Pauschalierter Kartellschadensersatz in AGB

Kartellrecht

Mit der zunehmenden Verfolgung von kartellrechtswidrigem Verhalten, sehen sich die Kartellanten im Anschluss an eine Bebußung häufiger auch den Forderungen ihrer geschädigten Geschäftspartner nach Schadensersatzzahlungen ausgesetzt. Wie die Praxis zeigt, ist die Berechnung des aus einem kartellrechtswidrigen Verhalten konkret entstandenen Schadens vielfach eine komplizierte und aufwendige Angelegenheit. Dabei können die eingetretenen Schäden die Summe der behördlichen Bußgelder, die sich oftmals bereits in Millionenhöhe bewegen, gar übersteigen. Hinzu kommen nach Jahren häufig signifikante Zinszahlungen.

Auswirkungen der neuen EU-Richtlinie über Kartellschadensersatzklagen
Bedeutende Veränderungen für kartellrechtlich begründete Schadensersatzklagen, wenn nicht sogar die Schaffung eines Sonderrechts für kartellrechtliche Klagen, zeichnen sich durch das Inkrafttreten der EU-Richtlinie Ende Dezember 2014 ab. Diese resultieren aus der unmittelbaren Umsetzungspflicht für den deutschen Gesetzgeber bis Ende 2016. Ziel der Richtlinie ist die Durchsetzung des Kartellrechts durch Private zu fördern, indem insbesondere die Durchsetzung von Kartellschadensersatz deutlich vereinfacht werden soll. Gegenwärtig noch bestehende rechtliche Hürden sollen abgebaut werden (u.a. Vereinfachung des Zugangs zu Beweismitteln für die Opfer bzw. Verlängerung des Zeitraums für die Geltendmachung der Forderungen). Die Richtlinie zielt mithin auf eine wirksamere Durchsetzung des EU-Kartellrechts insgesamt ab, indem das Zusammenspiel zwischen privaten Schadensersatzklagen und öffentlicher Kartellrechtsdurchsetzung durch die Kartellbehörden verbessert werden soll, ohne die Attraktivität der Instrumente der europäischen und nationalen Wettbewerbsbehörden wie die Kronzeugenregelung und die Möglichkeiten eines Vergleichs mit der Kartellbehörde (sog. Kartellsettlement) zu beschneiden.

Pauschalierter Kartellschadensersatz in AGB
Der deutsche Gesetzgeber hat die private Durchsetzung von kartellrechtlichen Schadensersatzansprüchen im Zuge der 7. GWB-Novelle bereits deutlich gestärkt. Für die Gerichte ist der durch eine Behörde festgestellte Kartellverstoß daher bereits schon jetzt bindend (vgl. § 33 Abs. 4 GWB). Die Tatbestandswirkung des § 33 Abs. 4 GWB erfasst den behördlichen Kartellverstoß, nicht jedoch die weiteren Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs, wie den Schadensumfang und die Schadenskausalität. Diese weiteren Voraussetzungen sind vom Geschädigten (Geschäftspartner) darzulegen und zu beweisen, was in der Praxis ein schwieriges Unterfang darstellen kann. Der Nachweis der konkreten Schadenshöhe wird dem Kartellgeschädigten regelmäßig aufgrund der vorhandenen Informationsasymmetrien zwischen Kartellgeschädigten und Kartelltätern bei Schadensersatzklagen nach Kartellverstößen (Follow-on Klagen) kaum gelingen.

Eine mögliche und zugleich erfolgversprechende Lösung ist die Aufnahme einer vorbeugenden Kompensationsregelung für den Fall des kartellwidrigen Verhaltens des Vertragspartners in den Einkaufs- und Lieferungsbedingungen. Der praktische Vorteil liegt hierbei auf der Hand: Der Kartellant muss nun bewiesen, dass der entstandene Schaden tatsächlich niedriger ist als der für den Fall eines Verstoßes gegen das Kartellrecht zwischen den Parteien vereinbarte Schadensersatzanspruch. Eine solche vorweggenommene Schadensschätzung und die damit bewirkte Beweislastumkehr werden als sog. pauschalierter Schadensersatz verstanden. Im geltenden Zivilrecht ist die Möglichkeit eines „pauschalierten Schadensersatzes“ lange schon etabliert (vgl. 309 Nr. 5 BGB). Diese lässt sich auch auf kartellrechtlich geprägte Sachverhalte anwenden. Dabei muss die Regelung jedoch einerseits mit dem deutschen AGB-Recht und andererseits mit dem geltenden Kartellrecht in Einklang stehen. Mithin ist die Vereinbarkeit der pauschalierenden Schadensersatzklausel mit den kartellrechtlichen Besonderheiten entscheidend. Genau hieran scheitert es in der Praxis aber häufig.

Bisherige Entscheidungspraxis
Die Beurteilung der Wirksamkeit einer pauschalisierten Schadensersatzklausel ist umstritten und durch gegenläufige Gerichtsentscheidungen charakterisiert. Dies zeigt auch die jüngste Entscheidung des LG Berlins (Urteil vom 16.12.2014), die im Widerspruch zu der Entscheidung des LG Potsdam steht (Urteil vom 22.10.2014). Das Kernproblem ist die Frage, ob der vereinbarte pauschalierte Schadensersatz dem zu erwartenden Schaden entsprach, es geht um die Auslegung des „typischen Schadens“ in § 309 Nr. 5 Ziff. a) BGB. Während das LG Berlin eine „konkrete“ Auslegung wählte, geht das LG Potsdam davon aus, dass die Schadenspauschalierung „abstrakt“ bei allen denkbaren Varianten eines Kartellrechtsverstoßes angemessen sein müsse. Diese gegenläufige Entscheidungspraxis führt zu großer Rechtsunsicherheit für alle Verwender derartiger Klauseln.

Insbesondere aufgrund der bestehenden Schwierigkeit der Feststellung der Schadenshöhe bei Kartellverstößen besteht aber ohne Zweifel ein praktisches Bedürfnis sich als Geschädigter durch solche pauschalen Klauseln zu schützen. Eine höchstrichterliche Klärung dieser Frage durch den Bundesgerichtshof ist dringend geboten. Abgesehen von diesen Rechtsfragen ist bei der Verwendung derartiger Klauseln auch das sonstige AGB-Recht zu beachten, um das Scheitern solcher Klauseln auch aus anderen Gründen (z.B. aufgrund des zu weiten Wortlauts) zu vermeiden. Zum Schutz vor kartellrechtswidrigen Verhaltensweisen sollte jedes Unternehmen sich daher unbedingt mit seinen eigenen Einkaufs- und Lieferbedingungen auseinandersetzen. Eine durchdachte Regelung kann im Ernstfall zu erheblichen Rückzahlungen wegen kartellrechtswidrigen Verhaltens führen und Prozesskosten sparen.

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