LAG Düsseldorf, Teilurteil und Beschlüsse vom 20. Januar 2015 – 16 SA 459/14; 16 Sa 460/14; 16 SA 458/14
- Unternehmensbezogene Kartellbußen sollen den durch den Kartellverstoß erzielten Vorteil wieder ausgleichen. Dieses Ziel bliebe jedoch unerreicht, wenn Unternehmen ihre Kartellbuße auf die verantwortlich handelnden Mitarbeiter abwälzen können.
- Wird ein Unternehmen von einem Vertragspartner wegen eines Kartellverstoßes auf Schadensersatz verklagt, kann es jedoch verantwortlich handelnde Mitarbeiter dem Grunde nach in Regress nehmen.
Sachverhalt
Eine Unternehmensgruppe, die nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes an dem Schienenkartell beteiligt war, hatte eine Buße an das Kartellamt in Höhe von 191 Millionen Euro zahlen müssen. Zudem verfolgt die Deutsche Bahn-Gruppe Unternehmen mit Schadensersatzprozessen, die zu ihren Lasten Kartellverstöße begangen haben. Davon war auch die hier betroffene Unternehmensgruppe betroffen. Sie zahlte im Wege des Vergleiches eine Summe von 100 Euro Millionen als Schadensersatz an die Deutsche Bahn Gruppe.
Zwei beteiligte Konzernunternehmen, bei denen der beklagte Arbeitnehmer beschäftigt beziehungsweise als Geschäftsführer tätig war, verlangten die Feststellung der Mithaftung des Mitarbeiters dem Grunde nach sowie die Zahlung der Beträge von 191 Millionen Euro für die Kartellbuße und EUR 100 Millionen Schadensersatz.
Die Entscheidung
Das LAG Düsseldorf hat in einer bahnbrechenden Entscheidung den Versuchen von Kartellanten, Regress bei den (rechtswidrig) handelnden Mitarbeitern zu nehmen, nun eine klare Absage erteilt. Ein Abwälzen der Unternehmensbuße auf die Mitarbeiter sei generell unzulässig. Dem stehe zum einen entgegen, dass durch die Kartellbuße der durch den Kartellverstoß erzielte Vorteil abgeschöpft werden soll; dieser Zweck würde verfehlt, könnten die Unternehmen den rechtswidrig erzielten Gewinn letztlich durch Regressansprüche gegen Mitarbeiter doch noch realisieren. Zum anderen sieht das Kartellrecht eine klare Differenzierung vor – für natürliche Personen ist die Kartellbuße auf eine Million Euro limitiert. Auch hier würde die gesetzgeberische Wertung durch einen Regress unterlaufen.
Anders sieht dies hingegen für vom Mitarbeiter verursachte Schadensersatzansprüche Dritter gegen den eigenen (ehemaligen) Arbeitgeber aus. Hier besteht eine Mithaftung dem Grunde nach. Allerdings, so auch die Entscheidung des LAG Düsseldorf, muss hier das Unternehmen konkret darlegen und beweisen, dass der Mitarbeiter tatsächlich persönlich verantwortlich war und umgekehrt das Unternehmen nicht selbst – etwa durch zu lasche Compliance-Regeln – einen überschießenden Mitverschuldensanteil zu tragen hat.
Kommentar
Im Ergebnis ist die Entscheidung des LAG Düsseldorf zutreffend. Letztlich ist das Fehlverhalten von Mitarbeitern jeder unternehmerischen Tätigkeit immanent; die Unternehmensbuße zielt nicht auf eine wirtschaftliche Vernichtung der Unternehmen, sondern „lediglich“ auf Gewinnabschöpfung. Einen Regressanspruch schließt diese ratio legis aus. Für rechtswidrig handelnde Mitarbeiter ist dies freilich keine Entwarnung. Kartellverstöße stellen in vielen Rechtsordnungen Straftaten dar. Außerdem setzt gerade die Deutsche Bahn AG mit der vehementen Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegen Kartellanten neue Maßstäbe. Auch andere Kartell-Opfer werden nun kaum noch umhinkommen, ebenfalls entsprechende Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Diese können zum Teil auf die Mitarbeiter abgewälzt werden und, auch bei einer Bruchteilshaftung schnell deren wirtschaftlichen Ruin verursachen.