Anknüpfend an die Organisationspflicht des Geschäftsleiters in Bezug auf das Compliance-Management kann sich im Rahmen der allgemeinen Geschäftsführerhaftung nach den dafür geltenden Grundsätzen auch eine Haftung wegen Compliance-Verstößen ergeben, die in einen Schadensersatzanspruch gegen Mitglieder der Organe und auch der ausgeschiedenen Organmitglieder münden.
Zunächst einmal gelten hier die allgemeinen Haftungsvoraussetzungen der jeweiligen Geschäftsleiterhaftung, es muss also sowohl eine Pflichtverletzung als auch ein Schaden und die entsprechende Kausalität zwischen dieser Pflichtverletzung und dem Schaden nachgewiesen werden.
Verstößt also zum Beispiel ein Geschäftsführer einer im Speditionsgeschäft tätigen GmbH dadurch gegen seine Geschäftsführerpflichten betreffend die Compliance-Organisation, dass er Verstöße gegen die vorgeschriebenen Ruhezeiten, die Dokumentationspflichten seiner Fahrer oder laufende Verstöße im Straßenverkehr toleriert und seine Fahrer gewissermaßen mit System von diesbezüglichen Strafen und Bußgeldern auf Unternehmenskosten freistellt, stellt dies eine Pflichtverletzung im Rahmen seiner Pflicht zur ordnungsgemäßen Unternehmensführung dar und macht ihn persönlich haftbar gegenüber der Gesellschaft.
In der Praxis stellen sich naturgemäß vielfältige Nachweisprobleme sowohl hinsichtlich der Pflichtverletzung als auch im Zusammenhang mit der Bezifferung des jeweiligen Schadens, in besonderem Maße aber auch beim notwendigen Nachweis der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden. Nach den insoweit auch von der Rechtsprechung angewandten allgemeinen Grundsätzen liegt die volle Beweislast für den Nachweis dieser Kausalität beim Unternehmen, das heißt der Zusammenhang zwischen einer Pflichtverletzung und einem Schaden muss positiv nachgewiesen werden und wird nicht durch die Existenz der Pflichtverletzung indiziert. Je nach Einzelfall bestehen zwar Beweiserleichterungen, etwa durch die Möglichkeit des Anscheinsbeweises, wonach der Beweis auf der Grundlage von Indizien als geführt gilt, solange die Gegenseite diese Beweisführung nicht erschüttert, bis hin zur Beweislastumkehr. Einfache Antworten gibt es in diesem Bereich aber naturgemäß nicht.
Diese Haftung trifft – wegen der Entdeckung nach Ausscheiden beziehungsweise Neu-Bewertung bestimmter Sachverhalte nach einem Wechsel in den Organpositionen – gerade auch ausgeschiedene Organmitglieder. Umso wichtiger ist es auch aus Unternehmenssicht, darauf zu achten, dass eine oftmals ja während der aktiven Tätigkeit bestehende D & O-Haftpflichtversicherung auch nach einem Ausscheiden noch für angemessenen Schutz sorgt und nicht etwa nach dem claims-made-Prinzip angelegt ist und nach Ausscheiden aus Kostengründen kurzfristig gekündigt wird. Es ist also genau zu prüfen, dass der Versicherungsschutz für die aktive Tätigkeit auch noch nach dem Ausscheiden in Anspruch genommen werden kann und nicht etwa Ausschlussfristen oder ähnlichem bestehen, die die Anspruchsstellung nach Ausscheiden (unabhängig von der Verjährung) ausschließen oder einschränken.
Darüber hinaus sollte im Rahmen von üblichen Entlastungen der Organe für abgelaufene Geschäftsjahre, die insbesondere für GmbH-Geschäftsführer schon eine gewisse Präklusionswirkung haben können, unter Umständen auf eine genaue Formulierung der Kenntnislage zum Zeitpunkt der Beschlussfassung geachtet werden, da die Entlastungswirkung auf die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt bekannten oder erkennbaren Sachverhalte beschränkt ist.
Grenze der Haftung ist entsprechend den allgemeinen Grundsätzen die Verjährung, die in der Regel fünf Jahre ab Entstehung des Anspruches, das heißt ab der Entstehung des Schadens (dem Grunde nach), betragen wird; Entscheidend ist also insbesondere der Zeitpunkt, ab dem die Gesellschaft zumindest Feststellungsklage erheben könnte. Auf eine Kenntnis von den Sachverhalten wird es im Normalfall nicht ankommen.
Im Ergebnis richtet die Haftung ausgeschiedener Organmitglieder nach den allgemeinen Grundsätzen und sollte – und darf – weder vorschnell als zu langwierig zurückgestellt werden noch sollten die damit verbundenen Fallstricke und Zweifelsfragen unterschätzt und eine rechtzeitige Prüfung und Klärung angestrengt werden.
Teil eins finden Sie hier.