Der Compliance Manager in der Aktiengesellschaft – Ritter mit stumpfem Schwert?

Berufsprofil Compliance Manager

Funktioneller Aufgabenbereich des Compliance Managers

Der Compliance Manager hat kraft seiner arbeitsvertraglichen Aufgabenzuweisung darüber zu wachen, dass sämtliche Unternehmensangehörige Gesetze beachten und sich im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit rechtmäßig verhalten. Idealerweise liegt der Schwerpunkt seiner Tätigkeit im präventiven Bereich. Berührungspunkte mit Persönlichkeitsrechten der Beschäftigten, meist im Zusammenhang mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen, liegen auf der Hand. Kraft seines Amtes wird der Compliance Manager in äußerst sensible Bereiche vordringen müssen. Steht die Gesetzestreue des Vorstands selbst auf dem Spiel, ist eine innere Zwangslage des Compliance Managers praktisch systemimmanent.

Gewähr für wirksame und effektive Compliance kann der Compliance Manager folglich nur dann bieten, wenn ihm die Möglichkeit gegeben ist, in seinem Aufgabenbereich neutral und unabhängig agieren zu können.

Arbeits- und gesellschaftsrechtliche Kompetenzordnung

Eine Analyse der geltenden Rechtsordnung lässt allerdings erkennen, dass die beschriebene Unabhängigkeit als Mindestvoraussetzung für wirksame Compliance mit der arbeitsrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Kompetenzordnung nur schwer in Einklang zu bringen ist, wonach eine starke Abhängigkeit vom Vorstand besteht.

Spezielle gesetzliche Regelungen bestehen lediglich für Compliance Beauftragte in Wertpapierdienstleistungsunternehmen.

Im Übrigen ermächtigt und verpflichtet das nationale Gesellschaftsrecht ausschließlich den Vorstand in der Aktiengesellschaft die Letztentscheidung in Hinblick auf unternehmensbezogene Belange zu treffen und dafür auch verantwortlich zu zeichnen. Unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten ist der Vorstand dem Compliance Manager gegenüber weisungsbefugt. Der Compliance Manager hat den Status eines Arbeitnehmers. Eine direkte Einbindung in das geschäftsführende Organ wäre nicht zweckmäßig, da nur eine deutliche instanzielle Abgrenzung zum Vorstand dem Selbstverständnis von Compliance entsprechen kann.

Gestaltungsspielräume

Es ist daher notwendig, die wenigen noch verbleibenden rechtlichen Spielräume und Gestaltungsmöglichkeit so auszuschöpfen, dass dem Compliance Manager ein umfangreiches Maß an Unabhängigkeit verbleibt.

  • Bestehen kraft Arbeits- und Gesellschaftsrecht die Informationswege grundsätzlich direkt zwischen dem Compliance Manager und dem Vorstand, ist bei Compliance Verstößen durch den Vorstand selbst ein Informationsumweg über den Aufsichtsrat anzuraten.
  • Ebenfalls erscheint es sachgerecht, den Aufsichtsrat bei der Kündigung eines Compliance Managers frühzeitig mit einzubeziehen. Anderenfalls sieht sich der Vorstand dem naheliegenden Verdacht ausgesetzt, sich eines ihm unliebsam gewordenen Compliance Managers ohne Weiteres entledigen zu können.
  •  Arbeitsvertragliche Gestaltungsmöglichkeiten sollten genutzt werden, die dem Compliance Manager eine möglichst unabhängige Stellung einräumen, wie beispielsweise persönliche Haftungsfreistellungen oder Haftungsbeschränkungen.
  • Neben den wenigen rechtlichen Möglichkeiten der Konfliktminimierung spielen für die Gewährleistung von Unabhängigkeit insbesondere das persönliche Anforderungsprofil eine nicht zu unterschätzende Rolle. Neben der entsprechenden fachlichen Qualifikation ist darauf zu achten, dass der Compliance Manager so wenig wie möglich aber so viel wie nötig im Unternehmen integriert ist. Er sollte weder einer bestimmten Fachabteilung nahe stehen noch intensive persönliche Kontakte zu Beschäftigten pflegen. Allein die abstrakte Gefahr einer Voreingenommenheit ist einer sachgerechten Sachverhaltsaufklärung abträglich.
  • Unabhängigkeit und Neutralität in finanzieller Hinsicht lässt sich durch eine überdurchschnittliche Vergütung erreichen.
  • Letztendlich ist ein Compliance Manager ohne Letztentscheidungskompetenz und ohne Weisungsfreiheit aber ein stumpfes Schwert. So können sich Vorstandsmitglieder aufgrund ihrer rechtlichen Stellung weiterhin auf zwielichtiges Terrain begeben und unbekümmert an ihrem Compliance Manager vorbei entscheiden. Der Head of Compliance bliebe nicht mehr als eine Marionette, dessen Existenz allenfalls den guten Willen des Unternehmens in der öffentlichen Wahrnehmung demonstrieren soll.

Strafrechtliche Rechtsprechung

Erschwerend kommt hinzu, dass den Compliance Manager – wie die Richter des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs in Ihrem Urteil vom 17.07.2009 nebenbei erwähnten – eine Garantenpflicht dafür trifft, Straftaten im Unternehmen zu verhindern. Er müsse, so die Richter, letztlich selbst strafrechtlich für Delikte anderer einstehen, sofern er nicht in hinreichendem Umfang Maßnahmen zur Abwendung der Begehung von Straftaten treffen würde. Das hätte zur Konsequenz, dass der Compliance Manager bei arbeitsvertraglicher Schlechtleistung sehr schnell selbst im Fokus der staatlichen Ermittlungsbehördenstehen wird.

Im Zusammenhang mit den beschriebenen Kompetenzdefiziten kommt die Unhaltbarkeit dieses Richterspruchs klar zum Ausdruck. Der Senat verlangt von einem Bürger ein Verhalten, das ihm das Gesetz an anderer Stelle ausdrücklich versagt. DerBundesgerichtshof verstößt hier in augenscheinlicher Weise gegen den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung.

Fazit

Selbst wenn die zuständigen Gerichte in künftigen zur Entscheidung stehenden Fällen den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung berechtigterweise ernst nehmen und dem Compliance Manager die Eigenschaft als Garant für gesetzeskonformes Handeln absprechen, wird er dadurch nicht zum Garant für wirksame Compliance. Die arbeitsrechtliche und gesellschaftsrechtliche Kompetenzverteilung in der Aktiengesellschaft bietet dem Compliance Manager nicht die Möglichkeit, die in ihn gesetzten Erwartungen zu erfüllen, will er selbst in Einklang mit geltendem Recht handeln. Es bleibt nur ein Appell an den Gesetzgeber, der wachsenden Bedeutung von Compliance im Unternehmensalltag die notwendige Aufmerksamkeit zu schenken und die rechtlichen Rahmenbedingungen auch außerhalb der regulierten Branchen zu schaffen.

Dr. Nadja Groß

Dr. Nadja Groß ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Frau Prof. Dr. Martina Benecke am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels-, Arbeits-, und Wirtschaftsrecht an der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg.

Weitere Artikel