Licht ins Dunkel

Prävention

Für die Compliance-Abteilung ist das Kartellrecht eines der wichtigsten Rechtsgebiete. Kartellverstöße können weltweit erhebliche und existenzbedrohende Sanktionen zur Folge haben. Neben hohen Bußgeldern und Strafzahlungen gegen Unternehmen und verantwortliche Personen drohen auch Gefängnisstrafen, Vergabesperren, Nichtigkeit und Rückabwicklung, Schadensersatzprozesse, Reputationsverlust, hohe Verfahrenskosten und weiteres Ungemach.

Wie Kartelle ­identifizieren?

Hinweise auf einen möglichen Kartellverstoß innerhalb des Unternehmens erhält die Rechts- oder Compliance-Abteilung entweder durch den unangekündigten Besuch der Behörden, oder durch Hinweise von Mitarbeitern, oft auch im Rahmen oder im Anschluss von Compliance-Schulungen, durch Anfragen über die Compliance-Hotline oder Meldungen über ein Whistleblower-System. Neben solchen internen Hinweisen kommen auch externe Quellen in Betracht, etwa ehemalige Mitarbeiter, externe Nutzer des Whistleblower-Systems, oder Lieferanten und Kunden. Darüber hinaus werden Kartellsachverhalte nicht selten durch Compliance- oder spezielle Kartell-Compliance Audits entdeckt. Insoweit ist zwischen anlassbezogenen und nicht anlassbezogenen Audits zu unterscheiden.

Insbesondere nicht anlassbezogene Audits bereiten in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten, obgleich sie mittlerweile zwingend und regelmäßig durchzuführen sind. Die Rechtsprechung verlangt stichprobenartige Kontrollen als erforderliche Aufsichtsmaßnahmen im Sinne des § 130 OWiG. Gleich ob ein Verdacht besteht, ein solcher Kartellrechts-Audit muss gut vorbereitet werden. Sinnvoll ist auch eine Auswertung der elektronischen Kommunikation anhand von bestimmten Suchwörtern, so dass auch an die Mitbestimmung und den Datenschutzes zu denken ist. Das bedeutet, dass Betriebsrat und Datenschutzbeauftragte mit einzubinden sind.

Viele Mitarbeiter haben bereits die eine oder andere Compliance-Schulungen hinter sich, so dass ihnen oft bewusst ist, was kartellrechtlich zumindest klar und deutlich verboten ist. Deshalb werden nur noch wenige Kartellabsprachen schriftlich dokumentiert oder gar in E-Mails verewigt. Insofern kommt es sehr auf eine gute Vorbereitung und die richtige Interviewtechnik an. Gegebenenfalls sollte das mit einem unternehmensinternen Amnestieprogramm verbunden werden, dem durchaus nicht unproblematischen Versprechen, auf arbeitsrechtliche Sanktionen und der Geltendmachung von Regressansprüchen zu verzichten.

Die typischen kartellrechtlichen Minenfelder, die sogenannten Hardcore-Kartelle, sind meist bekannt. Dies sind etwa Absprachen zwischen Wettbewerbern über Preise oder Produktionsmengen sowie die Aufteilung von Absatzgebieten oder Kundengruppen. Zudem gilt das Kartellverbot selbstverständlich auch für Vereinbarungen zwischen Unternehmen auf unterschiedlichen Marktstufen, zwischen Nichtwettbewerbern. So sind etwa Absprachen zwischen Herstellern und Händlern – oder anderen Marktteilnehmern innerhalb der Lieferkette – über die Endverkaufspreise beziehungsweise Preise einer anderen Vertriebsstufe verboten. Zulässig sind in diesem Verhältnis lediglich unverbindliche Preisempfehlungen (UVP). Insoweit führen insbesondere die Unverbindlichkeit und begleitende Maßnahmen in der Praxis oft zu erheblichen Unsicherheiten. Zumal auch in diesem Bereich in den vergangenen Jahren hohe Bußgelder verhängt wurden. Insgesamt stehen auch vertikale Sachverhalte zunehmend im Fokus der Kartellbehörden, nicht nur im Bereich der Diskriminierung des Internetvertriebs.

Das Risikoprofil

Wichtig ist es, ein kartellrechtliches Risikoprofil zu erstellen. Maßgeblich geklärt werden müssen dabei zunächst die sachlich und räumlich relevanten Märkte, sowie Fragen der Marktkonzentration, Marktzutrittsschranken, Marktanteile, Fragen nach Produktzyklen, Entwicklung, Innovation, Technologie und Produktion, Kooperationen oder Gemeinschaftsunternehmen mit Wettbewerbern und ähnlichem. Ein Wettbewerbsumfeld, in dem die Anzahl der Wettbewerber gering und überschaubar ist und sich die maßgeblichen Personen gut und lange kennen, begünstigt Absprachen grundsätzlich. Auch deshalb sollte in diesen Fällen genauer hingesehen werden. Darüber hinaus können grundsätzlich auch andere Vereinbarungen und Kooperationen, insbesondere auch Marktinformationssysteme, kartellrechtlich hoch problematisch sein.

Nicht alle Kartellsachverhalte sind offensichtlich wie etwa Preis- oder Submissionsabsprachen. Auch Bezugsbindungen, Exklusivität, Preisdiskriminierung oder die Geltendmachung und Durchsetzung gewerblicher Schutzrechte sind in die Liste relevanter kartellrechtlicher Gefahrenzonen aufzunehmen.

Die richtigen ­Kandidaten und die ­richtige Fragestellung

Aber wie können Kartellrechtsrisiken mangels Dokumentation identifiziert werden? Und wer kommt als potenzieller „Täter“ in Betracht? Tatsächlich lassen sich in der Praxis Kartelltäter auf allen Ebenen finden, von der obersten Führungsspitze bis weit darunter. Auf Grund der Machtverteilung im Unternehmen besteht zudem die Gefahr, dass organisatorische Gegebenheiten genutzt werden, um Verantwortlichkeit „unten zu halten“. Andererseits geht es nicht immer nur um den Preis, Kunden oder Gebiete, auch Absprachen auf tieferer Ebene etwa zur Technik, zum Design, der verwendeten Teile, des Materials, oder von Konditionen oder anderer relevanter Parameter können eine wichtige Rolle spielen. Je kleiner ein Unternehmen ist, desto eher ist potenziell die Führungsspitzte involviert, aber auch diese Erkenntnis ist nicht in Stein gemeißelt.
Im Rahmen der Interviews sind manchmal einfache Fragen höchst aufschlussreich, so könnten etwa auch die folgenden Fragen anlässlich konkreter Vorgänge gestellt werden:

•    Warum vereinbaren beziehungsweise machen Sie das so?
•    Was ist der Grund dieses Vertrags, der Absprache beziehungsweise der Maßnahme?
•    Was bezwecken Sie und welche Folgen wird dies für unser Unternehmen haben, für den Wettbewerb, für die Industrie und den Konsumenten haben?

Gerade die Antworten von Nichtjuristen auf Fragen dieser Art können Alarm auslösen und weitere Nachforschungen notwendig machen. Bei den zuvor formulierten Fragen etwa diese Antworten: „um den Wettbewerb auszuschalten“, „um Preise zu stabilisieren“, „um Marktzutrittsschranken zu erhöhen“, „um unsere Marktstärke zu nutzen“ bzw. „unsere Muskeln zu zeigen“.

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