Strafverfahren gegen Mitarbeiter: Vorsicht vor verfrühter Kostenübernahme!

Aufklärung, Recht, Gesetze & Urteile, Compliance

Geschäftsleiterpflichten und Rechtswidrigkeit von Vorabzusagen

Geschäftsleiter sind nach den einschlägigen Regelungen insbesondere des GmbHG und des AktG zum einen zur rechtstreuen Ausübung ihrer Tätigkeit verpflichtet und zum anderen dazu verpflichtet, organisatorische Vorkehrungen zu treffen, die rechtmäßiges Verhalten der Gesellschaft nach außen sicherstellen.

Vielfach diskutiert wurden in diesem Zusammenhang zuletzt die Einzelheiten einer Pflicht zur Einrichtung einer Compliance-Organisation. Nach herrschender Meinung richtet sich die erforderliche Ausgestaltung nach dem jeweiligen Einzelfall, verbindliche Vorgaben bestehen nicht. Ein wichtiger rechtlicher Anknüpfungspunkt ist die in § 130 OWiG enthaltene Regelung, wonach Geschäftsleiter die erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen zu treffen haben, um in dem Betrieb oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, welche den Inhaber treffen und deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist. Dem Geschäftsführer wird hier ein gewisser Beurteilungs- und Ermessensspielraum zugestanden.

Weniger diskutiert werden demgegenüber Fragen betreffend Pflichtverstöße aufgrund rechtswidriger Einzelentscheidungen von Geschäftsleitern. Im Rahmen der Legalitätspflicht indiziert der Gesetzesverstoß die Pflichtverletzung. Ein Ermessens- bzw. Handlungsspielraum des Geschäftsleiters entfällt, da solcher per se nur bei gesetzestreuem Verhalten bestehen kann. Sogenannte „nützliche Pflichtverletzungen“ werden nicht toleriert.

Für die Frage einer Kostenübernahme in Strafsachen bedeutet dies zum einen, dass der Geschäftsleiter die Sach- und Rechtslage zunächst prüfen muss. Unbeschadet der strafrechtlichen Rechtsprechung des BGH, wonach er im Fall einer solchen Kostenübernahme nicht wegen Strafvereitelung strafbar wird, sollte er erkennen, dass nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung jedenfalls die vorab erteilte Kostenzusage rechtswidrig bzw. sittenwidrig ist, was bei einer Kostenzusage vor der späteren Begehung der Tat unmittelbar einleuchtet und im Falle späterer Kostenzusagen letztlich mit der Einheit der Rechtsordnung begründet wird.

Vor dem Hintergrund der oben genannten Organisationspflicht wird man den Geschäftsleiter zum anderen als verpflichtet ansehen müssen, etwaige insbesondere strafrechtsrelevante (Gesetzes-)Verstöße nicht zu tolerieren, sondern derartigen Hinweisen nachzugehen und den jeweiligen Sachverhalt zu prüfen, bevor eine (verbindliche) Kostenzusage erfolgt. Vor einer abschließenden Prüfung des Sachverhalts, die im Normalfall wohl erst nach Abschluss des Straf- bzw. Strafermittlungsverfahrens erfolgen kann, kann daher eine unbedingte (d.h. ohne den Vorbehalt der abschließenden Prüfung des Vorgangs auf etwaige Pflichtverletzungen) erteilte Kostenzusage bereits einen Pflichtverstoß darstellen. Plausibel wird dies durch die Überlegung, dass eine unreflektierte Tolerierung eventuellen Fehlverhaltens dem Compliance-Gedanken zuwiderläuft. Wegen der Organisationspflicht des Geschäftsleiters, Vorkehrungen zur Sicherung des gesetzmäßigen Verhaltens der Gesellschaft zu treffen, kann sich der Geschäftsleiter nicht ohne Weiteres auf die aus Sicht des Strafrechts anerkannte Möglichkeit berufen, rein tatsächlich bzw. aufgrund einseitiger Maßnahme bzw. Erklärung die dem Mitarbeiter auferlegte Strafzahlung zu übernehmen.

Vielfach wird der Rechtsanwender auf Probleme bei der Aufklärung des Sachverhaltes (Lag ein rechtswidriges vorwerfbares Verhalten des Mitarbeiters vor?) und der Rechtslage (Welchen Verpflichtungen unterlag der Mitarbeiter im Rahmen seiner Tätigkeit bzw. bestand die vonseiten der Staatsanwaltschaft etc. behauptete Pflicht bzw. liegt im Rechtssinne ein Pflichtverstoß vor?) treffen. Im Einzelfall mag es daher besondere Rechtsgründe für eine frühzeitige Kostenzusage geben, wenn etwa der behauptete Umfang der Pflichten der Mitarbeiter weder aus Gesetz noch Rechtsprechung klar erkennbar war, also faktisch eine unklare Rechtslage besteht, die sich im Verhältnis zwischen Mitarbeiter und Unternehmen und vor dem Hintergrund der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers nicht zulasten des Mitarbeiters auswirken darf.

Die Rechtmäßigkeit einer Zusage ist auch dann nicht (mehr) zweifelhaft, wenn aus dem Arbeitsvertrag bereits ein fälliger durchsetzbarer Anspruch des Arbeitnehmers auf Übernahme der Kosten besteht. Arbeitnehmer und auch Geschäftsleiter selbst haben grundsätzlich Anspruch auf Erstattung solcher Kosten, die im Zusammenhang mit der dienstlichen Aufgabenwahrnehmung stehen. Bei einem Geschäftsführer ist solcher Anspruch jedoch ausgeschlossen, wenn er Pflichten verletzt hat (Legalitätspflicht). Bei Arbeitnehmern besteht ein Anspruch jedenfalls dann nicht, wenn vorsätzlich arbeitsvertragliche Pflichten verletzt worden sind. Vor einer Feststellung solcher eventueller Pflichtverletzung kann die Gesellschaft jedoch aus ihrer Fürsorgepflicht heraus verpflichtet sein, zumindest Vorschüsse für die Strafverteidigung zu zahlen.

Rechtsfolgen eines Pflichtverstoßes

Verstößt der Geschäftsleiter gegen die o.g. Prüfungspflicht und werden die Strafzahlung bzw. die Kosten des Strafverfahrens aufgrund einer rechtswidrigen Kostenübernahmezusage vom Unternehmen getragen, stellt dies nicht nur einen zur Abberufung des Geschäftsleiters berechtigenden Pflichtverstoß dar, sondern sind auch Erstattungsansprüche der Gesellschaft gegen den Geschäftsleiter denkbar. Hier können sich im Einzelfall schwierige Fragen der Exkulpation und insbesondere der Bezifferung eines weitergehenden Schadens ergeben. Auch ein Verstoß gegen § 130 OWiG dürfte jedenfalls in systemischen Fällen denkbar sein.

Handlungsempfehlung

Vor dem Hintergrund der Compliance-Pflichten wirft eine umfassende vor Verfahrensabschluss bzw. abschließender Prüfung erteilte Kostenübernahmezusage prinzipielle Probleme auf, da die Sanktionsmechanismen etwaig anwendbarer und ggf. umgangener Verbotsgesetze planmäßig ausgehebelt würden. Es lässt sich nur schwer darstellen, dass eine Gesellschaft, deren Geschäftsleiter und Mitarbeiter verpflichtet sind, sich an geltendes Recht zu halten, diesen vor Abschluss der behördlichen Ermittlungen und unabhängig vom Ausgang der Verfahren die Übernahme etwaiger Geldstrafen zusagt, die nur im Fall von Pflichtverletzung und Schuldnachweis ergehen können. Geschäftsleiter sollten daher umfassend prüfen und bei der Entscheidung zur Kostenübernahme ihre Organisationspflicht zur Sicherstellung von Compliance im Unternehmen berücksichtigen, insbesondere soweit Arbeitnehmern (noch) kein durchsetzbarer arbeitsrechtlicher Erstattungsanspruch zusteht

Dr. Andrea Reichert-Clauß, LL.M.

Rechtsanwältin Dr. Andrea Reichert-Clauß, LL.M. (Univ. of London) ist seit mehr als zehn Jahren auf die Beratung von nationalen und internationalen Unternehmen im Bereich des Gesellschaftsrechts/M&A sowie des Kartellrechts fokussiert. Im Rahmen Ihrer Tätigkeit im Berliner Büro der Wirtschaftskanzlei BMH BRÄUTIGAM & Partner liegt ein besonderer Schwerpunkt auf der Beratung von Unternehmen und Organen zu allen Fragen der Compliance.

Kontakt:  andrea.reichert-clauss@bmh-partner.com

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