Die Geschäftsleitung hat ein Interesse daran zu erfahren, ob und wie die von dem Compliance Officer initiierten Compliance-Maßnahmen von den Mitarbeitern wahrgenommen werden. Aber natürlich ist es für den Compliance Officer selbst auch interessant, zu wissen, wie seine Arbeit im Unternehmen ankommt. Denn wer fragt sich nicht, welche Wirkung hat eigentlich das Compliance-Managementsystem bei meinen Mitarbeitern? Oder muss ich vielleicht meine Compliance-Kommunikation verbessern?
Der Compliance Officer wird also bei solchen „Compliance Perception Survey“ den Mitarbeitern Fragen stellen, wie sie einzelne Elemente des Compliance-Managementsystems wahrnehmen und beurteilen.
Um diese Erhebungen zügig durchführen und auswerten zu können, ist es üblich, die Mitarbeiter elektronisch (zum Beispiel per E-Mail) aufzufordern, an einer IT-gestützten Umfrage teilzunehmen.
In manchen Unternehmen gibt es bereits solche Umfrage-Tools, die der Compliance Officer auch nutzen könnte. Ansprechpartner hierfür ist in der Regel die Personal- oder die IT-Abteilung. Ist eine solche Umfrage-Software vorhanden, erleichtert dies den Prozess, da dann zumindest hinsichtlich der Software keine Abstimmung mit dem Betriebsrat erforderlich ist.
Betriebsrat immer einbeziehen
Dennoch ist es empfehlenswert, den Betriebsrat bei den anstehenden Umfragen immer mit einzubeziehen, egal, ob hier das Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG vorliegt oder nicht (wenn die Umfrage zum Beispiel anonym ist). Und Mitbestimmung liegt vor, wenn die Umfrage mit Hilfe einer technischen Einrichtung erfolgt. Auch liegt eine Mitbestimmungspflicht gemäß § 94 Abs. 1 BetrVG vor, wenn Fragen zu persönlichen Verhältnissen sowie Kenntnissen und Fähigkeiten gestellt werden.
Will man die Mitbestimmung ausschließen, ist es sicherzustellen, dass aus den Fragen und Ergebnissen der Mitarbeiterbefragung keine Rückschlüsse auf Leistung und Verhalten einzelner Mitarbeiter gezogen werden können. Es ist in der Praxis üblich, solche Umfragen immer anonym und auf freiwilliger Basis durchzuführen. Ansonsten braucht man keine offenen und ehrlichen Antworten erwarten.
Den Fragebogen entwerfen
Was ist bei der Konzeption der Fragebögen sinnvoll und was nicht? Hier gilt der Grundsatz: „Nicht Fragen sammeln, sondern von der Auswertung her denken“. Für mich selbst hat sich daher diese Strategie bewährt: Als ersten Schritt beantwortet man die Frage, aus welchem Grund im Unternehmen eine Compliance-Umfrage durchgeführt werden soll und welche Erkenntnisse gewonnen werden sollen.
Darauf aufbauend entwickelt man im zweiten Schritt den Fragebogen vom Ergebnis, also von der Auswertung und der Art der abzuleitenden Schlussfolgerungen her. Die Schlüsselfragen dafür lauten:
• Auf welchen Gebieten sehen Sie Handlungsbedarf im Unternehmen?
• Welche Hypothesen wollen Sie überprüfen?
• Zu welchen Fragestellungen benötigen Sie Daten, damit Sie sich hinterher für die Weiterarbeit auf solidem Grund bewegen?
• Was wollen und müssen Sie dazu von der befragten Zielgruppe wirklich wissen?
• Welche Fragen sind dafür erforderlich?
Bezogen auf Compliance ergeben sich hieraus folgende Fragestellungen:
• Wie hoch bzw. gut ist der Bekanntheitsgrad von Compliance im Unternehmen?
• Lebt die Geschäftsleitung („tone from the top“), bzw. leben die Führungskräfte („tone from the middle“) das Thema Compliance vor?
• Kommen die Schulungs- und Kommunikationsmaßnahmen bei den Mitarbeitern an?
• Deckt das Compliance-Managementsystem die wesentlichen Risiken im Unternehmen ab?
• Gibt es die – häufig vom Betriebsrat geäußerte – Befürchtung, dass entdeckte Verstöße nicht nach gleichen Maßstäben geahndet werden?
Wichtig ist es, mit der Länge des Fragebogens nicht zu übertreiben. Denn Compliance ist nur eines der vielen Themen, die täglich auf die Mitarbeiter einstürzen. Stellt man nur wenige Fragen und verkürzt dadurch die für die Beantwortung des Fragebogens benötigte Zeit, akzeptieren es die Mitarbeiter viel eher und die Teilnahmequote wird höher sein. Dabei kann es hilfreich sein, sich an früheren im Unternehmen durchgeführten Umfragen zu orientieren, um ein Gefühl für das richtige Maß zu finden.
Je größer die Zahl der Befragten, desto wichtiger ist es, nur geschlossene Fragen mit vorgegebenen Antwortalternativen zu stellen. Schon bei Tausend Befragten fällt bei der Auswertung einer einzigen offenen Frage ein hoher Aufwand an. In der Realität kann man aus den offenen Fragen und den abgegebenen Bewertungen sowieso keine Schlüsse ziehen. Allenfalls kann unter Umständen nach den Fragen den Mitarbeitern zum Abschluss des Fragebogens die Option eröffnet werden, in einem Freitextfeld einen Kommentar zu Compliance abzugeben. Die dort gemachten Angaben können dann aber höchstens als Stimmungsbild angesehen werden.
Bei den Antwortmöglichkeiten ist es empfehlenswert, die Skala von ca. 4 bis maximal 6 möglichen Antwortstufen einzubauen und eine Spalte für „weiß nicht/keine Angabe“ mit aufzunehmen. Diese Spalte führt zu wichtigen Erkenntnissen, in welchen Bereichen die Mitarbeiter noch keine Aktivitäten wahrnehmen konnten und daher erhöhter Handlungsbedarf besteht.
Testen Sie den Fragebogen vor dem endgültigen Versand mit ein paar Mitarbeitern aus verschiedenen Fachbereichen. Auf diese Weise bekommen Sie nicht nur Erkenntnisse zur Ausfülldauer, sondern auch Feedback zu Verständlichkeit und Plausibilität der Fragen. So können zu diesem Zeitpunkt noch problemlos Korrekturen erfolgen.
Tipps aus der Praxis
Aus eigener Erfahrung kann ich folgende Tipps weitergeben:
• Kündigen Sie die Umfrage kurz vorher durch eine Mail der Geschäftsleitung an, weisen Sie auf die Bedeutung der Umfrage hin und dass eine absolute Anonymität gewährleistet ist.
• Erwähnen Sie danach die Umfrage auch auf der Startseite im Intranet des Unternehmens (soweit vorhanden) und unterstützen Sie den Aufmacher mit einigen weiterführenden Informationen und Links zum Thema Compliance.
• Hilfreich kann es auch sein, zeitgleich im Unternehmen zum Beispiel ein kleines Compliance-Quiz durchzuführen, um die Aufmerksamkeit für das Thema insgesamt zu erhöhen. Auf keinen Fall sollte die Gewinnmöglichkeit an die Teilnahme an der Umfrage gekoppelt sein. Allerdings lässt die Aussicht auf eine Belohnung die Umfrage in einem positiveren Licht erscheinen, ohne dass gleich der Eindruck entsteht, dass die Umfrageergebnisse hierdurch beeinflusst werden sollen.
• Eine Teilnahmequote von 50 Prozent ist absolut in Ordnung. Höhere Teilnahmequoten lassen sich nur schwer erzielen. Ein Zwang zur Teilnahme ist absolut abzulehnen.
• Die Umfrage sollte regelmäßig (am besten jährlich) in unveränderter Form wiederholt werden. So können die Ergebnisse im Zeitablauf festgestellt und die durch die Maßnahmen eingetretenen Veränderungen besser gewürdigt werden.