Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst

Studie

Im April 2017 hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young die „EMEIA Fraud Survey – Ergebnisse für Deutschland“ veröffentlicht. Interessant ist diese Studie, weil sie uns zum einen eine ungefähre Richtung zeigt, wie erfolgreich unsere Compliance-Arbeit ist. Zum anderen legt sie offen, wie die deutschen Manager sich in bestimmten Situationen verhalten würden. Insgesamt haben an der Studie 4.100 Unternehmen aus 41 Ländern der Regionen Europa, Mittlerer Osten, Indien und Afrika teilgenommen; in Deutschland wurden 100 Manager befragt.

Die Hände schmutzig machen

Wie weit würden deutsche Manager gehen, um finanzielle Ziele zu erreichen? Nur vier von 100 befragten Managern würden die Finanzergebnisse des eigenen Unternehmens bewusst manipulieren; 6 Prozent der Befragten würden Wertansätzen oder Rückstellungen zugrunde liegende Annahmen verändern; jeweils 9 Prozent würden einen Vertrag zurückdatieren oder die Umsätze vorzeitig verbuchen. Die monatliche Berichtsperiode würden dann schon 11 Prozent verlängern.

Geht man aber von dieser von den Befragten selbst getroffenen Einschätzung weg, dann zeigt sich ein etwas anderes Bild: Wie verbreitet sind eigentlich Korruption und unethisches Verhalten im eigenen Land? Ganze 43 Prozent der befragten Manager finden, dass Bestechung und korrupte Methoden im Geschäftsleben in Deutschland weit verbreitet sind (Grafik 1). Das ist ein erheblicher Anstieg gegenüber 2015; denn damals empfanden dies noch 26 Prozent der Befragten so. Schauen wir uns hier Deutschland im Vergleich zu den anderen westeuropäischen Ländern an. So bejahen 71 Prozent der italienischen Manager, dass Bestechung und korrupte Methoden im Geschäftsleben des eigenen Landes weit verbreitet seien. In Spanien sind es 64 Prozent, in Portugal 60 Prozent und in Irland 47 Prozent.

Bei der Frage hingegen, wie es im eigenen Unternehmen um Ethik und Moral steht, zeichnen die deutschen Manager ein noch um eine Nuance dunkleres Bild: 52 Prozent der Befragten haben angegeben, dass ihnen bereits unethisches Verhalten im eigenen Unternehmen aufgefallen sei. Auch hier schauen wir uns wieder die Ergebnisse im Ländervergleich unter den westeuropäischen Studienteilnehmern an: In Portugal haben 72 Prozent der befragten Manager angegeben, dass sie in ihrem Unternehmen unethisches Verhalten beobachtet haben, in Italien 57 Prozent und in Spanien 54 Prozent (Grafik 2).

Weiß von nichts

Ein besonders spannendes Thema für Compliance Manager ist es, wie die Mitarbeiter beziehungsweise hier speziell die befragten Manager damit umgehen, wenn sie unethisches Verhalten im Unternehmen feststellen. Würden sie es melden? Die Studie zeigt, dass 18 Prozent der Befragten angaben, dass sie entsprechende Informationen über Fehlverhalten hatten und dies auch gemeldet haben (Grafik 3). In Westeuropa gesamt waren es 12 Prozent. 48 Prozent dagegen gaben an, dass sie „niemals Informationen oder Bedenken wegen Verfehlungen“ hatten (Westeuropa gesamt: 55 Prozent). Oder hatten sie ein Fehlverhalten nicht als solches erkannt? Das ist hier die Frage. Nur 7 Prozent hatten die Informationen trotz Drucks aus dem Unternehmen gemeldet (Westeuropa gesamt: 8 Prozent) und ebenfalls 7 Prozent der Befragten gaben an, dass sie zwar Informationen über Fehlverhalten hatten, diese aber wegen Drucks aus dem Unternehmen zurückgehalten hatten (Westeuropa gesamt: 6 Prozent). Welche Schlüsse sollen wir nun daraus ziehen? Stellen wir beispielsweise diese Ergebnisse den Ergebnissen bezüglich der Frage gegenüber, ob Unternehmen ihre Finanzergebnisse besser darstellen, als sie wirklich sind: 42 Prozent der Befragten haben darauf bejahend geantwortet. Dann könnte man beispielsweise schlussfolgern, dass es den befragten Managern leichter fällt, ein finanzielles Fehlverhalten zu identifizieren als ein andersgeartetes.

Ich tue es für mich

Um die Bereitschaft zu messen, unethisches Verhalten zum eigenen Vorteil einzusetzen, wurden die Manager mit der Frage konfrontiert, ob sie sich zur Beschleunigung ihrer Karriere oder um sich einen anderweitigen Vorteil (Bonus, geldwerter Vorteil) zu verschaffen auf eine bestimmte Weise verhalten. Das Ergebnis war, dass in Deutschland jeder zehnte Studienteilnehmer nichts gegen die Täuschung der Regulierer einzuwenden hätte. Und um das eigene Unternehmen vor dem Wirtschaftsabschwung zu retten, würden sogar 12 Prozent der Befragten schon mal dem Geschäftspartner ein „persönliches Geschenk“ anbieten. Im Jahre 2015 haben auf diese Frage noch 8 Prozent der Befragten positiv geantwortet. Aus demselben Grund würden 11 Prozent der Befragten ihren Geschäftspartnern eine Barzahlung offerieren. Kleine positive Veränderungen gibt es dagegen beim Angebot von „Unterhaltungsdienstleistungen“ an die Geschäftspartner: Hier waren es 9 Prozent der Befragten, die das tun würden – das ist ein kleiner Rückgang gegenüber Ergebnissen aus dem Jahr 2015, damals waren es noch 12 Prozent. Auch wenn sich diese Prozentwerte für Deutschland noch mehr oder weniger im „harmlosen“ Bereich befinden – das Interessante ist eigentlich, das Ganze im Ländervergleich zu sehen. Welche Länder schneiden schlechter als Deutschland beim Thema „Täuschung von Externen“ ab? Hier sind die Ergebnisse:

  • Persönliches Geschenk: Spanien 34 Prozent (gleichbleibend), Belgien 23 Prozent (Tendenz Rückgang), Italien 19 Prozent (gleichbleibend), Irland 19 Prozent (Tendenz Rückgang), Portugal 14 Prozent (Tendenz Anstieg), Schweiz 13 Prozent (Tendenz Anstieg), Schweden 13 Prozent (Tendenz Anstieg), Großbritannien 13 Prozent (Tendenz erheblicher Anstieg), Österreich 12 Prozent (Tendenz Rückgang), Frankreich 12 Prozent (Tendenz Anstieg).
  • Barzahlung: Spanien 21 Prozent (Tendenz Rückgang), Irland 17 Prozent (Tendenz Anstieg), Schweiz 14 Prozent (Tendenz Anstieg), Italien 14 Prozent (Tendenz Anstieg), Portugal 12 Prozent (gleichbleibend), Österreich 12 Prozent (gleichbleibend), Großbritannien 12 Prozent (Tendenz Anstieg).
  • Unterhaltungsdienstleistungen: Spanien 22 Prozent (Tendenz Rückgang), Großbritannien 18 Prozent (Tendenz Anstieg), Schweden 17 Prozent (Tendenz Anstieg), Irland 16 Prozent (gleichbleibend), Italien 14 Prozent (Tendenz Anstieg), Finnland 12 Prozent (gleichbleibend), Dänemark 11 Prozent (Anstieg), Schweiz 10 Prozent (Tendenz Rückgang), Portugal 10 Prozent (Tendenz erheblicher Anstieg), Belgien 10 Prozent (Tendenz erheblicher Rückgang), Frankreich 9 Prozent (Tendenz Rückgang).

Generation Y nicht so unschuldig

Nichts für schwache Nerven sind aber die Antworten der Studienteilnehmer, die als „Generation Y“ (die zwischen 1980 und 1999 Geborenen) bekannt sind, als sie aufgefordert wurden, ihre Einschätzung zu bestimmten Aussagen abzugeben. Schauen wir uns dazu die Grafik 4 an: Ganze 73 Prozent der deutschen Befragten haben die Aussage bejaht, wonach unethische Verhaltensweisen gerechtfertigt sein können, wenn sie dazu beitragen, ein Unternehmen über einen Wirtschaftsabschwung zu retten.

68 Prozent denken, dass dies ihr Management ebenfalls tun würde. Und 49 Prozent sind der Ansicht, dass ihre Kollegen dazu bereit wären, sich unethisch zu verhalten, um den eigenen Karrierefortschritt zu unterstützen. Interessant ist diese Einschätzung des „Ich und die anderen“ – man selbst würde es natürlich nur aus höheren Beweggründen tun (um das eigene Unternehmen zu retten), während die bösen Kollegen sich aus niederen Beweggründen unethisch verhalten würden. Und wir glaubten bisher, dass es die über 40-jährigen Manager sind, die besonders „böse“ sind …

Und die folgenden Ergebnisse über die Bereitschaft der deutschen Manager, unethisches Verhalten zum eigenen Vorteil einzusetzen, könnten den Compliance Managern eventuell endgültig das „Herz brechen“: Jeder vierte Manager in Deutschland ist zu unethischem Verhalten bereit. Hierzu haben 23 Prozent folgender Aussage zugestimmt: „Ich wäre zu mindestens einer der genannten Verhaltensweisen (Täuschung Externer; Versorgung des Managements mit falschen Informationen; Ignorieren unethischen Verhaltens bei Kunden, Lieferanten oder Dritten bzw. im eigenen Team) bereit, um meine Karriere zu beschleunigen oder mir einen anderweitigen Vorteil (Bonus, geldwerter Vorteil) zu verschaffen.“ Und damit ist Deutschland als westeuropäisches Land führend. Vor ihm stehen nur solche Länder wie Ukraine, Russland, Türkei oder Bulgarien (Grafik 5).

6 Prozent der Befragten würden sich über unethisches Verhalten in ihrem Team hinwegsetzen, wenn es ihrer Karriere dienlich wäre. 11 Prozent würden dasselbe bei Kunden, Lieferanten oder Dritten tun. Jeweils 10 Prozent würden für ihre Karriere ihr eigenes Management mit falschen Informationen versorgen. Es ist hier nur die Frage, wie weitsichtig dieses Verhalten dann ist.

Nun, die Lage ist sozusagen hoffnungslos, aber nicht ernst. Auch wenn für die Studie nur 100 Manager in Deutschland befragt wurden – die Tendenz wurde uns klar. Was sollen wir also noch machen? Bringt es etwas, die eigenen Mitarbeiter noch mehr aufzuklären und zu schulen? Eigentlich nicht. Denn die Studienergebnisse zeigen ja, dass das Bewusstsein für eine bestimmte Art von unethischem Verhalten schon da ist. Das heißt, die Leute wissen, dass sie im ethischen Sinne falsch handeln. Vielleicht hilft es, mehr über die Anreizmechanismen innerhalb des eigenen Unternehmens nachzudenken. Aber nur wenige Compliance Manager haben hierauf einen echten Einfluss. Wichtig wäre das aber schon.

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