I. Notwendigkeit von Compliance-Richtlinien
Das Erfordernis der Einführung unternehmensinterner Compliance-Richtlinien wächst stetig. Zum einen ist in Unternehmen ein gesetzeskonformes Verhalten ihrer Mitarbeiter längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Zum anderen sehen sich Unternehmen immer mehr verpflichtet, ihre eigene Organisationsstruktur den Anforderungen aus den sich häufenden gesetzlichen Vorgaben anzupassen. Ohne Compliance-Richtlinie im Unternehmen/Konzern ist eine effektive, gelebte Compliance nicht möglich. Umso mehr stellt sich die Frage, ob und inwieweit der Betriebsrat bei der Einführung solcher Richtlinien mitzubestimmen hat.
I. Notwendigkeit von Compliance-Richtlinien
Das Erfordernis der Einführung unternehmensinterner Compliance-Richtlinien wächst stetig. Zum einen ist in Unternehmen ein gesetzeskonformes Verhalten ihrer Mitarbeiter längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Zum anderen sehen sich Unternehmen immer mehr verpflichtet, ihre eigene Organisationsstruktur den Anforderungen aus den sich häufenden gesetzlichen Vorgaben anzupassen. Ohne Compliance-Richtlinie im Unternehmen/Konzern ist eine effektive, gelebte Compliance nicht möglich. Umso mehr stellt sich die Frage, ob und inwieweit der Betriebsrat bei der Einführung solcher Richtlinien mitzubestimmen hat.
II. Durchführung einer betrieblichen Mitbestimmung
Entscheidend im Zusammenhang mit der Einführung von Compliance-Richtlinien ist das „ob“ und „wie“ der betrieblichen Mitbestimmung. Nach der insoweit prägenden Honeywell-Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) macht es zunächst keinen Unterschied, ob es in deutschen Unternehmen zu einer Umsetzung von Compliance-Systemen aufgrund deutscher gesetzlicher Vorgaben oder aufgrund ausländischer Gesetze, wie z.B. dem britischen Antibestechungsgesetz „UK Bribery Act (UKBA)“ oder ausländischer Konzernvorgaben kommt. Die Mitbestimmungsrechte nach dem BetrVG werden nicht dadurch eingeschränkt, dass ausländische Bestimmungen in Deutschland tätigen Unternehmen bestimmte Pflichten auferlegen, soweit die Vorschriften nicht wirksam in das deutsche Arbeitsrecht transformiert wurden. Einzig dann könnten die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats durch diese ausländischen Vorschriften nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ausgeschlossen sein.
Bedeutend für das Bestehen betrieblicher Mitbestimmungsrechte ist die Systematik der Compliance-Richtlinie. Diese reicht von einer reinen Wiedergabe gesetzlicher Vorschriften über die Aufstellung von betriebsinternen Ethik-Regeln bis hin zu verbindlichen Verhaltensregeln für die Mitarbeiter etwa in Form von Vorschriften über das Verbot der Annahme von Geschenken bei Überschreitung unternehmensinterner Wertgrenzen. Häufig werden Compliance-Richtlinien als „Mischwerke“ mit verschiedenen Regelungsgehalten ausgestaltet. In einer solchen Konstellation stellen sich nun zwei Fragen: 1. Worauf bezieht sich die betriebliche Mitbestimmung, auf das Gesamtwerk der Richtlinie oder ist jede einzelne Regelung gesondert zu bewerten? 2. Welche konkreten Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats sind im Einzelfall zu beachten?
Aus rechtlicher Sicht kommt man nicht umher, jede einzelne Regelung auf ihre Mitbestimmungspflichtigkeit zu überprüfen. Im Falle eines Mitbestimmungsrechts hinsichtlich einzelner Regelungen unterfällt die Compliance-Richtlinie jedoch nicht automatisch in ihrer Gesamtheit einer Mitbestimmung. Sie ist zudem der betrieblichen Mitbestimmung entzogen, wenn sie sich allein in der Wiedergabe gesetzlich bestehender Pflichten erschöpft.
In der Praxis sollten Unternehmen bei der Einführung von Compliance-Richtlinien besonders dann an das Erfordernis einer betrieblichen Mitbestimmung denken, wenn sich Regelungen der Richtlinie auf die betriebliche Ordnung beziehen oder die Einführung und Nutzung technischer Einrichtungen erforderlich ist.
1. Regelungen über die Ordnung des Betriebs und das Verhaltens der Mitarbeiter
Grundsätzlich ist ein diesbezügliches Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG dann zu beachten, wenn Regelungen über die Ordnung des Betriebs, die Gestaltung des Zusammenlebens und Zusammenwirkens der Mitarbeiter im Betrieb und deren Verhalten durch die Compliance-Richtlinie geregelt werden. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist somit etwa gegeben bei Regelungen über die Zulässigkeit der Annahme von Geschenken, bei Verboten von Liebesbeziehungen sowie bei einem Verbot anzüglicher Witze oder dem Zeigen anzüglicher Fotos am Arbeitsplatz. Auch solche Regelungen, die bestimmte, standardisierte Meldeverfahren bei Compliance-Verstößen vorgeben (Whistleblowing), unterfallen demnach der betrieblichen Mitbestimmung, soweit es den Arbeitnehmern hierdurch nicht mehr freisteht, ob und wie sie Compliance-Verstöße melden.
2. Regelungen über die Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen
Wenn eine Regelung der Compliance-Richtlinie die Einführung oder Anwendung technischer Einrichtungen zum Gegenstand hat, kann ebenfalls ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bestehen (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG). In der Regel löst der Einsatz von IT zur Organisation und Monitoring des Compliance-Systems das Mitbestimmungsrecht aus. So etwa, wenn die Regelung festlegt, dass der Arbeitgeber die auf Festplatten oder Servern gespeicherten Daten der Mitarbeiter zur Überwachung der Compliance-Vorgaben in bestimmten Fällen einsehen und auswerten darf. Gleiches kann gelten, wenn mittels einer Compliance-Richtlinie ein Whistleblowing-System etabliert werden soll, das eine Identifizierung des Whistleblowers vorsieht. Auch die Gewinnung von Log-Daten der Mitarbeiter oder die Video-Überwachung fallen hierunter.
III. Fazit
Um die maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben an ein funktionierendes Compliance-System zu erfüllen, ist es von entscheidender Bedeutung, dass Compliance im Unternehmen umgesetzt gelebt wird. Hierfür ist eine Einführung unternehmensinterner Compliance-Richtlinien unumgänglich. Wie aufgezeigt, sind bei einer solchen Einführung regelmäßig Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu beachten. Im Interesse einer effektiven und vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den jeweiligen Betriebsräten ist hier eine frühzeitige und umfassende Beteiligung des zuständigen Betriebsrats empfehlenswert.
Tobias Neufeld, LL.M.
Tobias Neufeld, LL.M. ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und leitet als Partner die Arbeitsrechtsgruppe im Düsseldorfer Büro von Allen&Overy. Er berät nationale und internationale Unternehmen in allen Bereichen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts sowie zu Fragen der betrieblichen Altersversorgung. Sein Schwerpunkt liegt dabei in der Beratung von komplexen Transaktionen sowie in Compliance-Projekten (insb. HR Compliance und Workforce Investigations).