Stress ist ein Denkfehler

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Schon wieder ein Stressthema. Mit Stress ist das so eine Sache. Wir haben zu viel darüber gehört und gelesen und suchen doch immer noch nach Lösungen.

Stress ist ein junges Phänomen

Seit den 1970er Jahren gibt es immer mehr Modelle, die versuchen, das Phänomen Stress zu erklären. Es wurden zwei Sorten von Stress definiert: positiver (Eustress) und negativer (Disstress). Im täglichen Sprachgebrauch meinen wir jedoch fast immer den negativen. Das sollte uns schon zu denken geben, denn wir alle haben doch auch Lust auf Leistung. Die Wohnung zu renovieren, ein berufliches Projekt pünktlich abzuschließen und Ähnliches bereitet uns Vergnügen.

Wie oft haben Sie schon etwas über die Entstehung und die Wirkung von positivem Stress gelesen? Wie oft wird dies in einer Umfrage erfragt? Hier wird bereits unsere Wahrnehmung gelenkt. Dabei wäre ein erster Ansatz zum Umdenken. Bei Untersuchungen zum Flow-Zustand – also dem Aufgehen in einer Tätigkeit – wurde beispielsweise festgestellt, dass die Aufgabe anspruchsvoll sein muss. Angemessene Anstrengung tut uns gut.

Der gemeinsame Konsens aller Erklärungsversuche zu negativem Stress besteht in dem Ungleichgewicht von Anforderungen und Bewältigungsmöglichkeiten. Letztere bestehen aus objektiven, wie zum Beispiel der zur Verfügung stehenden Zeit, Arbeitsmittel oder Ausbildung; und subjektiven, wie Zeiteinteilung, Arbeitsorganisation oder Belastbarkeit. Eine große Rolle spielt dabei vor allem die Bewertung einer Situation, zum Beispiel als Überforderung, Einschränkung oder nicht handhabbar. Diese Stressoren sind von Person zu Person völlig unterschiedlich. Einen Vortrag vor ausgewählten Kunden zu halten, eine lange Strecke Auto zu fahren oder ein Jahresgespräch mit dem Chef, sind Situationen im Alltag, die von einer Person als spannend und angenehm, von einer anderen als belastend, ja sogar bedrohlich erlebt werden.

Drei Thesen zum Stress

1. Negativer Stress ist viel individueller als wir glauben, sodass die Lösungen auch individuell sein müssen.

2. Wir stecken uns gegenseitig mit unserer Wahrnehmung an, wie belastend das Leben, insbesondere die Arbeit, ist.

3. Wir erleben, wonach wir suchen. Stressumfragen zu negativen Arbeits- und Lebensbedingungen befördern das Gefühl, tatsächlich gestresst zu sein.

Wir leben in einer Parallelwelt

Das Fazit meiner Umfrage zum Thema „Die Wahrheit über Stress“ ist alarmierend. Die Menschen stressen sich bei der Arbeit nicht etwa durch Tempo, Mailterror oder fehlende Motivation. Nein – sie machen sich zu viele Gedanken und sind unzufrieden. Das macht krank und unproduktiv. Es liegen Daten von 1.083 Frauen und 754 Männern vor.

Die Idee zu der Umfrage entstand, weil ich nicht nachvollziehen konnte, dass immer wieder die Arbeit und die moderne Arbeitswelt als Schuldige an unserem Stress am Pranger stehen. Als Psychologin bin ich es gewohnt, zu fragen, wo der Anteil des Einzelnen ist, was wir selbst beeinflussen können. Meine These war, dass uns die Art, wie wir leben und denken, als allererstes stresst und dann die neuen Arbeitsbedingungen noch dazu kommen.

Stress ist mengenabhängig

Bei der Frage, welche der neuen Lebensumständen am meisten stressen, ist es ganz klar ein „zu viel“, das uns unter die Haut geht. Und zwar die Menge des zu Erledigenden (Frauen 25 Prozent, Männer 21 Prozent) sowie die Parallelität der vielen Aufgaben ( 24 Prozent Frauen, 27 Prozent Männer). Es folgt der Leistungsgedanke, die Latte, die immer wieder nach oben gelegt wird (13 Prozent Frauen, 16 Prozent Männer).

Stress beginnt wirklich im Kopf

„Wir machen uns zu viele Gedanken“. Das war der Spitzenreiter auf die Frage „Was stresst Sie am meisten bei der Arbeit?“. Gleich gefolgt von dem Gefühl, zu wenig Wertschätzung zu bekommen (14 Prozent Frauen, 13 Prozent Männer) und zu hohen eigenen Ansprüchen (13 Prozent Männer, zehn Prozent Frauen). Dies sind alles Gedanken, denen wir zu viel Raum geben. Auf Platz vier folgt die Sorge um die berufliche Zukunft für acht Prozent der Frauen und zehn Prozent der Männer. Auch dies ist eine subjektive Wahrnehmung. Die konkrete Angst um den Arbeitsplatz hat oft reale Hintergründe. Diese Angst liegt jedoch auf dem letzten Platz der Belastungen mit nur zwei Prozent Frauen und drei Prozent Männer.

Stress verstärkt sich selbst

Als stärkster Stressor generell wurde für beide Geschlechter das Gefühl genannt, nie fertig zu werden (33 Prozent). Das können wir ja gar nicht, weil wir unzufrieden mit uns sind, wie Platz zwei zeigt (13 Prozent), und diese Unzufriedenheit ist der Katalysator für ein ständiges „mehr, schneller, höher, weiter, besser“. Dass die eigenen Bedürfnisse zu kurz kommen ist folgerichtig und dass dies auf die Stimmung schlägt auch.

Wenn wir zu viel vom Falschen denken und tun, haben wir den Eindruck, nie fertig zu werden, und fühlen uns folglich schlecht.

Mit diesen sieben Fragen finden Sie ganz schnell heraus, ob Sie in der Denkstressfalle sitzen:

Denken Sie bei der Arbeit an private Probleme und zuhause an die Arbeit?

Wären Sie gerne optimistisch, scheitern aber an den schlechten Erfahrungen?

Schlafen Sie abends wegen der Ärgernisse des Tages schlecht ein?

Versuchen Sie immer wieder, negative Gedanken und Erlebnisse zu unterdrücken?

Ärgern Sie sich über sich, dass Sie nicht alles tun, was Sie sich vorgenommen haben?

Sind Sie unzufrieden mit Ihrem Körper, Ihrer Fitness, der Beziehung oder der Karriere?

Akzeptieren Sie um des lieben Friedens willen Dinge und Menschen, die Ihnen nicht gut tun?

 

Gesundheit, Wohlbefinden und Zufriedenheit wünschen wir uns alle. Wir können selbst sofort etwas dafür tun, statt darauf zu warten, dass die Partner, Nachbarn oder Kollegen so sind, wie wir es uns wünschen.

Sieben Tipps für Wohlbefinden statt Stress:

Was kann ich heute dafür tun, dass es mir bei der Arbeit gut geht?
Das, was Ihnen als erstes spontan einfällt, schreiben Sie auf und setzen es um. 

Entspannen Sie Ihre Stirn.
Untersuchungen mit Depressiven haben ergeben, dass eine Injektion von Botox in die Ärgerfalte der Stirn zu besserer Stimmung führt. Das geht auch einfacher. Sorgen Sie durch einen guten Witz, eine Tasse Tee oder aufrechtes Sitzen selbst für Entspannung.

Wer nicht zufrieden ist mit dem, was er hat, wäre es auch nicht mit dem, was er gern hätte.
Zufriedenheit ist die Kunst, das, was wir sind und haben, wertzuschätzen. Wenn dann noch Besseres hinzukommt, schön. Wenn nicht, auch kein Problem. Was gibt es Gutes in Ihrem Leben?

Machen Sie es sich zur Gewohnheit, sich gut zu fühlen.
Insbesondere der erste und der letzte Gedanke des Tages sollten etwas Schönes sein, so schlafen Sie besser und steuern Ihre Wahrnehmung über den Tag auf das Angenehme und Nützliche. 

Zuerst lächeln.
Dadurch, dass negative Gefühle bei Weitem stärker wirken als positive, braucht es ein Drei-zu-Eins-Verhältnis von Positivem zu Negativem, damit wir gesund bleiben und Teams erfolgreich sind. Auf einmal Ärgern darf sozusagen dreimal Freuen kommen. Warten Sie nicht länger, dass die anderen netter sind oder schauen, fangen Sie an.

Teilen Sie Ihre Kräfte besser ein
Lassen Sie etwas für den Abend übrig. Wir schöpfen aus einem Tank an Energie und Disziplin. Schlafmangel, zu wenig Essen, also Glukosemangel, oder Infekte verschlimmern den Energiemangel.

Halten Sie sich raus aus negativen Interaktionen
Sie schaden Ihnen und anderen. Klatsch, Tratsch, Spekulationen, negative Zeitungsberichte und Fernsehmeldungen hinterlassen Spuren in Ihrem Gehirn, die zu Gefühlen werden. Sie bestimmen, wie lange und wir oft Sie etwas tun oder es lassen.

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