„Wir wollen der Ansprechpartner für die Fachfragen sein“

Bundeskongress Compliance Management

Herr Haase, derzeit läuft der nunmehr vierte Bundeskongress Compliance Management. Ist das für Sie als BCM-Präsident inzwischen schon ein wenig Routine?
Ja, man gewöhnt sich an alles. (lacht) Natürlich ist es ein Stück weit Routine. Das ist aber auch ganz schön. Mittlerweile kann man manche Sachen, die auf einem Kongress anfallen, einfach auch schneller erledigen. Aber dennoch ist es immer wieder spannend.

Es gibt also immer noch überraschende Elemente?
Überraschende Elemente zum Glück nicht, aber es ist tatsächlich jedes Mal anders. Und man weiß vorher ja nie, ob es gut wird.

Das Kongressthema lautet in diesem Jahr „Dialog“ warum hat sich der BCM für diesen Fokus entschieden?
Dialog ist ja nicht nur beschränkt auf den Dialog innerhalb des Unternehmens, sondern es geht auch um den Dialog mit externen Stakeholdern, seien es Aktionäre, Interessenvertretungen oder andere Institutionen. Dialog ist insofern als Wort offen, um alle möglichen Aspekte darunter zu vereinen, und das sowohl unternehmensinterne und -externe Kommunikation aber auch den Austausch zwischen den Compliance Verantwortlichen untereinander abbilden kann. Der Begriff ist damit ziemlich breit und fasst sehr schön alle die Themen zusammen, mit denen wir uns auf dem Kongress in diesem Jahr vertieft befassen.

Compliance Officer sind in der Regel in der Situation einerseits mit der Unternehmensleitung in Dialog zu treten, andererseits aber auch mit den Mitarbeitern unterhalb der Führungsebene zu kommunizieren. Wie weit ist das vergleichbar?
Naja, es sind ja beides Menschen. Insofern ist hier die Kommunikation nicht so verschieden. Wenn ich zum Beispiel schaue, wie ich persönlich mit meinen Vorstand und den Mitarbeitern kommuniziere, dann ist das nur in Teilaspekten unterschiedlich. In der Kernbotschaft unterscheiden sich Geschäftsleitungsdialog und der Dialog mit den Mitarbeitern nicht, mit der Geschäftsleitungsebene ist der Dialog meist etwas kürzer.

Wenn es darum geht, die Compliance-Regeln in das Unternehmen zu tragen, wie wichtig ist das dialogische Element im Sinne eines gleichwertigen Austausches in Schulungen?
Eine Compliance-Schulung muss in gewissen Teilen natürlich erst einmal frontal sein, weil man Wissen transportieren muss. Dann ist im Dialog zu überprüfen, ob das, was erklärt wurde, auch tatsächlich so angekommen ist, wie man es gemeint hat. Der Klassiker in Compliance ist: Sie gehen in eine Compliance-Schulung und sagen, du darfst Geschenke bis zu einem Betrag X annehmen und darüber hinaus brauchst du eine Genehmigung und ab einem bestimmten Betrag darfst du sie dann überhaupt nicht mehr annehmen. Wenn Sie dann am Ende der Schulung fragen, ob ein bestimmtes Geschenk angenommen werden darf, dann ist die Antwort immer „Nein“. Egal ob Sie zum Bespiel vorher über einen Betrag von X Euro als Grenzwert gesprochen haben. Im Dialog arbeiten Sie das Erläuterte quasi nach. Also prüfen erst einmal, ob das Geschenk zum Beispiel unter dem jeweiligen Grenzwert liegt oder darüber. Das ist dann der Dialog. Schranken abbauen und überprüfen, ob das, was man vorher gesagt hat, wirklich als Lerneffekt angekommen ist. Der Dialog ist ein Teil des Trainings, Teil des Lernprozesses, denn es entsteht eine Auseinandersetzung mit dem Thema.

Der BCM will auch als Interessenvertretung in den Dialog zur Politik treten und der Verband hat mit 820 Mitgliedern auch schon angesichts der doch eher kleinen Berufsgruppe ein gewisses Gewicht erreicht. Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung?
Die Durchdringung in der Berufsgruppe ist tatsächlich überproportional im Vergleich zu anderen Berufsverbänden. Das ist schon einmal ganz gut. Die Mitgliederzahl steigt stetig und es gibt keine großen Fluktuationen. Das heißt, entweder macht der Verband einen ganz guten Job, oder die Mitglieder sind zu faul, ihre Kündigung einzureichen. Ich hoffe mal, es ist der erste Aspekt (lacht). Wir sind aber natürlich ein Nischenverband. Die Strategie ist deshalb ganz klar, sich mit anderen Verbänden gemeinsam oder – wenn wir über die ganz großen Verbände sprechen – über sie zu positionieren, wir sind der Ansprechpartner für die Politik für Compliance-Fachfragen nicht mehr aber eben auch nicht weniger. Wenn es um Compliance geht oder ein konkretes Compliance-Thema von der Politik aufgegriffen werden soll, dann wird schon gefragt was denn der BCM eigentlich dazu sagt. Das ist eine Herausforderung, weil wir über das ehrenamtliche Engagement kaum Ressourcen dafür haben.

Wie äußert sich das?
Häufig sind solche Anfragen aus der Politik sehr kurzfristig zu beantworten. Sie haben vielleicht ein Zeitfenster von vier Wochen für eine Anhörung oder Sie sollen ein Statement abgeben. Da stößt das Ehrenamt an seinen Grenzen. Mit Glück haben wir eine Fachgruppe oder ein Einzelmitglied, welche(s) sich unvorhergesehen Zeit nehmen kann, oder es hat niemand Zeit, sich damit zu beschäftigen – so ist das in einem Verband mit inhouse-Kollegen ohne Berater, die sich über solche Stellungsnahmen nur allzu gerne profilieren oder ihren Einfluss in anderen Vereinen sichern.

Hinzu kommt die Abstimmung im Verband. Ein einzelner kann nicht einfach eine Stellungnahme für alle Compliance Officer abgeben. Das verzögert das Ganze dann. Damit ist das Ehrenamt nur bedingt geeignet, sich intensiv am politischen Diskurs zu beteiligen. Man muss sich die Fälle herausgreifen, in denen eine Stellungnahme wichtig ist – aber auch hier ist das Zeitfenster entscheidend.

Und wie steht es um das Engagement der Mitglieder im Verband selbst?
Das ist ganz unterschiedlich. Wir haben natürlich wie jeder Verband auch ein paar Karteileichen. Aber es wird besser. Das Engagement an sich nimmt zu. Es gelingt uns besser die Fachgruppen und die Regionalgruppen zu integrieren. Wir motivieren die Mitglieder besser zur Mitarbeit. Markus Walke hat viel dazu beigetragen, dass dies besser funktioniert. Es gibt aber auch Dinge, die sich verbessern, ohne dass wir einen direkten Einfluss darauf haben, dass beispielsweise Mitglieder von sich aus mit Ideen und Vorschlägen auf uns zukommen. Das sagen wir natürlich gerne „Ja“ und unterstützen über die Geschäftsstelle so gut wir können.

Welche Themen sehen Sie 2017 auf den Verband zukommen?
Wir haben uns in der Strategiesitzung mit vier Kernthemen befasst. Da wäre zum einen eine Kolumne, die wir auf unserer Webseite einführen werden. Das zweite ist die Säulenkommunikation, die wir verbessen wollen. Im Einzelnen heißt das, dass wir den Senioritätsgrad der Mitglieder in unserer Kommunikation besser berücksichtigen wollen, aber eben auch bei den Formaten, die wir anbieten. Das Dritte ist, sich politische Stellungnahmen intensiver danach anzuschauen, wo man sich da als Verband positionieren kann. Das passt auch ganz gut zur Wahlzeit. Mit der Vorbereitung, die wir jetzt machen, können wir dann ganz gut in die nächste Legislaturperiode einsteigen. Und last but not least unser Sommerfest. Die Komponente des Netzwerkens darf man nicht unterschätzen. Ganz im Gegenteil. Viele Kollegen kommen auf Konferenzen, um sich mit anderen inhouse Kollegen auszutauschen. Die Vorträge bilden also nur 60 bis 70 Prozent des Teilnahmeinteresses, der Rest ist der bilaterale Austausch. Im Präsidium diskutieren wir daher das Format eines Sommerfestes, in Frankfurt am Main. Für die Finanzierung brauchen wir aber einen oder mehrere Sponsoren – und nicht viele akzeptieren unsere strengen Regeln. Daher an dieser Stelle einen großen Dank an die Sponsoren des Bundeskongresses, welche sich an die BCM-Kongressregeln halten.

Mit Blick auf die Berufsgruppe, sehen Sie ein Themenfeld, dass die Profession noch nicht deutlich genug auf dem Schirm hat?
Wenn Sie mich das vor ein paar Jahren gefragt hätten, hätte ich Ihnen die aktuellen Compliance Skandale auch nicht voraussagen können. Ich weiß nicht, was als nächstes kommt. Was ich aber sagen kann, ist, dass das nächste Thema garantiert auch wieder nicht aus dem Bereich der klassischen Compliance kommt, sondern es wird wieder eine enttäuschte Erwartungshaltung von Anspruchsgruppen sein, die zum Skandal wird. Ob das dann im Finanzbereich ist, wegen legalen Steuervermeidungsstrategien, die nicht mehr als legitim wahrgenommen werden, dem Enttäuschen von Erwartungen, die durch CSR-reports geweckt wurden, oder ob das die Datenschutzgrundverordnung ist, die als Compliance-Thema definiert wird, kann ich nicht abschätzen. Was die Datenschutzgrundverordnung betrifft, gibt es einen Aspekt, der dafür spricht, dass es in Deutschland auf dem Tisch der Compliance Officer landet. Das ist die Entmachtung des Datenschutzbeauftragten durch die Hintertür. Diese Rolle des unabhängigen Datenschutzbeauftragten, die im deutschen Recht verankert ist, ist zumindest in der Grundverordnung so nicht vorgesehen. Dann haben Sie auch in Deutschland im Datenschutz ein reines Management-Thema – ein Compliance Management-Thema. Und dann stellt sich natürlich die Frage, ob der Datenschutz komplett in das Compliance Management integriert wird, wie es außerhalb von Deutschland in fast allen Ländern der Fall ist.

Zurück zur Gegenwart, wenn Sie den Kongress bis hierhin Revue passieren lassen, hat er Ihre Erfahrungen erfüllt.
Ich sehe ja immer nichts vom Kongress, weil ich ständig in parallelen Sitzungen bin. Ich freue mich das unsere Zertifikatsprüfung so gut angenommen wurde und zum Kongress kann ich nur sagen, wie das Feedback der Teilnehmer war: Durchweg sehr positiv.

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