1. Einführung
Der nachfolgende zweite Teil des auf insgesamt vier Teile konzipierten Beitrags zu Haftungsrisiken für Vorstände und Geschäftsführer in der Unternehmenskrise befasst sich mit der sogenannten Außenhaftung der Geschäftsleitung.
Wie bereits im ersten Teil bereits angesprochen, ist eine Haftung der Geschäftsleitung – neben der zivilrechtlichen Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft selbst – auch gegenüber Dritten möglich. Der häufigste Fall der sogenannten Außenhaftung liegt bei Insolvenznähe der Gesellschaft im Bereich der deliktischen Haftung der §§ 823 ff. BGB in Verbindung mit der Verletzung insolvenzrechtlicher Normen.
2. Außenhaftung der Geschäftsleitung aus § 823 II BGB i.V.m. § 15a InsO
2.1 Pflicht zur Insolvenzantragsstellung, § 15a Abs. 1 S. 1 InsO
Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, so haben die Mitglieder des Vertretungsorgans, also der Geschäftsleitung, gemäß § 15a Abs. 1 S. 1 InsO die Pflicht, einen Eröffnungsantrag beim Insolvenzgericht zu stellen.
Die Pflicht entsteht, sobald die haftungsbeschränkte juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Verantwortlich und letztlich auch haftbar für die rechtzeitige Stellung des Insolvenzantrages in dieser Situation sind alle Mitglieder des jeweiligen Geschäftsführungs- und Vertretungsorgans. Dabei bleibt die interne Geschäftsaufteilung unberücksichtigt, sodass die Verpflichtung nicht schuldbefreiend delegiert werden kann. Nicht einmal die Niederlegung des Geschäftsführeramts ohne wichtigen Grund entlastet aus der Haftung.
Zu beachten ist jedoch, dass bei einem Insolvenzantrag durch einen Gläubiger die Pflicht zur Antragstellung der Mitglieder der Vertretungsorgane nicht entfällt. Grund dafür ist, dass der Gläubiger zulässigerweise seinen Antrag zurücknehmen kann mit der Folge, dass dieser als nicht gestellt gilt und somit die notwendigen, gläubigerschützenden, Maßnahmen nicht getroffen würden. Dies soll verhindert werden, indem die Antragspflicht des Vorstands/Geschäftsführers von einem eventuellen Antrag eines Gläubigers unabhängig bestehen bleibt.
2.2 Insolvenzantragsfrist
Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO ist der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens „ohne schuldhaftes Zögern“ zu stellen. Ein Handeln „ohne schuldhaftes Zögern“ beginnt nach herrschender Ansicht mit dem Zeitpunkt der objektiven Erkennbarkeit des Insolvenzgrundes. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass bereits die fahrlässige Unkenntnis der Insolvenzreife die Haftung begründet. Für den Vorstand/Geschäftsführer bedeuten diese geringen Anforderungen ein hohes Haftungsrisiko. Daher ist es wichtig, neben dertäglichen Aufgabenbewältigung, besonders in Krisenzeiten eine erhöhte und engmaschige Überwachung der bilanziellen Situation sowie der Liquidität des Unternehmens sicherzustellen. Nur wenn der Vorstand/Geschäftsführer beweisen kann, dass es der Pflicht eines ordentlichen Geschäftsmannes nachgekommen ist und sich bei mangelnder persönlicher Fachkenntnis sachkundig beraten lassen hat, kann es sich haftungsbefreiend exkulpieren.
Bei Vorliegen eines Insolvenzgrundes ist die Möglichkeit unverzüglich zu Handeln auf eine Dreiwochenfrist begrenzt. Diese Frist bedeutet freilich nicht, dass die Vorstände/Geschäftsführer in jedem Falle drei Wochen Zeit haben, Sanierungsmaßnahmen einzuleiten. Vielmehr ist unverzügliches Handeln gefordert, wenn eine Sanierung innerhalb der drei Wochen keinen Erfolg verspricht.
Die Frist endet, sobald entweder der Insolvenzgrund weggefallen ist oder wenn ein Insolvenzantrag nach § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO von einem anderen Vertretungsorgan gestellt wurde.
2.3 Verschulden
Für eine Haftung des Vorstands/Geschäftsführers ist, wie regelmäßig, auch hier ein Vertreten müssen, also ein Verschulden erforderlich. Ein Vorstand/Geschäftsführer kann nur zur Haftung herangezogen werden, wenn ihm individuell ein schuldhaftes Verhalten vorgeworfen werden kann. Die Kenntnis des Vorstands/Geschäftsführers bezüglich des Insolvenzgrundes ist dabei aber nicht vom Anspruchssteller bzw. Kläger zu beweisen. Vielmehr muss der Vorstand/Geschäftsführer beweisen, dass es in Unkenntnis der Insolvenzreife gehandelt hat. Eine solche Unkenntnis ist indes schwer zu beweisen, genügt doch bereits, wie ausgeführt, die objektive Erkennbarkeit des Insolvenzgrundes. Damit nicht genug wird auch das Verschulden der Kenntnis vermutet.
Für die Annahme des Verschuldens genügt bereits einfache Fahrlässigkeit, also das außer Achtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Als Bewertungsmaßstab ist hier die Sorgfalt des ordentlichen Geschäftsmannes zugrunde zu legen. Die Anforderungen an den Vorstand/Geschäftsführer sind damit sehr hoch gesteckt. So wird beispielsweise das Verschulden auch schon dann bejaht, wenn der Vorstand/Geschäftsführer bei einer unübersichtlichen oder unsicheren Rechtslage über die Solvenz des Unternehmens sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen und die Kenntnisse verschaffen hat.
Der Vorstand/Geschäftsführer kann sich nur exkulpieren, also haftungsbefreiend entschuldigen, wenn es sich rechtzeitig von einer fachlich qualifizierten Person hat beraten lassen. Zusätzlich muss die schriftliche Begutachtung durch die fachlich qualifizierte Person ergeben haben, dass keine Insolvenzreife festzustellen war. Bei dem fachkundigen Dritten muss es sich nicht um einen Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt handeln. Der Vorstand/Geschäftsführer muss jedoch beweisen können, dass die begutachtende Person das notwendige Fachverständnis besitzt und zu einer qualifizierten Beratung in der Lage war.
2.4 Rechtsfolge
Bei den zivilrechtlichen Haftungsansprüchen gegenüber den Vorständen/Geschäftsführern aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 InsO unterscheidet die Rechtsprechung zwischen Alt- und Neugläubigern.
Altgläubiger ist, wer vor der Insolvenzreife eine vertragliche Forderung gegenüber dem Unternehmen hatte. Bei Verletzung der Insolvenzantragspflicht hat der Altgläubiger aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 InsO einen Anspruch auf Ersatz des Quotenschadens im Sinne des § 92 InsO.
Abzugrenzen hiervon sind die Neugläubiger, deren Forderungen gegen das Unternehmen erst nach der Insolvenzreife entstanden sind, wobei es nur auf vertragliche Forderungen ankommen soll. Die Neugläubiger haben im Falle der Pflichtverletzung gegen den in Anspruch genommenen Vorstand/Geschäftsführer einen Anspruch auf den ihnen entstanden Vertrauensschaden, also den Schaden,der ihnen dadurch entstanden ist, dass sie gegenüber dem insolventen Unternehmen in Vorleistung getreten sind ohne einen Ausgleich für ihre Leistung zu erhalten.
Der Gläubiger hat jedoch, neben der Pflichtverletzung und dem entstandenen Schaden, auch zu beweisen, dass die unterbliebene Antragsstellung durch den Vorstand/Geschäftsführer kausal, also ursächlich für den Vertragsschluss war.
RA Daniel Froesch
RA Daniel Froesch, Partner bei HEUKING KÜHN LÜER WOJTEK und tätig im Frankfurter Büro der mit sieben Standorten in Deutschland vertretenen Sozietät ist seit mehr als zehn Jahren auf die Beratung von nationalen und internationalen Unternehmen im Bereich der Prozessführung und Schiedsgerichtsbarkeit mit Schwerpunkten im Gesellschafts- und Wirtschaftsstrafrecht spezialisiert. Kontakt: d.froesch@heuking.de