Teil 4: Haftungsrisiken in der Unternehmenskrise – Innenhaftung der Geschäftsleitung

Haftungsrisiken für Vorstände und Geschäftsführer in der Unternehmenskrise

1. Einführung         

Der vierte und letzte Teil des Beitrags zu Haftungsrisiken für Vorstände und Geschäftsführer in der Unternehmenskrise erörtert Haftungsrisiken bei Zahlungen nach Insolvenzreife, für Insolvenz verursachende Zahlung oder wegen der Verletzung allgemeiner Sorgfaltspflichten.         

2. Innenhaftung für Zahlungen nach Insolvenzreife

Eine zentrale Haftungsnorm stellt hier § 64 GmbHG dar. Sinn und Zweck dieser Norm ist der Schutz der Gläubiger. Nach § 64 S. 1 GmbHG müssen die Geschäftsführer der Gesellschaft Zahlungen erstatten, die sie nach Eintritt der Insolvenzreife vorgenommen haben. Es handelt sich also um eine Regelung der Innenhaftung des Geschäftsführers. Ziel ist es, Masseverkürzungen im Vorfeld des Insolvenzverfahrens zu verhindern bzw. – bei Verletzung der Massesicherungspflicht – zu gewährleisten, dass das Gesellschaftsvermögen wieder aufgefüllt wird, damit es zur ranggerechten und gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung steht. Solche Ansprüche werden regelmäßig durch den Insolvenzverwalter geprüft und entsprechende gerichtliche Anspruchsverfolgungen – ob berechtigt oder nicht – sind alles andere als ungewöhnlich im Rahmen eines Insolvenzverfahrens, was der Vorschrift eine erhebliche praktische Bedeutung zukommen lässt.

Nach § 64 S. 1 GmbHG sind Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden. Für den Vorstand ergibt sich dies aus § 92 Abs. 2 AktG.

Der Zahlungsbegriff des § 64 S. 1 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 AktG ist dabei weit auszulegen und umfasst jeden belastenden Transfer des Gesellschaftsvermögens, also nicht nur die Weggabe von Geld, sondern beispielsweise auch die Lieferung von Waren. Auch fallen hierunter Aufrechnungen und Verrechnungen mit dem Gesamtvermögen. Eine Zahlung liegt unabhängig davon vor, ob der Schuldner verpflichtet war, die Forderung zu begleichen.

Erforderlich ist aber, dass die Zahlung einen Bezug zum Schuldnervermögen aufweist, denn nur dieses bildet die Insolvenzmasse. Werden Forderungen mit Drittmitteln beglichen, ohne dass diese je zum Gesellschaftsvermögen gezählt haben, sind sie nicht als Zahlung anzusehen.

Die Haftung der Gesellschaftsorgane besteht nicht, wenn durch die Zahlung ein sogenannter Aktivaustausch gegeben ist. Das ist der Fall, wenn durch die Zahlung ein Gegenwert in das Gesellschaftsvermögen fließt. Dies setzt nach dem BGH voraus, dass der Gegenwert „in das Gesamtvermögen gelangt und dort voll erhalten geblieben ist“.

Schließlich hat der Gesetzgeber auch berücksichtigt, dass es in Krisenzeiten der Gesellschaft und sogar nach Eintritt der Insolvenzreife Situationen gibt, in denen ein haftungsrelevantes Zahlungsverbot nicht angezeigt wäre. So tritt eine Ersatzpflicht nicht ein bei privilegierten Zahlungen, die auch nach Eintritt der Insolvenzreife Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind (§ 64 S. 2 GmbHG, § 92, Abs. 2 S. 2 AktG), also beispielsweise, wenn durch sie größere Nachteile für die Insolvenzmasse abgewendet werden sollen.

Praktisch stellt sich für den Vorstand/Geschäftsführer nach Eintritt der Insolvenzreife oftmals beispielsweise die Schwierigkeit, zum einen die Arbeitnehmeranteile der Mitarbeiter der Sozialversicherung oder die Lohnsteuer ordnungsgemäß abzuführen, sich andernfalls dabei aber nicht der persönlichen Haftung aussetzen zu wollen. Der BGH hat dieses Dilemma des Vorstand/Geschäftsführer im Sinne der organschaftlichen Vertreter gelöst und entschieden, dass der Vorstand/Geschäftsführer, der bei Insolvenzreife der Gesellschaft den sozial- oder steuerrechtlichen Normbefehlen folgend Arbeitnehmeranteile der Sozialversicherung oder Lohnsteuer abführt, mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters handelt und nicht nach § 92 Abs. 2 AktG, § 64 GmbHG der Gesellschaft gegenüber erstattungspflichtig ist. Für die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung gilt dies jedoch nicht.

Notwendige Zahlungen zur Sanierung der Gesellschaft sind ferner auch nach Insolvenzreife möglich, ohne dass es zu einer persönlichen Haftung des Geschäftsleiters kommt.

So könne Zahlungen zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs gerechtfertigt sein, wenn innerhalb der 3-Wochenfrist des § 15a InsO ernsthafte Sanierungschancen bestehen oder die einstweilige Weiterführung des Unternehmens gegenüber der sofortigen Einstellung für die Masse günstiger ist.

3. Innenhaftung für insolvenzverursachende Zahlungen

Mit dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) wurde die Erstattungspflicht auch auf Zahlungen an Gesellschafter erweitert, wenn diese erkennbar zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten (§ 63 S. 3 GmbHG, § 92 Abs. 2 S. 3 AktG). Das Zahlungsverbot wurde also zeitlich zur Verstärkung des Gläubigerschutzes vorverlagert, ist doch das Vorhandensein einer Insolvenzreife schon zum Zeitpunkt der Zahlung nicht erforderlich, vielmehr reicht es, wenn die Zahlung erst zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führt.

Insbesondere für den GmbH-Geschäftsführer kann diese Bestimmung erheblich praktische Probleme bergen, ist dieser doch gegenüber der Gesellschafterversammlung (bzw. dem Alleingesellschafter) vollumfänglich weisungsabhängig. Zwar findet die Weisungsabhängigkeit ihre Grenze in gesetzwidrigen Anweisungen. In der Praxis ist es jedoch nicht immer einfach für den Geschäftsführer, diese Grenze klar zu erkennen. Weigert er sich, zulässige Anweisungen der Gesellschafterversammlung auszuführen, riskiert er seine Organstellung. Führt er hingegen eine Zahlungsanweisung an einen Gesellschafter aus, die zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führt, haftet er der Gesellschaft gem. § 64 S. 3 GmbHG auf Ersatz, wenn dies erkennbar für ihn war.

4. Innenhaftung wegen Verletzung allgemeiner Sorgfaltspflichten

Schließlich gelten für den Geschäftsführer auch in der Unternehmenskrise die allgemeinen Sorgfaltspflichten, wie sie § 43 Abs. 1 GmbHG normiert mit der Folge der möglichen Schadensersatzhaftung des Geschäftsführers (§ 43 Abs. 2 GmbHG). Für den Vorstand ergibt sich eine solche Haftung aus § 93 AktG.

Insbesondere beachtet werden sollte dabei die Regelung des § 43 Abs. 3 GmbHG, wonach der schuldhafte Verstoß gegen die Kapitalerhaltungspflichten zur Schadensersatzpflicht des Geschäftsführers führt. So ist er zum Ersatz verpflichtet, wenn den Bestimmungen des § 30 GmbHG zuwider Zahlungen aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft gemacht hat. Hierfür ist also der Eintritt der Insolvenzreife (Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit) der Gesellschaft (noch) nicht erforderlich.

Ist der Ersatzanspruch im Sinne des § 43 Abs.3 GmbHG überdies zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich, so kann die Gesellschaft hierauf nicht einmal gegenüber ihrem Geschäftsführer verzichten, bzw. sich über den Anspruch vergleichen. Unter denselben Voraussetzungen können sich die Geschäftsführer auch nicht haftungsbefreiend auf eine entsprechende Weisung der Gesellschafter berufen.

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