übernommen werden. Denn auch sie profitieren davon, wenn die Patientinnen von ihren Angehörigen wirksam unterstützt werden und somit einen besseren Genesungsverlauf haben.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Zukunft – Ein Balanceakt. Das Heft können Sie hier bestellen.