Neues zur Korruptionsbekämpfung im Gesundheitswesen

Korruption

Mit Gesamtausgaben von rund 328 Mrd. Euro im Jahr 2014 (Quelle: Statistisches Bundesamt) ist das deutsche Gesundheitswesen ein bedeutender Markt für Pharmaindustrie, Medizintechnik, Krankenhäuser sowie Mitarbeiter in Krankenhäusern oder Gesundheitspraxen. Rund 192 Mrd. Euro (58,5 Prozent) dieser Ausgaben wurden von den gesetzlichen Krankenkassen geleistet. Nach Berechnungen des European Healthcare Fraud and Corruption Network (EHFCN) gehen in Deutschland jährlich mehr als 13 Mrd. Euro durch Missbrauch und Fehlverhalten im Gesundheitswesen verloren. Dies bedeutet ein Schadenspotential von rund vier Prozent der Gesamtausgaben im Gesundheitswesen. Betrachtet man nur die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherungen, sind es sogar mehr als sechs Prozent. Mit dem Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen vom 30. Mai 2016 trägt der Gesetzgeber dem hohen Schadenspotenzial Rechnung und weitet die Bemühungen bei der Korruptionsbekämpfung weiter aus.

Verschärfung der Sanktionen gegen Branchenteilnehmer

Das neue Gesetz beinhaltet folgende wesentliche Änderungen:

  1. Ausweitung der Korruptionsverfolgung insbesondere gegen niedergelassene Ärzte und Vertragsärzte („Nehmerseite“)

    Bisher waren niedergelassene, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassene Ärzte bei Wahrnehmung der ihnen in diesem Rahmen übertragenen Aufgaben weder als Amtsträger noch als Beauftragte der gesetzlichen Krankenkassen erfasst worden. Daher waren Korruptionstatbestände des Strafgesetzbuchs für niedergelassene Vertragsärzte grundsätzlich nicht anwendbar. Dies wurde im Gesetz nun geändert. Danach werden auf der so genannten Nehmerseite alle Angehörigen von Heilberufen erfasst, die für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordern. Dazu gehören neben Ärzten, Zahnärzten und Apothekern auch Tierärzte, Psychologische Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendpsychotherapeuten sowie Gesundheitsfachberufe wie Gesundheits- und Krankenpfleger, Ergotherapeuten, Logopäden und Physiotherapeuten (nachfolgend zusammenfassend als „Gesundheitspraxen“ bezeichnet), deren Ausbildung ebenfalls gesetzlich geregelt ist.

    Die Annahme von Vorteilen ist allerdings erst dann unter Strafe gestellt, wenn sie als Gegenleistung für eine Bevorzugung im Wettbewerb im Zusammenhang mit der Verordnung und dem Bezug von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten erfolgt. Als Beispiel hierfür werden Kick-Back-Zahlungen von Pharmaunternehmen an Ärzte als Gegenleistung für die Verordnung von Medikamenten dieses Unternehmens oder „Kopfgelder“ für die Zuweisung von Patienten an ein bestimmtes Krankenhaus genannt.
     

  2. Auswirkungen auf die „Geberseite“

    Nach dem neuen Gesetz kann jede Person Täter einer Bestechung sein. Hintergrund dieser Überlegungen war eine Grundsatzentscheidung des BGH aus dem Jahr 2012, in der eine Pharmareferentin Prämien an Vertragsärzte zahlte, um diese zur bevorzugten Verordnung bestimmter Präparate zu veranlassen. Die Prämienzahlungen wurden von den Beteiligten als angebliches Honorar für fiktive wissenschaftliche Vorträge ausgewiesen. Da Patienten sich nicht darauf verlassen können, dass die Verordnungsentscheidung tatsächlich auf medizinischen Erwägungen beruht und der Wettbewerb durch eine unzulässige Einflussnahme bei der Verordnungsentscheidung beeinträchtigt wird, wurde dieser Sachverhalt als strafwürdig erachtet.

Änderungsbedarf in Bezug auf Risikobewertung und Maßnahmen

Die Einführung des Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen hat für Unternehmen und Gesundheitspraxen folgende wesentliche Konsequenzen mit Auswirkungen auf das Compliance Management System:

  1. Unternehmen der Pharmabranche und der Medizintechnik müssen das Risiko bei Geschäften mit Angehörigen der Heilberufe neu bewerten. Was bisher für Transaktionen mit Krankenhäusern galt, ist auf sämtliche Geschäfte mit Angehörigen von Heilberufen auszuweiten. Dafür ist neben einer Klassifizierung der Kunden aus der Gruppe der Heilberufe erforderlich, mit Hilfe von entsprechenden Richtlinien und Anweisungen für die Mitarbeiter der Unternehmen eine entsprechende Prozesssicherheit zu schaffen.
     
  2. Gesundheitspraxen stehen vor der Herausforderung, mit entsprechendem administrativem Aufwand in nachvollziehbarer Weise und auf Basis der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse Kauf- und Verschreibungsentscheidungen über Heilmittel und medizinische Geräte zu dokumentieren.
     
  3. Sowohl in Unternehmen der Pharmabranche und der Medizintechnik als auch in Gesundheitspraxen ist es wichtig, die Mitarbeiter über diese Korruptionsrisiken zu informieren. Dazu gehört neben den zulässigen und nicht zulässigen Geschäftspraktiken auch die Sensibilisierung von Mitarbeitern im Umgang miteinander, um die Möglichkeit von Meldungen mit Korruptionsverdacht durch Patienten auf Seiten der Unternehmen und Gesundheitspraxen zu reduzieren.

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