4. Teil: Compliance-Schulungen und Compliance-Tests

Reihe: Compliance Essentials: Mitbestimmung des Betriebsrats

I. Compliance-Schulungen

1. Sinn und Zweck von Compliance-Schulungen

Die Durchführung von Compliance-Schulungen ist zentraler Bestandteil bei der Einführung und Fortentwicklung von Compliance-Systemen. Nicht nur, dass der UK Bribery Act (UKBA) die regelmäßige Schulung der Mitarbeiter vorschreibt und bereits deshalb eine entsprechende Verpflichtung besteht, kann Compliance nur dann gelebt werden, wenn die Mitarbeiter den Sinn und Zweck sowie den Inhalt der Compliance-Vorschriften ihres Unternehmens/Konzerns verinnerlicht haben und entsprechend handeln. Nicht selten wird Compliance als Ballast empfunden, der Geschäft verhindert. Um das Verständnis für Compliance zu verbessern und die Bereitschaft zu erhöhen, entsprechend zu handeln, ist die Schulung der Mitarbeiter zentraler Bestandteil der Implementierung und erfolgreichen Durchführung von Compliance-Systemen.

2. Durchführung einer betrieblichen Mitbestimmung

a) Durchführung sonstiger Bildungsmaßnahmen

Bei Compliance-Schulungen handelt es sich nicht um Berufsbildung im Sinne des § 98 Abs. 1 BetrVG, da Compliance-Schulungen keine Maßnahme der Berufsausbildung, der Berufsfortbildung oder der beruflichen Umschulung sind, durch die gezielte Kenntnisse und Erfahrungen im Hinblick auf die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit vermittelt werden. Dennoch werden im Zusammenhang mit Compliance-Schulungen Lerninhalte vermittelt, so dass es sich hierbei um eine sonstige Bildungsmaßnahme handelt, die gemäß § 98 Abs. 6 BetrVG der betrieblichen Mitbestimmung unterliegt.

Mithin gelten für Compliance-Schulungen die Mitbestimmungstatbestände des § 98 Abs. 1 bis 5 BetrVG entsprechend. Der Betriebsrat hat daher bei der Durchführung (Abs. 1) von Compliance-Schulungen mitzubestimmen. Sein Mitbestimmungsrecht bezieht sich dabei auf den Inhalt, den Umfang und die Methode der Schulung. Darüber hinaus kann der Betriebsrat gemäß Abs. 2 der Bestellung einer mit der Schulung betrauten Person widersprechen oder ihre Abberufung verlangen, wenn diese nicht die erforderliche Eignung besitzt oder ihre Pflichten vernachlässigt. Darüber hinaus kann der Betriebsrat gemäß Abs. 3 Teilnehmervorschläge machen.

b) Regelungen über die Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen

Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG besteht dann, wenn mit der Durchführung von Compliance-Schulungen zugleich die Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen verbunden ist, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen.

Der Arbeitgeber ist darauf angewiesen, einen Nachweis darüber zu führen, dass seine Mitarbeiter regelmäßig an den Compliance-Schulungen teilnehmen. Es bedarf insoweit einer entsprechenden Registrierung und Archivierung der Schulungsteilnahme. Üblicherweise geschieht dies dadurch, dass – im Falle von Präsenzschulungen – die entsprechenden Teilnehmerlisten eingescannt, elektronisch abgelegt und verwaltet werden. Eine solche Vorgehensweise unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, da hierdurch eine Leistungs- und Verhaltenskontrolle der Mitarbeiter mittels einer technischen Einrichtung stattfindet.

Neben Präsenzschulungen bedienen sich gerade mittlere und große Unternehmen häufig sog. Web-based-Trainings um ihre Mitarbeiter in Compliance zu schulen. So kann sichergestellt werden, dass alle Mitarbeiter – unabhängig von Urlauben, Erkrankungen, Dienstreisen etc. – erreicht werden. Die Einführung solcher Web-based-Trainings unterliegt ebenfalls der Mitbestimmung aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, wenn hierdurch die Mitarbeiter individualisierbar sind und ihre Teilnahme an der Schulung automatisch vermerkt wird.

II. Compliance-Test am Ende einer Compliance-Schulung

1. Sinn und Zweck von Compliance-Tests

Insbesondere bei Mitarbeitern, die besonders „compliance-sensible“ Arbeitsplätze im Unternehmen/Konzern bekleiden, kann es sinnvoll sein, dass diese am Ende einer Compliance-Schulung einen Test über das Erlernte ablegen. So kann sichergestellt werden, dass die Mitarbeiter die vermittelten Lerninhalte auch verinnerlicht haben und beispielsweise ein Web-based-Training nicht nur „durchgeklickt“ wurde. Soweit solche Tests über das Stellen von Kontrollfragen, bei denen es auf das Ergebnis der Beantwortung nicht ankommt und deren Ergebnisse nicht archiviert werden, hinausgehen, unterliegt die Einführung solcher „Lernstandskontrollen“ der Mitbestimmung.

2. Durchführung einer betrieblichen Mitbestimmung

a) Durchführung sonstiger Bildungsmaßnahmen

Neben dem Inhalt, dem Umfang und der Methode der Schulung umfasst das Mitbestimmungsrecht aus § 98 Abs. 6 iVm Abs. 1 BetrVG bei Durchführung einer sonstigen Bildungsmaßnahme auch die Ausgestaltung der Prüfung, die dem Nachweis dieser Kenntnisse und Fähigkeiten dient.

b) Regelungen über die Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen

Die Durchführung eines Compliance-Tests unterliegt dann der Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, wenn es sich hierbei um Leistungs- und Verhaltenskontrolle mittels einer technischen Einrichtung handelt. Das ist dann anzunehmen, wenn die Testbögen (bei handschriftlichen Tests) in das Computersystem des Unternehmens/Konzerns eingefügt werden bzw. dann, wenn das Testergebnis unmittelbar elektronisch erfasst wird.

III. Fazit

Compliance kann im Unternehmen/Konzern nur dann wirklich umgesetzt werden, wenn Compliance tatsächlich gelebt wird. Bei der Schaffung einer entsprechenden Compliance-Kultur ist die Durchführung von Compliance-Schulungen zentraler Bestandteil. Nur, wenn die Mitarbeiter aller Hierarchieebenen verinnerlicht haben, welchen Sinn und Zweck Compliance hat und wie wichtig diese für den Erfolg des Unternehmens/Konzerns ist, kann Compliance im Unternehmen/Konzern tatsächlich gelebt werden.

Die Durchführung von Compliance-Schulungen und Compliance-Tests unterliegt – wie aufgezeigt – der Mitbestimmung des Betriebsrats. Nichtsdestotrotz empfiehlt es sich – wie bei nahezu allen Fragen im Zusammenhang mit der Etablierung und Durchführung von Compliance-Systemen – den Betriebsrat (unabhängig von bestehenden Mitbestimmungsrechten) frühzeitig einzubinden. Dies führt dazu, das Vertrauen der Mitarbeiter zu stärken und die Akzeptanz zu erhöhen.

Dr. Janna Knitter

Dr. Janna Knitter ist als Rechtsanwältin im Düsseldorfer Arbeitsrechtsteam von Allen & Overy LLP tätig. Sie verfügt über besondere Erfahrung in Betriebsrats- und Gewerkschaftsangelegenheiten sowie auf dem Gebiet der HR-Compliance. Bis zu ihrem Eintritt bei Allen & Overy LLP war sie in einem DAX30-Unternehmen als Syndika in den Fachbereichen Arbeitsrecht und Compliance tätig. 

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