Streit zwischen der Bundesregierung und Rosneft – Eine Entdeckungsreise

Streit zwischen der Bundesregierung und Rosneft – Eine Entdeckungsreise

Die Folgen des russischen Angriffskrieges wirkten sich bekanntlich auch stark auf den deutschen Energiemarkt aus. Um die Abhängigkeit von Russland zu verringern, greift die Bundesregierung in den Markt ein: Die Ampelkoalition hat das Deutschland-Geschäft des russischen Rosneft Rosneft – den Tochterfirmen Rosneft Deutschland GmbH und RN Refining & Marketing GmbH – seit September 2022 unter staatliche Kontrolle gestellt. Rosneft klagte und hatte Chancen, recht zu bekommen. Allerdings gewann die Bundesregierung am 14.03.2023 und konnte das Treuhandverhältnis verlängern.

Mit dem rechtlichen Konstrukt der staatlichen Treuhandverwaltung einer privatwirtschaftlichen Firma mit ausländischem Eigentümer hat die Bundesregierung juristisches Neuland betreten. Zuerst wurde Gazprom Germania unter die Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur gestellt, dann die Rosneft-Töchter.

Die Zwangsübernahme

Die Bundesregierung stellte die Rosneft Töchter unter Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur. Rechtlich ist Rosneft Eigentümer, hat aber keinerlei Mitbestimmungsrecht, der Gewinn bleibt vorerst als Rücklage in Deutschland. „Unter der Treuhand ist sichergestellt, dass keine Zahlungen der Unternehmen nach Russland erfolgen, es sei denn, dies ist durch den Treuhänder in Einzelfällen autorisiert.“ Laut Bundesnetzagentur verdienen also weder Deutschland noch Russland aktuell Geld daran.

Ab 2023 wollte und sollte Deutschland im Einklang mit den EU-Sanktionen gänzlich auf russisches Öl verzichten, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von einer “weitreichenden energiepolitischen Entscheidung zum Schutz unseres Landes”. Die Rosneft Töchter setzten allerdings weiter unbeirrt auf russisches Öl und machten keine Anstalten, alternatives Öl nutzen zu wollen.

Folgen der Sanktionen

Drei Raffinerien in ihrem „Besitz“ hatten laut Bundeswirtschaftsministerium knapp zwölf Prozent der deutschen Erdölverarbeitung inne. Unter anderem besitzen die Tochterunternehmen von Rosneft eine Mehrheitsbeteiligung von 54% (weitere Anteilseigner Shell und ENI) an der PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt. Die PCK-Raffinerie trägt maßgeblich zur Erstellung von ausreichend Diesel und Benzin für den Nordosten Deutschlands bei und sichert 3000 Jobs. Wegen des Stopps der russischen Öl-Lieferungen musste dort außerdem die Herstellung von Bitumen eingestellt werden: „Wenn die PCK-Raffinerie nicht mehr arbeiten kann, kommt es definitiv zu einer Verknappung von Bitumen am Markt“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbandes Ost, Robert Momberg, der Deutschen Presse-Agentur. „Dies bedeutet zwangsläufig eine weitere Verteuerung der Baumaterialien und damit des Straßenbaus“.

Vorher kam das Öl über die russische Druschba Leitung nach Schwedt. Aktuell sollen – neben Lieferungen über den Hafen Rostocks und künftig des Danziger Hafens- die Lieferungen aus Kasachstan erhöht werden. Die Leitungen von Kasachstan laufen durch Russland und können dort theoretisch zu jedem Zeitpunkt abgedreht werden. So ist man auch hier mittelbar auf Russland angewiesen, allerdings sollen die Leitungsgebühren an Russland deutlich günstiger sein als das russische Öl.

Der Prozess

Anders als in vielen Verwaltungsgerichtssachen ist das Bundesgericht hier erste Instanz. Das Gericht prüfte bis zum 14.03.2023, welche Informationen das Bundesfinanzministerium im Sommer bezüglich des russischen Öl-Stopps hatte und ob Rosneft möglichicherweise Kapital von seinen Tochterfirmen abziehen wollte.

Das Ministerium im Bundesanzeiger argumentierte wie folgt: Die Zusammenarbeit mit Rosneft wurde von Vertragspartnern wie Banken und Versicherungen wegen Unsicherheiten nach Ratifizierung der EU-Sanktionen eingeschränkt, Mitarbeiter wären abgewandert. Der Weiterbetrieb dieser zu kritischer Infrastruktur zählenden Unternehmen sei deswegen in Gefahr gewesen. Bei der PCK-Raffinerie kam laut Ministerium hinzu: Damit diese ohne russisches Öl wirtschaftlich weiter betrieben werden können, hätte sie Lieferungen von Tanker-Öl über den Danziger Hafen gebraucht. Dies sei nach polnischen Angaben erst denkbar, wenn russische Gesellschafter nicht mehr beteiligt seien, hieß es im Bundesanzeiger weiter.

Die Ampel-Koalition hatte 2022 das Energiesicherungsgesetz entsprechend geändert. Paragraf 17 sieht die Option einer Treuhandverwaltung für Betreiber von kritischer Infrastruktur im Energiesektor vor. Sie greift, „wenn die konkrete Gefahr besteht, dass ohne eine Treuhandverwaltung das Unternehmen seine dem Funktionieren des Gemeinwesens im Sektor Energie dienenden Aufgaben nicht erfüllen wird, und eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit droht“. Das Treuhandverhältnis solle also zum Wesen des Gemeinwohles und zur Sicherheit der Gesellschaft eingeläutet worden sein.

Die russische Klägerseite entgegnete, dass die Treuhandlösung ohne Anhörung umgesetzt wurde. Ferner hätten Voraussetzungen, die die Treuhandverwaltung legitimieren würden, gar nicht bestanden. Für das Embargo von leitungsgebundenem russischem Rohöl ab dem ersten 01. Januar 2023 hätte es keine Rechtsgrundlage gegeben, denn das EU-Ölembargo gegen Russland schließe lediglich Tanker Öl ein, jedoch die Lieferungen des russischen Rohöls der Druschba-Leitung. Die Sanktion des Druschba-Öls ist in dieser Form nur in einer EU-Protokollnotiz festgehalten. Deutschland verzichtet also größtenteils aus Eigeninitiative auf die leitungsgebundenen Öl-Lieferungen.

Was nun?

Nachdem das Verfahren am 7. März mit der Beweisaufnahme fortgesetzt wurde, ist das Urteil mittlerweile gefallen. Das Handeln der Bundesregierung wurde als bestätigt und die Treuhandverwaltung als rechtmäßig anerkannt. Wegen der gescheiterten Klage von Rosneft kann der Bund die am 15. März auslaufende Treuhandverwaltung nun um ein halbes Jahr verlängern. Das Gericht begründet die Entscheidung im Kern mit der im September 2022 bestandenen akuten Gefahr, dass die Rosneft-Tochterfirmen ihrem Auftrag der Energiesicherung nicht mehr nachkommen konnten.

Außerdem plant Habeck scheinbar den Verkauf von Energieunternehmen in Treuhandverwaltung wie im Falle Rosneft möglich zu machen. Die rechtliche Grundlage für einen solchen Verkauf während des Treuhandverhältnisses hat das Kabinett vor einigen Wochen beschlossen. Mit der geplanten Novelle solle der Bund “für derzeitige und künftige Treuhandfälle mehr Handlungsspielraum” bekommen, hatte es Mitte Februar zu den Plänen aus dem Bundeswirtschaftsministerium geheißen. Derzeit ist das nur möglich, wenn es für den Werterhalt des zu verkaufenden Unternehmens notwendig ist. Mit den angeführten Änderungen kann der Verkauf „zur Sicherung des Funktionierens des Gemeinwesens im Sektor Energie und zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit“ als Andeutung auf die Causa Rosneft interpretiert werden. Unmittelbar treffen dürfte es Rosneft Deutschland und die PCK-Raffinerie in Schwedt, die weiter einen Käufer sucht.

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