Kein Grund zur Freude

BCM-Studie zum Fremdbild

Welcher Compliance Officer wollte nicht schon immer wissen, was die Führungskräfte über seine Arbeit denken? Einen Einblick erlaubt jetzt eine aktuelle Studie „Wie sehen Führungskräfte in Deutschland den Compliance Manager? Eine Fremdbildstudie über den Beruf des Compliance Managers 2014“, die Ende 2014 vom Berufsverband der Compliance Manager (BCM) herausgegeben wurde. Ziel war es, herauszufinden, wie die Compliance-Funktion durch die Manager in den Unternehmen wahrgenommen wird.

Verdichtet lassen sich die Ergebnisse auf einen Nenner bringen: Die Führungskräfte wissen auch nicht so recht, was sie von Compliance-Arbeit halten sollen. Darauf weisen relativ hohe Prozentzahlen bei den neutralen Antworten hin oder auch, dass es äußerst wenig Extremwerte gibt. Dazu ein Beispiel mit der Verortung der Funktion des Compliance Officers. Wie man bei der Abbildung 7.01 sehen kann, wurden die Führungskräfte gefragt, wie sie die Rolle des Compliance Officers in ihrer Organisation sehen:

Gerade einmal 21,7 Prozent der rund 1.200 Befragten sehen im Compliance Manager einen Berater von Vorstand und Geschäftsführung. Jeweils rund 21 Prozent denken bei Compliance Manager an einen „Aufklärer“ beziehungsweise „Übersetzer“. Weil Mehrfachnennungen möglich waren, zeigt die Grafik lediglich eine Tendenz. Die niedrigen Zustimmungsquoten sind dabei nur ein Beispiel unter vielen. „Das spricht eher dafür, dass die befragten Führungskräfte sich bezüglich der Funktion des Compliance Officers nicht wirklich positionieren können oder wollen“, sagt Mirko Haase, Präsident des Berufsverbandes der Compliance Manager (BCM).

Es gibt aber auch gute Nachrichten: Compliance wird von den Führungskräften – zumindest von zwei Dritteln der Befragten – nicht als „Geschäftsverhinderer“ wahrgenommen. Eher sehen sie darin eine Managementfunktion, die überall im Unternehmen verankert werden sollte (77,3 Prozent). Ein weiteres Beispiel ist, dass die befragten Führungskräfte schon der Meinung sind, dass Compliance einen relevanten Einfluss auf strategische Unternehmensentscheidungen (45 Prozent Zustimmung gegen 28 Prozent Ablehnung) besitzt. Auch stimmen fast 60 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass Compliance grundsätzlich einen höheren Einfluss auf betriebswirtschaftliche Unternehmensentscheidungen haben sollte; lediglich 16 Prozent sehen das als nicht notwendig an.

Viel Raum zur ­Weiterentwicklung

Interessant sind aber natürlich solche Aspekte in der Studie, die einen Weg zur Weiterentwicklung aufzeigen, also wo die Compliance Organisation nicht so gute Bewertung bekommt. So mussten die Führungskräfte bei der Umfrage die Compliance Abteilung unter anderem bezüglich der ausgewählten Aufgaben, des Informations- und Kommunikationsverhaltens, der strategischen Position und des Einflusses auf betriebswirtschaftliche Entscheidungen bewerten. Aber auch die Compliance Manager selbst standen im Mittelpunkt. Hier sollten die Führungskräfte ihre Meinung unter anderem bezüglich ihrer fachlichen und qualitativen Fähigkeiten benennen und angeben, wie zufrieden sie mit ihrer persönlichen Leistung und der Leistung der Compliance Abteilung sind.

Jetzt wird es persönlich

Nehmen wir zuerst den Compliance Manager in den Blick. Die befragten Führungskräfte sollten zunächst beurteilen, wie wichtig sie eine bestimmte fachliche und qualitative Fähigkeit bei einem Compliance Manager halten. Danach wurden sie gebeten, einzuschätzen, wie es um diese fachlichen und qualitativen Fähigkeiten bei ihrem unternehmenseigenen Compliance Officer bestellt ist. In der Abbildung 7.04 wurden die Ergebnisse der Einschätzung der fachlichen Fähigkeiten, in der Abbildung 7.08 die der qualitativen Fähigkeiten dargestellt. In fast allen Punkten bleibt die tatsächliche Einschätzung der Fähigkeiten des jeweiligen Compliance Officers hinter der normativen Bedeutung, die dieser Fähigkeit beigemessen wird, zurück. Ausgerechnet bei betriebswirtschaftlichen Kenntnissen scheinen die Compliance Officer in etwa diesem normativen Anspruch zu genügen.

Diese beiden Abbildungen verdeutlichen, dass ausgerechnet in den ureigenen Bereichen der Compliance – also bei den rechtlichen Kenntnissen und der Kommunikation – die Diskrepanz zwischen fachlichem und qualitativem Anspruch und der Realität bei der Berufsausübung am deutlichsten ist. Dabei bedingen sich diese beiden Fähigkeiten – rechtliche Kenntnisse und die Kommunikation – hier gegenseitig: gibt es Mängel in der Kommunikation, dann kann man auch nicht überzeugend vermitteln, dass solide rechtlichen Kenntnisse durchaus vorhanden sind und diese wiederum verständlich und kompetent den Mitarbeitern erklärt werden können.

Interessant ist auch, dass nahezu 60 Prozent der Befragten die Führungsqualität eines Compliance Officers für wichtig halten, während wohl nur 46 Prozent diese Führungsqualität bei ihren eigenen Compliance Officern vorfinden können (und knapp 38 Prozent der Befragten enthielten sich bei diesem Punkt überhaupt jeder Meinung). Dabei ist die Fähigkeit zu führen gerade bei den Compliance Officern sehr wichtig. „Liest man sich die Bafin-Unterlagen zur Einordnung der Position des Chief Compliance Officers durch, dann stellt man fest, dass es sich immer um eine Führungsposition handelt. Leider wird ein Chief Compliance Officer häufig nicht so wahrgenommen“, so der BCM-Präsident Mirko Haase. „Das liegt wahrscheinlich daran, dass ein Chief Compliance Officer keine klassische Rolle im Unternehmen hat. Der CCO ist sozusagen die verkannte Führungskraft.“

Wenig überraschend ist es, dass die befragten Führungskräfte mit der Arbeit der Compliance Manager nicht wirklich zufrieden sind. Überträgt man die Bewertung ins Schulnotensystem, kann man gerade noch von befriedigend sprechen. Die Abbildung 7.12 verdeutlicht das.

Nicht wirklich attraktiv

Gehen wir weg vom Persönlichen und schauen wir uns an, wie die Führungskräfte gegenüber der Compliance- Abteilung beziehungsweise Compliance-Organisation eingestellt sind. An einer Stelle der Umfrage sollten die Führungskräfte die Erfüllung bestimmter Compliance-Aufgaben bewerten. Darunter waren attraktive und notwendige Schulungen, zielgerichtete Hilfe in Compliance-Fragen, anonyme Anzeige von Verfehlungen, Aktualität der Compliance-Richtlinien, diskrete und kompetente Untersuchungen sowie effiziente Zusammenarbeit mit Abteilungen. Die Ergebnisse dazu sehen Sie in der Abbildung 6.08.

Nun, natürlich könnte man es für ein tolles Ergebnis halten, dass 45,5 Prozent der Befragten zugestimmt haben, ihre Compliance-Abteilung führe attraktive und notwendige Schulungen durch. Und gleich danach könnte man auch vor dem Ergebnis die Augen verschließen, dass 31,8 Prozent der Befragten es anders sehen und 22,7 Prozent dazu überhaupt nichts sagen wollten. Zusammen genommen sind das aber 54,5 Prozent. Aber sieht man es in Relation dazu, wie die anderen Aufgaben bewertet wurden, zum Beispiel „Zielgerichtete Hilfe in Compliance-Fragen“ oder „Aktuelle Compliance-Richtlinien“, dann kann man diese 45,5 Prozent dann doch nicht mehr schönreden. Vor allem die Zufriedenheit mit dem Schulungsangebot der Compliance-Abteilungen fällt deutlich hinter die anderen Bereiche zurück. Das ist kein gutes Zeugnis für die Compliance Officer – ist doch gerade das Compliance-Training einer der Kernbereiche von Compliance.

Da hilft es wenig, eine Rechtfertigung darin zu sehen, dass es sich um Schulungen mit juristischem Inhalt handelt, die tendenziell trocken und uninteressant sind. Auf dieses Argument sollte man sich aus Eigeninteresse nicht zurückziehen. Gerade die Inhalte der Compliance-Schulungen können durchaus sehr spannend präsentiert werden, man muss nur wissen wie.

Und da wir schon dabei sind – auch die Bewertung der Information und Kommunikation der Compliance-Organisation offenbart viel Verbesserungspotenzial. Bei der Abbildung 6.13 wurden die befragten Führungskräfte um die Bewertung folgender Aussagen gebeten:

a.    Umfassende Information über das gesamte Leistungsprogramm der Compliance-Abteilung.
b.    Regelmäßige, zeitnahe und zielgruppenspezifische Informationen über Projekte, Neuerungen und Gesetzesänderungen.
c.    (Persönliche) Kenntnis des Ansprechpartners in der Compliance-Abteilung.

Und so sah das Ergebnis aus:

Schaut man diese Abbildung 6.13 genauer an, dann stellt man fest, dass es hier für die Compliance Officer wenig Grund zur Freude gibt. Zählt man die Prozentzahlen der neutralen Aussagen mit den ablehnenden Aussagen zusammen, dann ergibt sich, dass bei circa 50 Prozent der Führungskräfte die Aussagen nicht auf Zustimmung stoßen. „Offensichtlich fühlt sich eine große Gruppe über das Leistungsspektrum der Compliance-Abteilung nicht angemessen informiert“, so der Kommentar der Studienautoren.

Durch welche Kommunikationskanäle werden die Führungskräfte überhaupt von den Compliance Officern ihres Unternehmens erreicht? Ganz vorne liegt das Intranet, gefolgt von Direktinformationen, Führungskräfte-Meetings und dem Compliance-Bericht (Abbildung 6.15).

Das Interessante zeigt aber die Übersicht in der Abbildung 6.16: Sie veranschaulicht, dass der Schwerpunkt der Kom­munikationsinstrumente sich von Branche zu Branche unterscheidet.

Ausgerechnet in der Informations- und Kommunikationsbranche werden vergleichsweise wenige Kommunikationsinstrumente intensiv genutzt. Der Schwerpunkt der Compliance-Kommunikation liegt hier auf dem Intranet. Es gibt aber eine Überraschung: Das breiteste Spektrum an Kommunikationskanälen wird von den Finanz- und Energieversorgungsbranchen ge­nutzt. Hier scheuen sich die Compliance Officer offensichtlich viel weniger, direkt auf die Mitarbeiter mit ihren Inhalten zuzugehen. Und vergleicht man dieses Ergebnis mit der Zufriedenheitsanalyse, dann stellt sich heraus, dass zumindest die befragten Führungskräfte der Energieversorgungsbranche ihre Compliance Officer und die Arbeit der Compliance-Abteilungen etwas positiver bewerten. Direktansprache bringt also doch einen Mehrwert. Der Mensch kommuniziert eben immer noch viel lieber mit einem Menschen.

Wie schon eingangs erwähnt, fallen beim Lesen der Studie die relativ hohen Prozentwerte bei den neutralen Aussagen auf – oder besser gesagt, bei der Aussagenverweigerung. Die Werte dieser Aussagenenthaltungen kommen immer wieder gefährlich nahe an die 30-Prozent-Marke, an der einen oder anderen Stelle überschreitet diese Neutralhaltung auch mal die 30 Prozent. Wie soll das ein an der Meinung der Führungskräfte interessierter Compliance Officer werten? Als eine „Keine-Ahnung-Aussage“, eine „Das-Ist-Mir-Egal-Aussage“ oder als eine „Dazu-Sage-Ich-Jetzt-Nichts-Aussage“?

Welche Wahl man hier auch trifft, an einem Rückschluss geht kein Weg vorbei: an der eigenen Compliance-Kommunikation muss jeder Compliance Officer oder jede Compliance-Abteilung wohl noch arbeiten.

Deswegen ist eine Fremdeinschätzung so wichtig, denn erst dadurch sieht man, wo es eine Diskrepanz gibt zwischen einem überschätzten Eigen­bild und einem wohl viel eher der Realität entsprechenden Fremdbild. Und die Realität ist mal wieder – wie im normalen Leben auch – nicht in allen Bereichen rosig.

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