Abgas-Skandal, Bankenkrise, Steueraffären: Das Image von Unternehmen hat in jüngster Zeit ziemlich gelitten. Wer dachte, die Sensibilität für korrektes Verhalten in der Wirtschaft sei seit dem Enron-Skandal zur Jahrtausendwende deutlich gestiegen, wird enttäuscht: Laut einer Studie von PwC nimmt die Wirtschaftskriminalität sogar wieder zu. Eine Befragung der Personalberatung Odgers Berndtson hat zudem ergeben, dass jede vierte Führungskraft bereits Korruptions- und Betrugsfälle im eigenen Unternehmen erlebt hat. Und das ist nicht das Ergebnis aus vermeintlichen Bananenrepubliken ferner Kontinente, sondern die Aussage von Managern aus dem deutschsprachigen Raum. Ich finde das erschreckend.
Es steht offenbar nicht so gut um Compliance und Werteorientierung in unserer Wirtschaft. Dabei gibt es schon seit dem Mittelalter ein Ideal, das die richtige Richtung weist: Der ehrbare Kaufmann. Im Grunde geht es darum, dass es für Unternehmen nicht ausreicht, sich an Recht und Gesetz zu halten. Sie haben vielmehr auch eine ethische Verpflichtung, die darüber hinausreicht. Legal ist nicht genug. Die Öffentlichkeit erwartet, dass sich Unternehmen auch an ethischen Werten orientieren.
Die gestiegenen Anforderungen an Unternehmen spiegeln sich auch in der aktuellen Diskussion um die jüngst vorgeschlagenen Ergänzungen im Corporate Governance Kodex wider. Der Leitfaden der Regierungskommission für gute Unternehmensführung soll ethische Prinzipien in Zukunft explizit erwähnen. Die Kommission will zudem für mehr Transparenz sorgen, indem Unternehmen dazu aufgerufen werden, die Grundzüge ihres Compliance-Management-Systems offenzulegen: Wie versucht ein Unternehmen konkret, Fehlverhalten zu vermeiden? Dazu soll nach Vorstellungen der Kommission ein so genanntes Whistleblower-System gehören, mit dem Hinweisgeber Informationen über Fehlverhalten anonym geben können und geschützt werden.
Das sind Anforderungen, die die Telekom längst erfüllt. Das “Tell me“-Portal ist als internes und externes Hinweisgeberportal etabliert. Unsere Telekom-Leitlinien fordern explizit, Integrität und Wertschätzung zu leben. Die Frage ist jetzt: Tun wir das wirklich? Es geht also um die tatsächlich gelebte und wahrgenommene Unternehmenskultur und damit um ein deutlich dickeres Brett. Es genügt nicht, ein Compliance-Management-System zu etablieren, um Verstöße zu verhindern, aufzuklären und zu ahnden. Entscheidend ist letztlich eine auf Compliance und Werte orientierte Unternehmenskultur, in der Mitarbeiter Fehlverhalten offen ansprechen können und sollen. In einem ersten Schritt werden wir unsere Kultur genau unter die Lupe nehmen und prüfen, welche Ursachen es für Fehlverhalten gibt. Dafür haben wir uns die Unterstützung renommierter internationaler Experten geholt: Ohne den unabhängigen kritischen Blick von außen kann so ein Projekt nicht glaubwürdig gelingen.
Wir werden uns dabei auch unangenehmen Fragen stellen müssen: Setzen wir die richtigen Ziele? Oder werden falsche Anreize gesetzt, die Mitarbeiter dazu bringen, Grenzen zu überschreiten? Welches Vorbild gibt das Management ab? Und vor allem: Wie können wir Mitarbeiter dazu motivieren, in kritischen Situationen die richtige Entscheidung zu treffen?
Ethische Erwartungen zu erfüllen, ist für Unternehmen viel schwieriger, als sich einfach an Recht und Gesetz zu halten. Zwangsläufig müssen sie sich dafür mit kulturellen Fragen beschäftigen. Das geht nicht ohne anstrengende Diskussionen und Auseinandersetzungen in den Teams. Und das werden keine esoterischen Gesprächskreise, sondern es geht um die Diskussion konkreter Verhaltensweisen in Konfliktsituationen Die Beschäftigung mit der eigenen Unternehmenskultur ist aber kein Selbstzweck. Es geht darum, Unternehmen und Gesellschaft vor Schaden zu bewahren.