Wie ernst wird Geldwäsche und Terrorismus­finanzierung genommen?

Banken

Die neuen europäischen Regelungen zur Prävention gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sind erst am 20. Mai 2015 mit der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie verabschiedet und im Juni 2015 in Kraft getreten, mit einer Umsetzungsfrist bis Juni 2017 für die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Die einzelnen europäischen Staaten sind somit aktuell mit der Umsetzung beschäftigt und auch Deutschland möchte nun bereits im ersten bzw. spätestens im zweiten Quartal 2016 einen entsprechenden Referentenentwurf vorlegen, gemäß der Ankündigung des Bundesfinanzministeriums. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der vorherigen Umsetzungsgeschwindigkeit beachtlich. Daher betrachtet man die letzte persönliche Äußerung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in Brüssel, der bereits auf eine fünfte EU-Richtlinie drängt, als etwas irritierend.

Noch verwirrender wird es, wenn man die Medien in den vergangenen Wochen verfolgt hat. Die Finanzminister von Deutschland und Frankreich, Wolfgang Schäuble und Michael Sapin, haben sich verständigt, dass drastische Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Terrorismusfinanzierung, insbesondere die des „Islamischen Staates (IS)“, einzudämmen bzw. auszutrocknen. Dies ist bemerkenswert, vor dem Hintergrund der erst kürzlich verabschieden Vierten EU-Geldwäscherichtlinie, wonach eine der Haupteinnahmequelle des Islamischen Staates der Verkauf von Erdöl ist. Ebenfalls soll die Äußerung des Bundesfinanzministers im Zusammenhang mit dem Zahlungsverkehr am Rande des G20-Gipfels in Antalya hier nicht unterschlagen werden: „Hier müssen wir im Wettlauf mit den Terroristen, also auch in der technologischen Innovation, Schritt halten, was eine große Herausforderung sein wird.“

Alles keine neuen Erkenntnisse: das Hawala-Banking, Bitcoin und andere elektronischen Zahlungsmittel sind bereits seit über zehn Jahren bekannt. Nur haben sich der Gesetzgeber und auch die europäische Union dafür nicht interessiert. Nein, sie haben bewusst und mit Vorsatz die Augen davor verschlossen. Dasselbe passiert aktuell mit dem Thema der Personenidentifikation.

Risiko: Flüchtlings­situation

Eine Herausforderung für die Europäische Union und insbesondere für Deutschland war im Jahr 2015 mit Sicherheit die Flüchtlingssituation aus Syrien und den umliegenden Staaten. Die Ausländerbehörden sowie die Sammelaufnahmestation waren mit dem Ansturm überfordert, so dass seit gut einem Jahr ein vereinfachtes Aufnahmeverfahren durchgeführt wird. In diesem Verfahren musste lediglich ein Fragebogen zu den Fluchtgründen schriftlich beantwortet werden (sog. Schriftliches Verfahren). Auch ein gültiges Legitimationsdokument für Ausländer (beispielweise eine Aufenthaltsgestattung) wird aufgrund von Personalmangel nicht ausgestellt, sondern nur Heimausweise und ähnliche Papiere. Diese Papiere entsprechen allerdings nicht den rechtlichen Vorgaben nach dem Geldwäschegesetz.

Aufgrund der beinahe vollständigen Anerkennungswahrscheinlichkeit als syrischer Asylbewerber kann man davon ausgehen, dass ein nicht unerheblicher Missbrauch stattgefunden hat. Wie kann dies geschehen? Ziemlich einfach, entweder der vermeintliche Syrer hat bei der Registrierung keine Papiere und behauptet glaubhaft, aus Syrien zu kommen oder besitzt einen gefälschten syrischen Pass. Nach Informationen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sollen ca. acht Prozent gefälschte syrische Pässe in einer stichprobenartigen Untersuchung gefunden wurden sein. Somit existiert eine nicht bekannte Anzahl von vermeintlichen Syriern, die keine sind. Hierbei wird es dem Leser überlassen zu interpretieren, wer sich alles nun berechtigt mit falscher Identität in der Bundesrepublik Deutschland aufhält.

Pariser Anschläge und erbeutete Ausweis­dokumente

Nach unterschiedlichen Presseinformationen hat die terroristische Vereinigung „Islamischer Staat (IS)“ in den Kampfgebieten (Syrien, Irak und Libyen) zigtausende von Blanko-Ausweisdokumente inkl. den dazugehörigen Maschinen zur Produktion von Ausweisdokumenten erbeutet. In den Medien ist die Sprache von ca. 3800 bis 5000 Pässen aus den syrischen Provinzen Rakka und Deir al-Sor sowie etwa 10.000 aus den irakischen Gebieten Anbar, Nineveh und Tikrit. Die genaue Anzahl variiert stark und es gibt keine offiziell verlässlichen Zahlen. Die Erstellung von originalen Ausweisdokumenten mit fingierten Personaldaten ist nun fast unmöglich festzustellen. Allerdings sind europäischen Sicherheitsbehörden die erbeutenden Seriennummern der Ausweisdokumente zugespielt worden – woher ist jedoch unbekannt, ebenso ihr Wahrheitsgehalt. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex sieht ein nicht unerhebliches Sicherheitsrisiko in den Blanko-Pässen.

Mit der Argumentation von mehr Struktur im Asylverfahren hat Bundesinnenminister Thomas de Maiziére das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im November angewiesen, wieder eine Einzelfallprüfung auch bei syrischen Asylbewerbern inkl. eines persönlichen Gespräches ­vorzunehmen.

Für die Bürger von Europa waren die Auseinandersetzungen des Islamischen Staates bisher primär auf Syrien fixiert und es fehlte der greifbare Bezug. Dies änderte sich schlagartig mit dem Abend des 13. November 2015 in Paris. Der Terror des Islamischen Staates kam in Form von verschiedenen Anschlägen in denen mehr als 120 Menschen gestorben sind und unzählige verletzt worden. Eine klare Struktur war nicht erkennbar. Die Attentäter schossen wahllos um sich und zündeten mehrere Bomben. Allein in der Konzerthalle „Bataclan“ kamen 80 Menschen ums Leben und in der Nähe vom Stadion Stade de France vier Menschen. Die genaue Anzahl von Attentätern ist bis heute nicht bekannt, man geht von mindestens acht aus. Darunter waren sieben Selbstmordattentäter, der achte wurde von der Pariser Polizei erschossen. Der französische Präsident François Hollande hat umgehend den Ausnahmezustand ausgerufen.

Im Zusammenhang mit den Pariser Anschlägen rückte auf einmal die Erbeutung von syrischen Ausweisdokumenten wieder in den Fokus der Aufmerksamkeit, denn einer der Attentäter war nach Angaben von Spiegel Online im Besitz eines der erbeuteten syrischen Blanko-Pässe. Dieser wurde sogar dreimal auf der bekannten Flüchtlingsroute durch den Balkan registriert.

Allerdings darf man jetzt nicht den voreiligen Schluss ziehen, dass IS-Kämpfer als getarnte Flüchtlinge nach Europa kommen. Die Wahrscheinlichkeit ist entschieden höher, dass die terroristische Vereinigung „Islamischer Staat“ eine neue Einnahmequelle entdeckt hat – den Handel mit Legitimationsdokumenten. Nimmt man die Anzahl der erbeutenden Ausweisdokumente und multipliziert diese mit ca. 1.000 Euro pro Pass, so erhält man schon eine stattliche Summe von mehreren Millionen Euro. Hierbei sind insbesondere Asylbewerber aus Ländern mit einer geringen Wahrscheinlichkeit auf einen Flüchtlingsstatus (Kosovo u.ä.) für den Islamischen Staat im ­Zentrum.

Aktuelle Situation für die Kontoeröffnung

Vor dem Hintergrund der wachsenden Flüchtlingssituation und den damit verbundenen Personalengpässen bei den Ausländerbehörden, um die notwendigen Asylanträge und somit auch die damit verbundenen Legitimationsdokumente für Flüchtlinge zu bearbeiten, hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) bereits zum Ende 2014 an den Sächsischen Minister eine Erleichterung in der Ausstellung von entsprechenden Dokumente geschickt. Mit dem Schreiben vom 21. August 2015 hat die BaFin erleichterte Voraussetzungen definiert, unter denen bis auf weiteres verschiedene ausländerrechtliche Papiere für die Eröffnung von Konten für Flüchtlinge herangezogen werden können. Allerdings müssen bei der Kontoeröffnung die übrigen geltenden Rechtsbestimmungen (z.B. AGB, FATCA, SCHUFA) wie bei allen andren Konten eingehalten werden.

Nach dem Schreiben der BaFin können alle Dokumente zur Legitimationsprüfung herangezogen werden, die

•    den Briefkopf einer inländischen Ausländerbehörde tragen,
•    die Identitätsangaben gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 1 GwG enthalten, nämlich Name, Geburtsort, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit und Anschrift,
•    mit einem Lichtbild verstehen sind,
•    das Siegel / den Stempel der Ausländerbehörde tragen und
•    vom ausstellenden Bearbeiter unterschrieben sind.

Die Ausländerbehörden verwenden kein einheitliches Muster für diese Bescheinigungen.
Das Kernelement einer effektiven Prävention gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ist die verlässliche Überprüfung der Identität. Dieser zentralen Punkt zieht sich durch alle internationalen Institutionen (wie beispielsweise die FATF) seit bereits über 20 Jahren. Durch die neue Bestimmung der BaFin in Verbindung mit BMF ist den Kreditinstituten die realistische Möglichkeit der Prüfung genommen wurden. Weder das Dokument kann auf Echtheit geprüft werden noch die Einhaltung von Embargo- / Finanzsanktionen sichergestellt werden. Hiermit wurde der Kontoeröffnungen auf falsche Namen und für nichtregistrierte Asylbewerber Tor und Tür geöffnet. Mit einer gewissen Internetaffinität ist ein Legitimationsnachweis neuer Fassung ohne große Aufwendungen innerhalb von fünf Minuten erstellt.

Zahlungskontenrichtlinie

Wer meint, dass sei nicht zu toppen, hat die Rechnung ohne die Europäische Union gemacht. Am 28. Oktober 2015 hat das Bundeskabinett einen Regierungsentwurf über die Umsetzung der Zahlungskontenrichtlinie vorgelegt. Neben den Themengebieten Kostentransparenz bei Girokonten und Erleichterung beim Kontowechsel steht der Rechtsanspruch auf ein Basiskonto für Jedermann im Vordergrund. Maßgeblich betroffen sind Kreditinstitute, die Zahlungskonten für Verbraucher anbieten. Das Basiskonto steht jedem Verbraucher zu, der einen rechtmäßigen Aufenthalt in der Europäischen Union hat, einschließlich Personen ohne festen Wohnsitz und Asylsuchende sowie Personen ohne Aufenthaltstitel, die aber aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht abgeschoben werden können. Problematisch ist die Kontoeröffnung bei Wohnungslosen/Obdachlosen und Asylsuchenden. Hierbei erlaubt der Gesetzgeber die zuvor dargestellte vereinfachte Legitimationsprüfung bzw. die Akzeptanz von den neuen Legitimationsdokumenten. Das Zahlungskontengesetz ist für das zweite Quartal 2016 geplant.

Die Ernsthaftigkeit der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung von der Europäischen Union, insbesondere von den federführenden Staaten in Europa wie Frankreich und Deutschland, steht bei der dargestellten Situation in Frage. Es werden die Augen vor der Realität und der präsenten Gefahr verschlossen, analog zu dem Vogelstrauß-Prinzip, Kopf in den Sand, wir haben dieses Problem nicht. Wir haben keine kriminellen Asylanten, keine Terroristen und erst recht keine Organisierte Kriminalität. Einen hundertprozentigen Schutz gibt es nicht – das erwartet auch niemand. Es wird jedoch erwartet, die vorhandenen Möglichkeiten zu nutzen und entsprechend zu handeln, das bedeutet aufzuhören, die Sicherheitsmechanismen auszuhöhlen und eine konsequente Politik umzusetzen.

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