Compliance-Arbeit im Finanzwesen birgt viele Herausforderungen

Interview

Herr Kudszus, Organisationen im Finanzwesen sehen sich einer zunehmenden Dichte an Regulationen ausgesetzt. Ist die Compliance Arbeit in dieser Branche nur besonders herausfordernd oder auch besonders spannend?

Aus meiner Sicht beides, mit zeitweisen Ausschlägen zu der einen oder anderen Seite. Die (aufsichts)rechtlichen Entwicklungen halten für beide Seiten viel parat.

Welche Themen würden Sie als die größten Herausforderungen Ihrer Arbeit beschreiben? Und wann empfinden Sie diese als besonders spannend?

Ein wichtiges Thema ist die Anlageberatung. Sowohl dem einzelnen Berater als auch dem Kunden respektive Verbraucher verlangt der Spagat zwischen qualitativ guter Beratung und zeitgleicher Erfüllung aller aufsichtsrechtlichen Anforderungen bereits heute einiges ab. Und das Ende der Fahnenstange dürfte hier noch lange nicht erreicht sein. Spannend sind vor allem Konsultationen neuer Regelungsvorhaben, soweit sie Raum bieten, sich an kritischen Stellen noch einbringen zu können.

Herausforderung Cross Border Compliance: Grenzüberschreitende Arbeit unterliegt einem zunehmend verschärften regulatorischen Fokus. Was sind Ihrer Beobachtung nach die prägnantesten Veränderungen?

Meine Kollegen in der Schweiz nehmen die aufsichtsrechtlichen Vorgaben ihrer off-shore-Fokusländer – hierzu zählt auch Deutschland – sehr ernst und verfolgen die regulatorischen Entwicklungen im EU-Raum mit entsprechender Aufmerksamkeit. Natürlich beruht dies nicht allein auf reiner Neugierde, sondern vor allem auf der klar definierten Vorgabe von Vontobel, sich nicht nur in der Schweiz, sondern auch an allen auswärtigen Standorten rechtskonform und entsprechend den jeweils lokal geltenden Regelungen zu verhalten. Bei der Erbringung von Wertpapierdienst- und -nebenleistungen Schweizer Institute in Deutschland denke ich hier vor allem an § 31 Abs. 10 WpHG. Hier ist mittlerweile eine große Awareness und Sensibilität festzustellen, die sich zum Beispiel in einer heute viel intensiveren Auseinandersetzung mit Investment Suitability oder der Aufsichtsrechtskonformität von Kundeninformationen widerspiegelt als noch vor einigen Jahren.

Vor welche praktischen Herausforderungen stellt Sie das in Ihrem Arbeitsalltag?

Das vorbeschriebene, aus meiner Sicht sehr zu begrüßende Interesse – zum Beispiel bereits heute an der MiFID II – bringt verständlicherweise eine Vielzahl entsprechender Fragestellungen mit sich. Die Kollegen hier fachlich adäquat abzuholen und dabei die Trennschärfe zu den originären Compliance-Aufgaben für die deutsche Organisation uneingeschränkt im Auge zu behalten, erfordert mitunter einen gewissen Chamäleon-Blick – eine ebenso reizvolle wie herausfordernde Aufgabe.

Ist die Befürchtung schlechter Reputation (Folgen der Finanzkrise et cetera) ausschlaggebend für eine exaktere Ausgestaltung der grenzüberschreitenden Compliance Arbeit im Bankensektor?

Sicherlich, wenn auch nicht nur. Eine regelkonforme Aufstellung ist meines Erachtens ebenso Mindestmaß wie Voraussetzung für ansprechende und kundenorientierte Bankdienstleistungen.

Zur Person:

Jürgen Kudszus war Referent des Praxis-Tag Compliance im Finanzwesen, der am  7. Mai von der Quadriga Hochschule Berlin und dem Compliance Manager in Berlin veranstaltet wird.  Er
ist seit 2011 Leiter Compliance und stellvertretender Leiter Rechtsabteilung bei der Bank Vontobel Europe in München. Zuvor war er Senior Compliance Officer, Legal & Compliance bei WestLB AG in Düsseldorf.

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