Mit telefonischen oder schriftlichen Hinweisen ohne Absender gehen Empfänger sehr unterschiedlich um. Ich habe Unternehmer und Manager erlebt, die mit dem Ausdruck „igitt“ die Nachricht dem Papierkorb anvertraut haben. Aus Sicht der Unternehmensverantwortlichen stellt sich jedoch die Pflicht, Hinweise auf strafbare Handlungen oder Vertragsverletzungen aufzuklären, Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen und das „Leck“ abzudichten.
Art. 91 Abs. 2 des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG), §§ 91, 93 des Aktiengesetzes (AktG) und § 43 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränker Haftung (GmbHG) sprechen hierzu eine sehr deutliche Sprache. Am Ende droht ferner persönliche Haftung etwa nach § 130, § 9 des Ordnungswidirgkeitengesetzes (OWiG) dann, wenn Schaden nicht verhindert, sprich dem Hinweis zur Aufdeckung nicht nachgegangen wurde.
Im Regelfall hat der interne Hinweisgeber rechtlich nichts zu befürchten, solange er in gutem Glauben handelt. Den rechtlichen Rahmen bilden die bestehenden Gesetze, etwa zum Schutz vor Verleumdung, übler Nachrede oder die Strafbarkeit wegen falscher Verdächtigung – um nur einige zu nennen. Der Empfänger, der verständlicherweise neben seinem Interesse an dem Wahrheitsgehalt der Information auch eines hinsichtlich der Identität des Whistleblowers hat, ist seinerseits frei – im rechtlich zulässigen Rahmen – beidem auf den Grund zu gehen. Einerseits weil er hinsichtlich der behaupteten Missstände rechtlich verpflichtet ist und andererseits, weil der Hinweisgeber selbst strafrechtlich beziehungsweise arbeitsrechtlich herangezogen werden soll, wenn die Behauptung böswillig und falsch war. Die Suche nach dem Informationsgeber ist unproblematisch zulässig. Es sind jedoch die üblichen äußeren und inneren Mitbestimmungspflichten sowie Datenschutzregelungen zu beachten.
Die Sorge vor Denunziation ist weitestgehend unberechtigt. Aus meiner Praxis über vier Jahrzehnte und hunderter solcher Hinweise kann ich die wenigen Fälle an einer Hand abzählen. Dennoch, es war sehr wichtig, auch diese Vorwürfe zu untersuchen, konnten wir doch dem/den/der Beschuldigten eine „weiße Weste“ bescheinigen. Damit war der Verdacht ausgeräumt und die weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit wieder gewährleistet.
Während bei schriftlichen Hinweisen konkrete Angaben vorliegen und für die Untersuchung als Basis benutzt werden können, sind bei telefonischen Informationen oftmals am Ende der „stillen Post“ durch eventuell viele Stationen bis zum zuständigen Empfänger Details verloren gegangen oder sie kommen beeinflusst endlich am Ziel an.
Schriftliche Hinweise sollten in erster Linie der Aufklärung erhobener Vorwürfe, Beschuldigungen oder ähnlichem. dienen. Für uns als Consulter spielt es keine Rolle, wer es gut mit dem Unternehmen, dem Empfänger der Botschaft, meint. Das ist in der Tat das häufigste Motiv für Hinweisgeber. Eine meist mit Verbindung zum Opfer an Aufklärung interessierte Person erkennt nicht selten, ob ihrem Hinweis folgend „etwas“ passiert ist, also Konsequenzen gezogen beziehungsweise Verbesserungen für mehr Sicherheit eingerichtet wurden. Sofern sich der Whistleblower also bestätigt fühlt, ist er daran interessiert weitere Tipps zu geben – immer im Interesse pro Firma.
Im Umkehrschluss (also ohne Reaktion auf Seiten der Empfänger)ist davon auszugehen, dass weitere Hinweise mit dem Gedanken entfallen …dann sollen die doch mit ihren Probleme leben…
Schade, denn aus der Erfahrung kann ich sagen, dass große Werte erst nach anonymen Hinweisen (schriftlich oder telefonisch) gerettet oder Regress genommen werden konnte.
Über Sachverständige und Gutachter lassen sich Schriftstücke mit erkennbar falscher Beschuldigung in vielfacher Hinsicht auswerten. Die Suche nach dem/der VerfasserIn hat dann Priorität. Dafür stehen bei gedruckten Schreiben neben Fingerabdruckspuren auch Ergebnisse aus der Suche unter anderem nach dem Geschlecht, dem benutzen Papier/Umschlag, sowie dem Druckersystem etc. zur Verfügung und ich persönlich nehme gern einen Abgleich mit Schriftstücken aus Vergangenheit und Gegenwart im Unternehmen vor.
Handschriftliche anonyme Hinweise lassen sich zusätzlich forensisch untersuchen und liefern auf diesem Wege weitere Aufklärungschancen.
Auf die Problematik bei telefonischen Hinweisen habe ich eingangs bereits hingewiesen. Hier entstehen ungewollt Verzerrungen, Details gehen unter oder eventuell kommt die eigene Meinung der Empfänger hinzu. Außerdem fehlen wichtige Details wie Umweltgeräusche (etwa Verkehrslärm) oder Dialekt des Anrufers/der Anruferin, werden Namen (richtige Schreibweise erfragen!) oder sonstige Internas erwähnt.
Aus diesem Grunde wurde ein Protokoll-Formular entwickelt, das nach Auskunft des LKA NRW dem amtlicherseits benutzen Vordruck für anonyme Telefonate in großen Teilen entspricht. Auch dort werden anonyme Hinweise selbstverständlich ernst und zum Anlass für Untersuchungen genommen.
In den Anleitungen des erwähnten Protokolls stecken Anregungen für viele Rückfragen um auch möglichst viele Anhaltspunkte für eine gezielte Untersuchung zu erhalten. Die Rechnung geht auf, ist doch der Hinweisgeber durch seinen Anruf bereit sich mitzuteilen und genau das gilt es im Sinne der Aufklärung zu nutzen, solange das Gespräch aufrecht erhalten werden kann.
Das Protokollformular an sich dient der schnellen Notiz etwa in der Telefonzentrale und somit dem Erhalt möglichst authentischer Aussagen. Es verhindert Verluste und Einfluss von Meinungen oder gar Ergänzungen durch den/die Überbringer. Aus diversen Details lässt sich dann erkennen, ob der Anrufer Insider ist oder nicht. Das hilft auch bei der Frage seiner Glaubwürdigkeit und der Verlässlichkeit der Nachricht.
Wichtig ist hier der Hinweis an dieser Stelle, dass die betreffenden Personen am Telefon mit dem Umgang des Protokolls vertraut sind, also geschult wurden und auch im Nachhinein durch praktische Übungen trainiert werden, um den größtmöglichen Nutzen als Basis für aufklärende Untersuchungen zu erreichen.
Also: vielen Dank, Herr Informant!