Unternehmenskommunikation im Internet ist schon lange keine Einbahnstraße mehr.
Viele Unternehmen eröffnen auf ihren firmeneigenen Internetseiten und Blogs sowie in sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter et cetera vielfältige Möglichkeiten, Kommentare zu hinterlassen. Der direkte Austausch mit Nutzern, Kunden, unter Umständen auch Mitarbeitern und relevanten Zielgruppen ermöglicht unmittelbaren Dialog über Produkte, Service und Verhalten von Unternehmen. Doch was geschieht, wenn diese Kommentare die Grenzen des rechtlich zulässigen überschreiten? Haftet ein Unternehmen als Seitenbetreiber dann automatisch für diese fremden, rechtswidrigen Äußerungen?
Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in einem aktuellen Urteil vom 16. Juni 2015 (Az.: 64569/09) über beleidigende Äußerungen eines Nutzers auf einem Nachrichtenportals entschieden. Zu einem Nachrichten-Artikel hatte ein Nutzer belastende Äußerungen in einem Kommentar hinterlassen. Das Newsportal wurde aufgefordert, diesen Kommentar zu löschen, was jedoch erst sechs Wochen nach Veröffentlichung geschah. Das war – nach Auffassung des nationalen Gerichts – ein unzulässig langer Zeitraum, weshalb der Portalbetreiber zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt wurde. Der EGMR bestätigte die Haftung des Portalbetreibers und erklärte die Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz für rechtmäßig.
Bedeutung der Entscheidung
Was bedeutet diese Entscheidung für Unternehmen, die im Netz Kommentare und Bewertungen auf den von ihnen verantworteten Internetseiten oder Profilen ermöglichen?
Die gute Nachricht: Die Richter des EGMR haben in ihrem Urteil ausdrücklich klargestellt, dass diese Entscheidung nicht für andere Plattformen gilt, auf denen Kommentare hinterlassen werden können, wie ein Internet-Diskussions-Forum oder Social-Media-Plattformen.
Auch wenn die Entscheidung solche Formen der Onlinekommunikation nicht betraf, so ist eine Haftung eines Unternehmens auch nach deutschem Recht für Kommentare oder Beiträge von Nutzern nicht gänzlich ausgeschlossen. Die Tatsache, dass es sich nicht um eine eigene Äußerung des Unternehmens handelt, das die Internetseite oder den Social-Media-Account betreibt, entbindet nicht von der Haftung. Allerdings sind auch nach der deutschen Rechtsprechung bestimmte Voraussetzungen notwendig, um ein Unternehmen als Betreiber einer Internetseite für fremde Kommentare in die Haftung zu nehmen, sogenannte „Störerhaftung“.
Eine Haftung, insbesondere auf Unterlassung, besteht aber üblicherweise erst dann, wenn der Betreiber eines Internetportals Kenntnis von einer klaren Rechtsverletzung erlangt und sie gleichwohl nicht beseitigt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat schon mehrfach entschieden, dass den Betreiber einer Webseite keine grundsätzliche Prüfungspflicht bezüglich fremder Inhalte trifft. Diese Rechtslage hat er erst kürzlich wieder mit Urteil vom 19. März 2015 (Az. I ZR 94/13) bestätigt.
Das gilt übrigens auch für anonyme Beiträge. Nutzer dürfen Kommentare anonym verfassen, auch wenn damit für den von einer Äußerung betroffenen nur beschränkte Möglichkeiten bestehen, gegen den Nutzer direkt vorzugehen. Dies ist auch deshalb der Fall, weil ein Betroffener von dem Portalbetreiber auf zivilrechtlichem Wege keine Auskunft über die Identität des anonymen Nutzers verlangen kann. Auch das wurde vom BGH bereits bestätigt (unter anderem BGH, 1. Juli 2014 – VI ZR 345/13). Umso mehr geraten in diesen Fällen dann die Betreiber von Internetseiten, Foren et cetera in den Fokus des Betroffenen, der die weitere Veröffentlichung des Kommentars verhindern und untersagen lassen will.
Auch eine Haftung auf Schadensersatz setzt nach deutschem Recht voraus, dass gegen bestehende Prüfpflichten verstoßen wurde oder Kenntnis von der Rechtsverletzung besteht.
Fazit
Unternehmen und deren Administratoren einer Internetseite müssen nicht auf Kommentarfunktionen verzichten. Sie müssen auch nicht anlasslos sämtliche Nutzerkommentare einem Monitoring unterziehen. Werden sie jedoch auf eine Rechtsverletzung hingewiesen, müssen sie unverzüglich handeln. Nur dann kann eine Haftung vermieden werden. Entsprechend sollten strukturelle und personelle Vorkehrungen in Unternehmen getroffen und klare Verantwortlichkeiten festgelegt werden, damit den rechtlichen Anforderungen entsprochen wird.
Rein vorsorglich sollte auch verhindert werden, dass die rechtswidrigen Äußerungen weiterhin mithilfe von Suchmaschinen im Internet auffindbar sind. Einige Gerichte (zum Beispiel OLG Celle, Urteil vom 29. Januar 2015, Az.: 13 U 58/14) legen dem verantwortlichen Portalbetreiber neben der Entfernung von der eigenen Seite zusätzlich die Pflicht auf, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die betroffenen Inhalte auch nicht mehr über eine Internetsuchmaschine abgerufen werden können. Daher sollte auch die Löschung aus dem Google Cache und unter anderem dem Speicher anderer häufig genutzter Suchmaschinen bei diesen beantragt werden.
Stammen die Kommentare von den eigenen Mitarbeitern oder Angestellten eines Unternehmens, so bewegen diese sich hier ebenfalls nicht im rechtsfreien Raum. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass es einen Kündigungsgrund darstellt, wenn ein Arbeitnehmer über seinen Arbeitgeber, seine Vorgesetzten oder Kollegen bewusst wahrheitswidrige Tatsachenbehauptungen aufstellt oder eine bewusste und gewollte Geschäftsschädigung begeht, die geeignet ist, bei Geschäftspartnern des Arbeitgebers Misstrauen in dessen Zuverlässigkeit hervorzurufen (BAG, Urteil vom 26. September 2013 – 2 AZR 741/12). Insofern können kritische Äußerungen über soziale Netzwerke durchaus ein Kündigungsgrund sein, wenn Kritik nicht sachlich und auf der Grundlage wahrer Tatsachen geäußert wird.
Mitarbeiter sollten auf diese Konsequenzen und eventuelle vertragliche Verschwiegenheitsverpflichtungen hingewiesen werden. Ihnen gleichzeitig, zum Beispiel über Social Media Guidelines die Möglichkeiten zulässiger Kommentare darzustellen, dürfte für alle Beteiligten von Interesse und Vorteil sein.