2. Teil: Whistleblowing- und/oder Ombudssysteme

Reihe: Compliance Essentials: Mitbestimmung des Betriebsrats

I. Zweckmäßigkeit eines Whistleblowing- und/oder Ombudssystems

Neben der Aufstellung von Compliance-Richtlinien (vgl. hierzu den 1. Teil der Reihe „Compliance Essentials: Mitbestimmung des Betriebsrats“) kommt es entscheidend darauf an, dass das Unternehmen bzw. der Konzern dafür Sorge trägt, dass diese Richtlinien von den Mitarbeitern eingehalten werden und Verstöße entsprechend geahndet werden. Als effektives Mittel zur Aufdeckung von Compliance-Verstößen hat sich in vielen Unternehmen/Konzernen die Einführung sog. Whistleblowing- und/oder Ombudssysteme bewährt. Zwar bestanden anfangs – gerade in Deutschland – große Bedenken hinsichtlich der Implementierung entsprechender Meldesysteme. Man fürchtete dem Denunziantentum und nicht zuletzt auch dem Mobbing am Arbeitsplatz werde auf diese Weise “Tür und Tor geöffnet”. Dennoch hat die Praxis der vergangenen Jahre gezeigt, dass das Gegenteil der Fall ist. Whistleblowing- und/oder Ombudssysteme haben sich in den Unternehmen hervorragend etabliert und sind zum zentralen Bestandteil der Aufklärung von Compliance-Verstößen geworden. Nicht selten haben die Mitarbeiter weniger Scheu, sich an einen Ombudsmann oder eine Whistleblowinghotline zu wenden, als an ihren unmittelbaren Vorgesetzten.

Regelmäßig werden sog. Whistleblowingsysteme verwendet, bei denen Hinweisgeber anrufen oder per E-Mail Compliance-Verstöße melden können. Dies kann in anonymisierter Form erfolgen. Nicht unüblich sind aber auch Meldewege, die die Meldung entsprechender Hinweise nur dann aufnehmen, wenn der Hinweisgeber seine Identität preisgibt. Bei der Einschaltung eines Ombudsmanns – bei diesem handelt es sich häufig um einen Rechtsanwalt, der der gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegt – wendet sich der Hinweisgeber unmittelbar an den Ombudsmann als “externe” Stelle. Dieser wiederum gibt den Hinweis – je nachdem – ungeprüft oder geprüft an das Unternehmen weiter.

II. Durchführung einer betrieblichen Mitbestimmung

Bei der Einführung eines Whistleblowing- und/oder Ombudssystems ist ebenso, wie bei der im 1. Teil der Reihe „Compliance Essentials: Mitbestimmung des Betriebsrats“ beschriebenen Einführung unternehmensinterner Compliance-Richtlinien die Mitbestimmung des Betriebsrats zu beachten.

1. Regelungen über die Ordnung des Betriebs und das Verhalten der Mitarbeiter

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG greift stets dann ein, wenn die Einführung des Meldesystems (sei es in Form eines Whistleblowing- und/oder eines Ombudssystems) das Ordnungsverhalten im Betrieb betrifft. Das ist dann der Fall, wenn mit der Einrichtung des Meldesystems ein standardisiertes Meldeverfahren verbunden ist und es den Mitarbeitern nicht (mehr) freisteht, ob und wie sie Compliance-Verstöße melden. Wird hingegen durch die Einführung eines Whistleblowing- und/oder Ombudssystems lediglich ein zusätzlicher Meldeweg für die Mitarbeiter geschaffen und können diese (auch weiterhin) frei von Vorgaben des Arbeitgebers entscheiden, ob sie diesen oder lieber einen anderen frei gewählten Meldeweg nutzen möchten, so besteht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.

2. Regelungen über die Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen

Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG dann, wenn die Einführung eines Whistleblowing- und/oder Ombudssystems zugleich die Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen, bedeutet. Demnach unterliegt der Ombudsmann als natürliche Person bereits von vornherein nicht der Mitbestimmung aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Anders ist dies nur dann, wenn der Ombudsmann die bei ihm erfolgte Meldung in ein Datenverarbeitungssystem des Arbeitgebers einspeist und die Identität des Hinweisgebers erkennbar ist, sodass eine Verhaltens- und Leistungskontrolle durch den Arbeitgeber möglich ist.

Die Einführung eines technischen Whistleblowingsystems (sei es durch eine Telefonhotline oder eine E-Mailadresse) unterliegt stets dann der Mitbestimmung des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, wenn dieses die Identifizierung des Hinweisgebers und damit eine Leistungs- und Verhaltenskontrolle der Mitarbeiter ermöglicht. Mitbestimmungspflichtig sind demnach solche Whistleblowingsysteme, bei denen die Telefonnummer des Anrufers aufgezeichnet, bei denen das Telefonat mitgeschnitten oder bei denen (bei Meldung per E-Mail) die IP-Adresse gespeichert wird.

 III. Fazit

Die Einführung eines Whistleblowing- und/oder Ombudssystems stellt ein grundsätzlich effektives und seriöses Mittel zur Aufdeckung von Compliance-Verstößen im Unternehmen/Konzern dar. Regelmäßig sind hierbei – wie beschrieben – die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu beachten. Die Effektivität eines Whistleblowing- und/oder Ombudssystems hängt jedoch ganz wesentlich von seiner Akzeptanz im Unternehmen ab. Um das Vertrauen der Mitarbeiter in das Whistleblowing- und/oder Ombudssystem zu stärken und deutlich zu machen, dass es sich hierbei gerade nicht um eine Aufforderung zur Denunziation von Kollegen handelt, empfiehlt es sich, den Betriebsrat (ggf. auch unabhängig von den bestehenden Mitbestimmungsrechten) frühzeitig einzubinden.

Dr. Janna Knitter ist als Rechtsanwältin im Düsseldorfer Arbeitsrechtsteam von Allen & Overy LLP tätig. Sie verfügt über besondere Erfahrung in Betriebsrats- und Gewerkschaftsangelegenheiten sowie auf dem Gebiet der HR-Compliance. Bis zu ihrem Eintritt bei Allen & Overy LLP war sie in einem DAX30-Unternehmen als Syndika in den Fachbereichen Arbeitsrecht und Compliance tätig.

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