Werden Mitarbeiter ohne konkrete Verdachtsmomente observiert und heimlich gefilmt, ist das eine ungerechtfertigte Persönlichkeitsrechtsverletzung, die zu Geldentschädigung führen kann. Der 8. Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG v. 19.02.2015 – 8 AZR 1007/13) hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem ein Geschäftsführer Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit seiner Sekretärin hegte. Nachdem es zwischen beiden zum Streit kam, meldete sich die Mitarbeiterin krank und reichte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen verschiedener Ärzte ein.
Eine Sekräterin wurde observiert
Als der Geschäftsführer schließlich von einem Bandscheibenvorfall erfuhr, beauftragte er einen Detektiv mit der Observation der Sekretärin. Innerhalb von vier Tagen beobachtete dieser die Mitarbeiterin unter anderem vor ihrem Haus mit Mann und Hund sowie einen Besuch der Klägerin in einem Waschsalon, in dem sie kurz einen Wäschekorb trug. Er fotografierte und filmte sie und erstellte für den Arbeitgeber einen Bericht mit insgesamt elf Bildern. Als die Sekretärin fristlos gekündigt wurde und von der Beobachtung sowie den Fotos und Videos erfuhr, forderte sie wegen der Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts ein Geldentschädigung in Höhe von 10.500 Euro.
Während das Arbeitsgericht Münster (Urteil v. 11.01.2013 – 4 Ca 455/12) keinen Grund für eine Entschädigung sah, sprach das Landesarbeitsgericht Hamm (Urteil v. 11.07.2013 – 11 Sa 312/13) der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000 Euro zu. Dem schloss sich der 8. Senat an, da er sowohl die Beobachtung als auch das Erstellen der Fotos und Videos als rechtswidrig bewertete.
Das Revisionsgericht stellte laut Pressemeldung (BAG Nr. 7/15) fest, dass der Arbeitgeber keinen berechtigten Anlass zur Überwachung hatte. Insbesondere konnte sein Verdacht nicht darauf gestützt werden, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von unterschiedlichen Ärzten stammten, noch durch eine Änderung im Krankheitsbild oder weil der Bandscheibenvorfall zunächst durch den Hausarzt behandelt wurde.
Zwar ist der Pressemeldung keine ausführliche Begründung zu entnehmen. Es darf jedoch antizipiert werden, dass das Urteil auf das Bundesdatenschutzgesetz gestützt wird. Prüfungsmaßstab einer zulässigen Überwachung von Beschäftigten ist der seit dem 01.09.2009 geltende § 32 I 2 BDSG.
Das Bauchgefühl allein reicht nicht aus
Demnach dürfen Daten von Mitarbeitern zur Aufdeckung von Straftaten nur dann erhoben werden, wenn unter anderem zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat. Die Norm stellt klar, dass ein bloßes Bauchgefühl des Arbeitgebers für die Beauftragung eines Detektivs oder ähnlicher Überwachungsmaßnahmen nicht ausreichend ist.
Dies hat insbesondere dann zu gelten, wenn – wie vorliegend – einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung grundsätzlich ein hoher Beweiswert zugesprochen wird.
Hingegen können – so zumindest das LAG – besondere Umstände Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit entstehen lassen und einen Verdacht begründen. Zu denken ist etwa an eine Nebentätigkeit des Mitarbeiters, widersprüchliche Angaben zur Krankheit, das Ausbleiben zur Untersuchung beim medizinischen Dienst oder der Streit wegen eines nicht genehmigten Urlaubes und der damit im Zusammenhang stehenden Ankündigung einer Erkrankung.
Das Urteil ist keine böse Überraschung für Arbeitgeber
Ob der aktuellen Entscheidung des BAG ebenfalls Ausführungen dahingehend entnommen werden können, welche Anforderungen an einen konkreten Verdacht i.S.d. § 32 I 2 BDSG zu stellen sind, um Überwachungen im Falle von Straftaten zu rechtfertigen, bleibt abzuwarten. Schon jetzt kann aber angenommen werden, dass das Urteil nicht wie von einigen Medien aktuell proklamiert eine böse Überraschung für Arbeitgeber darstellt. Das BAG erschwert auch keineswegs die Überwachung von Angestellten. Es stützt sich aller Voraussicht nach lediglich auf die seit 2009 durch den Gesetzgeber ins Leben gerufenen gesetzlichen Vorgaben und behält nach wie vor die Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Auge.
Nichtsdestotrotz ist zu hoffen, dass besonders zwei Fragen im Urteil beantwortet werden, die für ein compliancekonformes Vorgehen in Unternehmen sowie für die investigative Praxis von besonderer Relevanz sind: Welche Maßnahmen kann der Arbeitgeber ergreifen, um den Anfangsverdacht i.S.d. § 32 I 2 BDSG zu begründen oder ist die Kenntnis über die entscheidenden Umstände vom Kommissar Zufall abhängig? Und darf der Arbeitgeber einen anonymen Hinweis auf das Vorliegen einer Straftat zum Anlass nehmen, Maßnahmen zur Überwachung einzuleiten?