Kein Platz in der Wahlarena: BVerfG weist Verfassungsbeschwerde des BSW zurück

Der allgemeine Gleichheitssatz - Wahlwerbung als Beschwerdegegenstand einer Verfassungsbeschwerde

Sahra Wagenknecht wollte an der ARD-Wahlarena teilnehmen, doch ihr Versuch scheiterte endgültig vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Die Verfassungsbeschwerde ihrer Partei, des Bündnisses Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit (BSW), wurde nicht zur Entscheidung angenommen. Damit stand fest, dass sie in der Sendung am vergangenen Montagabend nicht vertreten sein wird.

Die redaktionelle Verantwortung für die Wahlarena liegt beim WDR, der sich entschied, nur die Spitzenkandidaten jener Parteien einzuladen, die er als aussichtsreichste Kandidaten ansieht. Dies betraf Vertreter von CDU/CSU, SPD, AfD und Bündnis 90/Die Grünen. Das BSW wurde nicht berücksichtigt, da es laut WDR primär darum kämpft, in den Bundestag einzuziehen, und nicht um das Kanzleramt.

Bereits zuvor hatten das Verwaltungsgericht (VG) Köln und das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen Eilanträge des BSW abgelehnt. Die Gerichte kamen zu dem Schluss, dass das BSW gegenwärtig nicht mit den eingeladenen Parteien vergleichbar sei, sodass der WDR nicht gegen den Grundsatz der Chancengleichheit verstoßen habe.

Diese Einschätzung teilte nun auch das Bundesverfassungsgericht. Es sah keine schlüssige Begründung dafür, dass das BSW durch die Entscheidung in seinem Recht auf abgestufte Chancengleichheit aus Art. 21 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG verletzt sei. Da die Verfassungsbeschwerde nicht angenommen wurde, war auch der Antrag auf eine einstweilige Anordnung hinfällig.

Voraussetzungen einer Verfassungsbeschwerde im Allgemeinen

Doch was sind eigentlich die Voraussetzungen einer erfolgreichen Verfassungsbeschwerde? Die Verfassungsbeschwerde ermöglicht es gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG jedermann, eine Verletzung seiner Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte durch die öffentliche Gewalt vor dem Bundesverfassungsgericht geltend zu machen. Damit eine Verfassungsbeschwerde Erfolg hat, muss sie zulässig und begründet sein. Für die Zulässigkeit müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  1.  Beschwerdegegenstand: Angefochten werden kann jeder Akt der öffentlichen Gewalt, also Maßnahmen der Legislative, Exekutive oder Judikative.
  2.  Beschwerdebefugnis: Der Beschwerdeführer muss die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung darlegen und selbst, gegenwärtig sowie unmittelbar betroffen sein.
  3.  Rechtswegerschöpfung: Vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde sind alle zur Verfügung stehenden fachgerichtlichen Instanzen auszuschöpfen, es sei denn, der Rechtsweg ist unzumutbar oder von vornherein nicht gegeben.
  4.  Form und Frist: Die Beschwerde ist schriftlich und begründet einzureichen. Bei Maßnahmen, gegen die der Rechtsweg offensteht, beträgt die Einreichungsfrist einen Monat; bei solchen, gegen die kein Rechtsweg besteht, ein Jahr.

Diese Voraussetzungen gewährleisten, dass das Bundesverfassungsgericht nur in Fällen tätig wird, in denen ein substantieller Eingriff in die verfassungsmäßig garantierten Rechte vorliegen könnte und zuvor alle anderen rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft wurden, um eine Überlastung zu verhindern.

Beschwerdeberechtigung politischer Parteien im Verfassungsbeschwerdeverfahren

Artikel 93 I Nr. 4a GG spricht nun von „jedermann“. Gemeint sind damit natürliche Personen, die sich gegen einen hoheitlichen Eingriff des Staates wehren wollen, wenn dieser sie in ihren Grundrechten verletzt. Aber auch Politische Parteien können unter bestimmten Voraussetzungen eine Verfassungsbeschwerde erheben. Maßgeblich ist dabei, ob sie eine Verletzung ihres bürgerlich-rechtlichen Status geltend machen oder ob es sich um eine verfassungsrechtliche Frage handelt, die außerhalb des Verfassungsbeschwerdeverfahrens zu klären ist.

Ob eine politische Partei im Wege der Verfassungsbeschwerde beschwerdeberechtigt ist, hängt von der Art des geltend gemachten Rechts ab:

  • Parteien können eine Verfassungsbeschwerde erheben, wenn es um ihren bürgerlich-rechtlichen Status geht. Ein Beispiel hierfür ist das Recht auf gleichberechtigte Nutzung einer öffentlich-rechtlichen Anstalt, etwa in Bezug auf Sendezeiten für Wahlwerbespots. Wird eine Partei hierbei benachteiligt, kann sie sich auf ihre Grundrechte berufen und eine Verfassungsbeschwerde einlegen.
  • Entscheidend für die Beschwerdeberechtigung ist dabei die Natur des geltend gemachten Grundrechts. Das BVerfG prüft, ob die Partei nach allgemeinem Recht Träger des betroffenen Grundrechts sein kann.

Wenn eine Partei hingegen aufgrund einer Verletzung ihres verfassungsrechtlichen Status aus Art. 21 GG streitet – wie zum Beispiel eine Verletzung der Chancengleichheit der Parteien – ist sie nicht beschwerdeberechtigt. In diesem Fall steht ihr nicht die Verfassungsbeschwerde, sondern ausschließlich das Organstreitverfahren gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG offen.

Anforderungen des Gleichheitssatzes

Die BSW hat nun eine Verletzung des Gleichheitssatzes aus Art. 3 I GG gerügt und war damit beschwerdeberechtigt. Der Gleichheitssatz gebietet im Ausgangspunkt, Gleiches gleich und Ungleiches seiner jeweiligen Eigenart nach ungleich zu behandeln.

Die Schwierigkeit dieser Formel besteht darin, dass in der Realität keine völlig identischen Sachverhalte existieren. Vielmehr weisen die zu vergleichenden Fälle stets sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede auf. Dennoch verliert der Gleichheitssatz dadurch nicht seine Bedeutung, da der Gesetzgeber Individuen nicht als Ganzes betrachtet, sondern sie in einer bestimmten Rolle anspricht, beispielsweise als Gewerbetreibende, Eigentümer, Soldaten oder Elternteile.

Wann eine Ungleichbehandlung erlaubt ist

Der Gesetzgeber darf Menschen oder Gruppen unterschiedlich behandeln, aber nur unter zwei Bedingungen. Zum Einen muss ein legitimes Ziel verfolgt werden. Zum Beispiel kann eine unterschiedliche steuerliche Belastung für Anlagen mit hohen und niedrigen Emissionen erlaubt sein, wenn das Ziel der Regelung der Umweltschutz ist (Art. 20a GG). Nicht erlaubt wäre es hingegen, verheiratete Beamte bei Beförderungen systematisch zu benachteiligen, um die Ehe zu „bestrafen“, weil das gegen Art. 6 GG (Schutz der Ehe und Familie) verstoßen würde. Zum anderen muss das gewählte Unterscheidungsmerkmal (Kriterium) geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sein. Das heißt, es muss wirklich dazu beitragen, das gesetzte Ziel zu erreichen, und es darf kein milderes Mittel geben, das denselben Zweck erfüllt.

Das Willkürverbot: Keine beliebige Ungleichbehandlung

Eine Ungleichbehandlung darf nicht willkürlich sein, also nicht einfach aus einer Laune heraus erfolgen. Manche Gesetze werden vom Bundesverfassungsgericht nur darauf geprüft, ob sie extrem ungerecht oder sinnlos sind. Allerdings kann es problematisch sein, wenn diese Kontrolle zu oberflächlich ist und der Gleichheitssatz als Schutzmechanismus zu schwach wird.

Die „Neue Formel“ des Bundesverfassungsgerichts

Um genauer zu prüfen, ob eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist, nutzt das Bundesverfassungsgericht eine strengere Regel:
Eine unterschiedliche Behandlung ist nur erlaubt, wenn die Unterschiede zwischen den Gruppen so bedeutsam sind, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen. Das bedeutet, der Gesetzgeber hat weniger Spielraum für beliebige Entscheidungen, und es wird genauer geprüft, ob die Differenzierung tatsächlich sachlich begründet ist.

Zusammengefasst bedeutet das: Der Staat darf Unterschiede machen – aber nur, wenn es dafür eine gute und rechtlich zulässige Begründung gibt.

Verstoß gegen den Gleichheitssatz bei Wahlwerbung

Was sind nun die Folgen, wenn sich eine Partei auf den Gleichheitssatz beruft?
Wenn eine politische Partei sich auf den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) beruft, weil sie bei der Wahlwerbungbenachteiligt wurde – beispielsweise durch ungleiche Vergabe von Sendezeiten für Wahlwerbespots oder durch unterschiedliche Behandlung bei der Plakatierung –, kann sie verfassungsrechtlichen Schutz beanspruchen. Die Rechtsfolgen hängen davon ab, wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Ungleichbehandlung bewertet.

Politische Parteien haben – wie so eben erläutert – nach Art. 21 GG einen verfassungsrechtlichen Status, der sie als zentrale Akteure des demokratischen Prozesses schützt. Insbesondere müssen sie im Wahlkampf gleich behandelt werden, damit keine Partei einen unrechtmäßigen Vorteil erhält.

Der Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verlangt, dass vergleichbare Parteien (z.B. alle Parteien, die zur Bundestagswahl antreten) gleichbehandelt werden, soweit es keine sachliche Rechtfertigung für eine Differenzierung gibt. Zusätzlich greift das Recht auf Chancengleichheit der Parteien (Art. 21 i.V.m. Art. 3 GG), das eine faire Wettbewerbsposition sicherstellen soll.

Mögliche Rechtsfolgen einer Verfassungsbeschwerde

Wenn eine politische Partei sich auf den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) beruft, weil sie bei der Wahlwerbung benachteiligt wurde – etwa durch eine ungleiche Vergabe von Sendezeiten für Wahlwerbespots oder durch unterschiedliche Behandlung bei der Plakatierung –, kann sie verfassungsrechtlichen Schutz beanspruchen.

Stellt das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hierbei fest, dass eine Partei in ihrer Wahlwerbung ungleich behandelt wurde, kann es verschiedene Rechtsfolgen anordnen. In vielen Fällen verpflichtet das Gericht dazu, eine Gleichbehandlung herzustellen. So könnte es entscheiden, dass einer benachteiligten Partei zusätzliche Sendezeiten oder Werbeflächen eingeräumt werden müssen, um sie mit anderen Parteien gleichzustellen. Ebenso kann das BVerfG eine ungerechtfertigte Bevorzugung einer anderen Partei untersagen, wenn diese überproportional viele Wahlwerbemöglichkeiten erhalten hat.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verdeutlicht die hohen Anforderungen an eine erfolgreiche Verfassungsbeschwerde politischer Parteien, insbesondere im Bereich der Wahlwerbung. Während der Gleichheitssatz grundsätzlich eine faire Behandlung aller Parteien gebietet, erlaubt er Differenzierungen, sofern sie sachlich gerechtfertigt sind. In diesem Fall sah das BVerfG jedoch keine ausreichende Begründung für eine Verletzung der Chancengleichheit, da das BSW derzeit nicht mit den anderen eingeladenen Parteien vergleichbar sei.

Diese Entscheidung zeigt, dass der Gleichheitssatz nicht uneingeschränkt gilt, sondern stets im Kontext der politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen betrachtet werden muss. Insbesondere im Wahlkampf kommt dem Gebot der Chancengleichheit eine besondere Bedeutung zu – jedoch nur innerhalb der verfassungsrechtlich zulässigen Grenzen. Die Entscheidung unterstreicht zudem die Rolle des Bundesverfassungsgerichts als Hüter der Verfassung, das nicht in politische Entscheidungen eingreift, sondern die Einhaltung der Grundrechte und der demokratischen Spielregeln überprüft.

Weitere Artikel