Eine große Anzahl von Unternehmen hat – dies ist in Zeiten der Neubürger-Entscheidung des LG München I das Mindeste – Richtlinien zur Vermeidung von Korruption verabschiedet. Darin findet sich regelmäßig unter der Überschrift „Verbot passiver Korruption“ eine Passage, die sich vor allem an die Einkaufsabteilungen richtet und die Annahme von Geschenken etc. verbietet. Weniger Aufmerksamkeit schenken die Unternehmen hingegen Konstellationen, in denen die Einkaufsabteilung von Fachabteilungen des eigenen Unternehmens instrumentalisiert wird und so – wissentlich oder unwissentlich – einen entscheidenden Beitrag zur aktiven Korruption leistet.
1. § 299 StGB und die „altbekannten“ Korruptionsrisiken
Die meisten Richtlinien deutscher Unternehmen gehen auf § 299 Abs. 1 StGB zurück. Hiernach macht sich strafbar, wer als Angestellter oder Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er einen anderen bei dem Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen in unlauterer Weise bevorzugt.
Hierdurch will § 299 Abs. 1 StGB den Wettbewerb vor Verzerrungen schützen. Die verantwortliche Person soll ihre Entscheidungen ausschließlich aufgrund sachlicher Erwägungen treffen und sich nicht an persönlichen Vorteilen orientieren. Die sachlich falsche Auswahlentscheidung ist dabei nur eine der zahlreichen Spielarten der sogenannten passiven Korruption, bei der nicht der günstigste und beste Anbieter zum Zuge kommt, sondern derjenige, der den größten Vorteil gewährt. Neben heimlichen bis geradezu unverhohlenen Übergaben von Geschenken oder Bargeld sind daneben auch Kick-Backs oder Scheinverträge ein beliebtes Mittel, den „richtigen“ Personen der Einkaufsabteilung Vorteile zukommen zu lassen.
2. Der Einkauf als Teil aktiver Korruptionshandlungen
Die Aufgaben der Einkaufsabteilungen sind jedoch kein Selbstzweck. Die Einrichtung einer solchen Abteilung dient üblicherweise der Entlastung der Fachabteilungen, damit sich diese auf die Erlangung und Bearbeitung lukrativer Aufträge konzentrieren können. Der Einkauf setzt damit regelmäßig Entscheidungen um, die zuvor von Einzelpersonen oder Fachabteilungen getroffen wurden. In dieser Schnittstelle liegt das Risiko für den Einkauf, Teil einer aktiven Korruption zu werden.
Möchte beispielsweise der Vertrieb in Wahrheit gar nicht benötigte Dienstleistungen beauftragen, um die entsprechenden (Schein-) Verträge als Vehikel für den scheinbar legalen Abfluss von letztlich als Bestechungszahlungen eingesetzten Geldern zu verschleiern, kann dies in vielen Unternehmen nicht mehr ohne Mitwirkung des Einkaufs geschehen. Selbst wenn der jeweilige, die Anforderungen des Vertriebs umsetzende Einkäufer durch seinen Vertriebskollegen nicht über die wahren Hintergründe des Geschäfts in Kenntnis gesetzt wurde, wird eine damit befasste Staatsanwaltschaft oder Betriebsprüfung dem Vorgang (auch) den Namen des beteiligten Einkäufers entnehmen können und dieser damit in den Fokus der Ermittlungen geraten.
3. Im Unternehmen: Bewusstsein schaffen – Vorkehrungen treffen
Unternehmen sollten daher bedenken, dass der Einkaufsabteilung eine Schlüsselfunktion bei der Vermeidung von compliance-relevanten Sachverhalten zukommt.
Um Scheinverträge zu verhindern, sollte gewährleistet sein, dass der Einkauf nicht einfach auf vorhandene Musterverträge zurückgreift und diese auf alle Arten von einzukaufenden (Beratungs-)Leistungen anwendet. Dies heißt nicht, dass auf Standardprozessabläufe und Vertragsvorlagen verzichtet werden muss. Es ist aber wesentlich, dass trotz der Aufgabentrennung zwischen Fachabteilung und Einkauf eine inhaltliche Rückkopplung dieser Bereiche stattfindet. Keinesfalls darf sich die Einkaufsabteilung lediglich als „Umsetzungsabteilung“ verstehen, die keine Rückfragen stellt und keine eigenen Entscheidungen trifft.
Gerade bei dem Einkauf von Beratungs- und Vermittlungsleistungen ist Art und Umfang der beauftragten Tätigkeit für die Einkaufsabteilung oftmals schwer zu fassen. Umso wichtiger ist es, dass die beauftragte Leistung in dem Vertrag so konkret wie möglich umschrieben wird. Die hierfür benötigten Informationen sollte sich der Einkauf im besten Fall direkt durch Rücksprache mit der Fachabteilung holen. Nur durch eine individuelle, ausführliche Benennung der Vertragsleistung – kann auffallen, dass die einzukaufende Leistung z. B. gar nicht zu den Anforderungen des Unternehmens passt oder offensichtlich ohne Substanz ist. Darüber hinaus hat die genaue Leistungsbeschreibung den für Unternehmen angenehmen Nebeneffekt, dass die bestellte (und auch zu bezahlende) Leistung konkret einforderbar und im Zweifel daher auch individuell einklagbar ist.
Leider ist in der Praxis zu beobachten, dass unternehmensinterne Richtlinien zur Vermeidung von Korruption eine entsprechende Sensibilisierung des Einkaufs über die (mögliche) eigene Rolle bzgl. aktiver Korruption vermissen lassen. Gleichfalls unterbleibt häufig eine Schulung des Einkaufs hinsichtlich typischer Indizien für aktive korruptive Handlungen. Hierdurch wird zumeist unbedacht eine effiziente Möglichkeit der unternehmensinternen Korruptionsvermeidung ungenutzt gelassen.
Am Markt ist dabei nicht einmal das bewusste und gewollte Zusammenwirken der Fachabteilungen mit dem Einkauf die Regel; vielmehr ist zu beobachten, dass die Fachabteilungen den Einkauf häufig im Unklaren über die wahren Hintergründe der Beauftragung – beispielsweise von Dienstleistern – lassen und bisweilen die Unkenntnis der Kollegen bewusst ausnutzen, um eigentlich compliancerelevante Sachverhalte möglichst unauffällig durch die im Unternehmen vorgesehenen Prozesse zu schleusen.