Leitet ein Unternehmen interne Ermittlungen ein, ist diese Entscheidung Chefsache. Das geht aus der „Internal Investigations – Compliance-Studie 2019“ der Kanzlei Noerr und des Center for Corporate Compliance der EBS Law School hervor. Der Aufsichtsrat wird demgegenüber seltener in die Ermittlungen eingebunden. Auslöser für interne Ermittlungen sind meist Vermögensdelikte, häufig auch Verstöße gegen interne Compliance-Regelungen, Datenschutzvorschriften und das Kapitalmarktrecht.
Mit dem Gesetz zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität, das derzeit in der Fassung des Referentenentwurfs vom 15. August 2019 vorliegt („Verbandssanktionsgesetz“), sieht der Gesetzgeber erstmals Regelungen zu Internal Investigations vor. Vor dem Hintergrund dieses mit Spannung erwarteten Gesetzentwurfs haben wir gefragt, in welchen Fällen Unternehmen interne Ermittlungen einleiten, wer darüber entscheidet, wie die Ermittlungen durchgeführt werden und wann externe Berater hinzugezogen werden. Insgesamt wurden im Sommer 2019 Interviews mit 300 Entscheidern aus Unternehmen ab 250 Mitarbeitern geführt.
Einleitung von internen Ermittlungen ist Leitungsaufgabe
Eingeleitet werden interne Ermittlungen meist von der Unternehmensführung (52%), in geringerem Maße auch von Compliance-Abteilungen (23%). In 70% der Unternehmen ist die oberste Leitungsebene in die Entscheidung über die Durchführung von internen Ermittlungen zumindest eingebunden.
Und das zu Recht: Internal Investigations sind ein Leitungsthema, mit dem sich Vorstände und Geschäftsführer persönlich beschäftigen müssen. So muss die Unternehmensleitung für die Einhaltung rechtlicher Vorgaben sorgen und Mängel in der Unternehmensorganisation beheben, die Regelverstöße begünstigen. Ob Organisationsdefizite vorliegen, lässt sich aber nur durch eine sorgfältige Aufklärung des Sachverhalts feststellen. Häufig reicht es nicht aus, sich ausschließlich mit dem vermeintlichen Regelverstoß alleine zu befassen.
Aufsichtsrat muss sich über interne Ermittlungen ein eigenes Bild machen
Deutlich seltener als die Geschäftsleitung ist der Aufsichtsrat in interne Ermittlungen involviert. So berichten die Befragten, dass das Kontrollgremium grundsätzlich nur in 37% der Unternehmen im Vorfeld über die Durchführung von Internal Investigations informiert wird. Besteht der Verdacht auf schwerwiegende Pflichtverletzungen, sind es 46%, beim Verdacht auf Beteiligung von Mitgliedern der Geschäftsleitung an Pflichtverstößen wird der Aufsichtsrat in 64% der Unternehmen informiert.
Die geringe Einbindung des Aufsichtsrats ist erstaunlich, da ihm als Überwachungsorgan der Geschäftsleitung gesellschaftsrechtlich eine besondere Bedeutung zukommt, wenn im Raum steht, dass es zu Compliance-Vorfällen gekommen ist. Der Aufsichtsrat kann seiner Rolle als Kontrollorgan nur gerecht werden, wenn er sicherstellt, dass er entsprechende Informationen erhält, um sich selbst ein Bild über den Stand der internen Ermittlungen zu machen. Steht der Vorwurf im Raum, dass die Geschäftsleitung bzw. der Vorstand an Compliance-relevanten Verstößen beteiligt sind, ist der Aufsichtsrat verpflichtet, selbst tätig zu werden und eine eigene Untersuchung einzuleiten.
Mit Verbandssanktionsgesetz gewinnen interne Ermittlungen an Bedeutung
Mit der Einführung eines Unternehmensstrafrechts gewinnen interne Ermittlungen für Geschäftsleitung und Aufsichtsrat noch an Relevanz, da der Gesetzgeber Anreize zum Ausbau von Compliance-Management-Systemen und für Internal Investigations gleichermaßen setzt. Unternehmen dürfen auf Strafmilderung oder sogar auf Straferlass hoffen, wenn sie über ein funktionsfähiges Compliance-Management-System verfügen oder den Sachverhalt durch interne Untersuchungen, die bestimmten Vorgaben entsprechen müssen, aufklären und die Ergebnisse mit den Behörden teilen.
Zugleich wird mit der Einführung eines Unternehmensstrafrechts die Zahl der Ermittlungsverfahren sprunghaft ansteigen. Denn ob ein Verfahren gegen ein Unternehmen eingeleitet wird oder nicht, steht nach dem Gesetzentwurf nicht im Ermessen der Staatsanwaltschaften. Liegen hinreichend Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Straftat einem Unternehmen zugerechnet werden kann, muss ermittelt werden.
Nach den Ergebnissen der Studie werden interne Ermittlungen praktisch immer eingeleitet, wenn der Verdacht besteht, dass Mitarbeiter in die eigene Tasche wirtschaften, sowie beim Verdacht auf Korruption und Bestechung (jeweils 92%). Besonders häufig wird auch ermittelt, wenn es möglicherweise zu Verstößen gegen Compliance-Regeln (86%) oder zu Straftaten (83%) gekommen ist, sowie beim Verdacht auf Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften (81%).
Auch bei möglichen Verstößen gegen kapitalmarktrechtliche Vorgaben leiten die meisten Unternehmen Ermittlungen ein (61%). Aus unserer Vorjahresstudie zum Krisenmanagement wissen wir, dass viele Unternehmen aufgrund der komplexer werdenden Regulierung hier sehr große Compliance-Risiken sehen. Dies betrifft insbesondere die unbefugte Weitergabe von Insiderinformationen, die Nichtbeachtung von aufsichtsrechtlichen Verlautbarungen oder Fehler bei Ad-hoc-Mitteilungen.
Externe Ermittler klären komplexe Sachverhalte auf
Zu den Ermittlungen werden häufig externe Berater hinzugezogen. Dies gilt meist, wenn der aufzuklärende Sachverhalt besonders komplex ist (64%), wenn die Geschäftsführung von den Vorwürfen betroffen ist (51%) oder es um mögliche Straftaten geht (50%). Zugleich legen 72% der Befragten großen Wert auf den Schutz der Vertraulichkeit von Erkenntnissen und Quellen aus einer internen Untersuchung. Ein „Legal Privilege“ können aber nur externe Berater sichern.
Die „Internal Investigations – Compliance-Studie 2019“ steht hier zum Download bereit.
Über Noerr
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