Der Stakeholder schaut zu

Global Compact

Stellen Sie sich als Unternehmer die Frage, ob Sie am Global Compact (GC) teilnehmen müssen, dann ist die Frage nach Ihren Zielen unausweichlich. Suchen Sie nach einem fertigen Nachhaltigkeitskonzept, welches Sie lediglich in die Abläufe ihres Unternehmens transferieren müssen, dann ist der GC nicht das probate Mittel, Ihr Ziel zu verwirklichen. Benötigen Sie ein grobes Rahmenwerk und ein Netzwerk mit lokalen und nationalen Kollegen, um Erfahrungen auszutauschen, dann kommen Sie mit dem GC Ihren Zielen ein Stück näher.

Nichtsdestoweniger verfolgen Unternehmen neben sozialen und ökologischen Zielen auch – häufig in erster Linie – ökonomische Ziele. Auch bei Bayer war es vermutlich nicht allein ein altruistischer Gedanke den GC zu verwirklichen. Vielmehr fordern einflussreiche Stakeholder und interessierte Investoren von einer Vielzahl von Unternehmen eine nachhaltige Ausrichtung.

Die Idee dahinter

Die ursprüngliche Vorstellung des GCs basiert auf einer seit Jahrzehnten bestehenden Kooperation zwischen den Vereinten Nationen und der Privatwirtschaft. Bei den sogenannten Public-Private-Partnerships spielte insbesondere die internationale Handelskammer eine intensive Rolle. Im Jahr 1998 forderte diese die Vereinten Nationen auf, ein effektives Global-Governance-System zu entwickeln. Infolgedessen wurde der GC erarbeitet und durch den UN-Generalsekretär Kofi A. Annan im Januar 1999 auf dem Wirtschaftsgipfel in Davos präsentiert, mit dem Bestreben langfristig ein offenes und transparentes Multi-Stakeholder Forum im Weltformat zu schaffen, sowie der raschen Globalisierung der Weltwirtschaft zu begegnen. Im Juli 2000 unterzeichneten die ersten Teilnehmer den Pakt und legten somit den Grundstein für die weitere Entwicklung.

Die Teilnehmer des GCs verpflichten sich damit, ihre Geschäftstätigkeit an zehn Prinzipien aus den Bereichen Menschenrechte, Arbeitsnormen, Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung auszurichten. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um eine freiwillige Selbstverpflichtung, die die Teilnehmer motivieren soll, innerhalb ihres Einflussbereiches ökologische und soziale Ziele nachhaltig zu verwirklichen. Auch nicht-privatwirtschaftliche Stakeholder können am GC partizipieren, da nach Ansicht der Vereinten Nationen der Einfluss von Arbeitnehmer- und Menschenrechtsorganisationen sowie der Forschung und Politik die Qualität der Initiative verbessert. Bis zum Jahr 2013 haben sich insgesamt 12.000 Mitglieder aus 140 Ländern dem GC verpflichtet.

Der bürokratische Aufwand zur Teilnahme am GC ist überschaubar. Die Geschäftsführung muss erklären, dass sie ihre Geschäftstätigkeit an den zehn Prinzipien ausrichten möchte. Fortan berichten sie jährlich über Fortschritte und bekennen sich zur Einhaltung der zehn Prinzipien. Bayer hat sich seine langjährige Nachhaltigkeits-Erfahrung zu Nutze gemacht und berichtet aus dem existierenden Lagebericht heraus. In den Kategorien „System“, „Maßnahme“ und „Leistung“ wird beschrieben, welche Fortschritte erzielt und welche Prinzipien damit abgedeckt wurden.

Für Bayer dürfte der GC deshalb überwiegend ein Instrument zum Erfahrungsaustausch und zur Informationsaufbereitung sein. Inzwischen aggregiert Bayer alle relevanten Aktivitäten, sodass diese in einer einfachen Übersicht im Geschäftsbericht zu finden sind. Eine separate Berichterstattung wird so überflüssig und es wird deutlich, dass der Konzern Nachhaltigkeit als festen Bestandteil der Unternehmenskultur versteht. Bayer wird deshalb häufig als „best-practice“ von Fachgruppen benannt und hat auch als GC Lead-Mitglied eine besondere Vorbildfunktion für weniger erfahrene Teilnehmer.

Hier zeigt sich, dass hinter dem geringen bürokratischen Aufwand auch praktische Substanz stecken muss, um eine authentische Teilnahme zu erreichen. Haben die Maßnahmen von Unternehmen zur Teilnahme am GC in erster Linie „Feigenblatt-Charakter“, laufen diese Gefahr, einen Reputationsschaden zu erleiden. Denn NGOs und informierte Stakeholder können durch die neu gewonnene Transparenz des GCs zweifelhafte Teilnehmer überprüfen und unauthenische Projekte durch die schnellen Kommunikationswege des Internets aufdecken. Doch gleichzeitig liefert gerade diese kritische Transparenz ernsthaften Teilnehmern eine hohe Reputation.

„Bluewashing“ & Co.

In Anlehnung an den Begriff greenwashing ist aufgrund der Tatsache, dass Unternehmen sich mit dem blauen GC-Logo „dekorieren“ und damit eine nachhaltige Unternehmensführung demonstrieren wollen, der Begriff bluewashing entstanden. Gegner des GCs werfen den Unternehmen vor, dass sie sich durch Spendenzahlungen an den GC „reinwaschen“ und von ihrer Verantwortung freikaufen.

Das blaue Logo des GCs darf zwar nur nach Genehmigung der Initiative und nicht zu werbenden Zwecken verwendet werden, dennoch wird es möglicherweise von Stakeholdern als positives Zeichen wahrgenommen. Denn betrachtet man das Nachhaltigkeits-Marketing vieler Unternehmen, so entsteht der Eindruck, dass seit Bestehen des GC die Farbe Blau das „neue Grün“ geworden ist. So werben Autohersteller heutzutage mit „Bluetec“, „Blue Motion“ oder „Blue Efficiency“ für besonders saubere Autos. Dies passt auch zu den Erkenntnissen des im 2011 durchgeführten GC Implementation Survey. Dort gaben 77Prozent der befragten Teilnehmer an, am GC teilzunehmen, um das Vertrauen in ihr Unternehmen zu erhöhen. Dass eine Teilnahme am GC offensichtlich die Unternehmensreputation erhöht, belegen auch die häufigen Nachfragen von Ratingagenturen bezüglich der Teilnahme am GC. Bislang werden derartige Vorwürfe durch den Freiwilligkeits-Gedanken des GCs abgewehrt. Sollten die bisher freiwilligen Spenden künftig verpflichtend sein, so würde dies die Sichtweise der Kritiker stärken.

Einigen beteiligten Unternehmen wird zudem vorgeworfen, dass sie sich nur zur Aufbesserung ihrer eigenen Reputation am Pakt beteiligen. Eine nachvollziehbare Sichtweise, denn es genügen wenige Maßnahmen, um den Anforderungen des GCs zu entsprechen. Diese können vornehmlich auch losgelöst von der eigenen Unternehmensstrategie initiiert werden. Folglich können Unternehmen singuläre Projekte entwickeln, die parallel zum Tagesgeschäft mit geringem Ressourcenverbrauch laufen und eine hohe Reputation versprechen. Häufig handelt es sich nach Ansicht der Kritiker dabei um Projekte, die von Verstößen und Skandalen ablenken sollen oder eigentlich in die Hände anderer Einrichtungen gehören würden, weil sie nicht zum Kerngeschäft des Unternehmens passen.

Trotz aller Kritik sehen Befürworter einen hohen Erfolg. So stellt der GC die erste weltumspannende Initiative dieser Art dar. Die Kommunikation zwischen den Vereinten Nationen und der Privatwirtschaft wurde lange Zeit als sehr kontrovers und divergierend verstanden. Wenn der Erfolg des GCs jedoch allein darin liegt, die Parteien in einen gemeinsamen Gedanken- und Ideenaustausch zu führen, dann wurde damit bereits ein wesentlicher Fortschritt erzielt. Der GC wurde zu einer Zeit ins Leben gerufen, in der viele Akteure aus Politik und Wirtschaft beklagten, dass der rasante Fortschritt der Globalisierung die politische Entwicklung überholt hatte. Viele sahen ein erhebliches Vakuum durch den mangelnden Einfluss nationaler Rechtssysteme auf die globale Entwicklung. Der GC bot somit die Chance für einen neuen Weg zur Verbesserung globaler Herausforderungen.

ie Kritik an fehlenden Sanktionen und Kontrollen sehen Befürworter des GCs deutlich relativierter. Zwar hat der GC nur sekundär Einfluss auf seine Teilnehmer, trotzdem schafft er eine nie dagewesene Transparenz gegenüber allen Beteiligten. So baut man dort auf den Druck und Einfluss durch NGOs und informierte Stakeholder und die daraus resultierende Angst der Unternehmen über Nacht einen existenzgefährdenden Reputationsschaden zu erleiden. Weiterhin geht man nicht davon aus, dass man überhaupt derart viele Unternehmen zur Teilnahme hätte motivieren können, wenn der GC direkt mit Sanktionen und Kontrollen gestartet worden wäre. Dies verdeutlicht auch, dass der GC als transparenter Entwicklungsprozess und damit für einige Teilnehmer als „goldene Brücke“ in eine integre Unternehmenskultur verstanden werden soll.

Vertreter der GC-Idee führen an, dass viele heute bestehende regulatorische Veränderungen – vor allem im Bereich Rechnungslegung, Korruptionsbekämpfung und Compliance – vermutlich nicht derart schnell erarbeitet worden wären. Einen bedeutenden Meilenstein stellt die Kooperation mit der Global Reporting Initiative (GRI) dar. Mit Einführung der GRI wurde erstmals eine standardisierte Berichterstattung zu wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Themen entwickelt. 2004 wurde zudem der anfangs nur aus neun Prinzipien bestehende GC, durch die intensive Forderung von NGOs (insbesondere Transparency International) um das zehnte Prinzip „Korruptionsbekämpfung“ erweitert und führte die Thematik in der öffentlichen Wahrnehmung weiter nach vorne.

Insbesondere Bayer berichtet, dass bei den globalen Treffen viele Teilnehmer aus Entwicklungs- und Schwellenländern kommen, um an den Diskussionen und Entwicklungen der Industriestaaten zu partizipieren. Eine Verantwortung der sich multinationale Unternehmen scheinbar kontinuierlich bewusst werden. Die steigenden Teilnehmerzahlen und die fortlaufende Entwicklung der Teilnehmer unterstreichen in diesem Zusammenhang einmal mehr die Sichtweise der Befürworter.

Aus den Kinderschuhen

Der GC ist inzwischen „erwachsen geworden“. Er ist in einem nachhaltigen Unternehmen mit moderatem Ressourcenaufwand umsetzbar. Trotzdem sollten sich Unternehmen mit weniger Erfahrungen nicht scheuen, Nachhaltigkeit in ihrem Unternehmen zu fördern. Sie haben die einzigartige Möglichkeit sich in einem weltumspannenden Multi-Stakeholder-Forum auszutauschen und von „best practice“-Beispielen zu lernen.

Unternehmen sollten dabei außerdem nicht vergessen, dass bei Ratings immer häufiger nach der Teilnahme an der GC Initiative gefragt wird und somit auch ein wirtschaftlicher Vorteil nicht unbeachtet bleiben sollte. So berichtet Bayer, dass die Fragenkataloge der meisten Ratingagenturen seit einigen Jahren eine Frage zur GC-Teilnahme beinhaltet. Augenscheinlich ist das Verlangen aufgeklärter Investoren nach Sicherheit durch eine nachhaltige Unternehmenskultur hoch. Der GC liefert hierbei ein solides Rahmenwerk, ein globales Netzwerk und einen Vertrauensvorschuss vieler Investoren – die Substanz hingegen muss das Unternehmen liefern.

Weitere Artikel