„Es reicht nicht, nur gute kommunikative Fähigkeiten zu haben“

Interview mit Antje Bock-Schwinum

Frau Bock-Schwinum, was beschäftigt die Mitglieder Ihrer Fachgruppe Compliance Kommunikation gerade?
Sie machen sich viele Gedanken darum, wie man „richtig“ in Compliance kommuniziert, welche Instrumente sich dazu besonders gut eignen und wie man den Erfolg seiner Compliance-Kommunikation misst. Sie sind an Erfahrungswerten interessiert. Daneben geht es bei unseren Fachgruppentreffen oft um prozessuale Dinge, wie zum Beispiel, mit wem muss man sich im Unternehmen abstimmen, wie stellt man sicher, dass alle bei einer Schulung dabei sind, die dabei sein müssen, oder genügen die Inhalte nach einer Übersetzung auch wirklich landesspezifischen Besonderheiten? Es geht also um die praktische Abwicklung eines bestimmten Instruments.

Zu welchen Ergebnissen sind Sie hinsichtlich der Frage gekommen, was eine erfolgreiche Compliance-Kommunikation ausmacht?
Bei der erfolgreichen Compliance-Kommunikation ist sehr viel von der Leistung des Kommunikators abhängig. Wie überzeugend ist der Compliance Officer, wie prägt er das Thema oder wie schafft er es, Begeisterung auszulösen? Das sind persönlichkeitsabhängige Dinge, die aber eine entscheidende Rolle spielen.

Der Compliance Manager muss daneben Transparenz schaffen, klar und verständlich kommunizieren können und die Mitarbeiter dazu in die Lage versetzen, dass sie in bestimmten heiklen Situationen des Geschäftsalltags sozusagen ein inneres Störgefühl bekommen. Sie müssen sich also dann entweder daran erinnern, wie sie handeln müssen oder wissen, wo sie sich Hilfe holen.

Was ist das Ziel der Arbeit Ihrer Fachgruppe?
Wir haben beim ersten Treffen unserer Fachgruppe 2015 drei wesentliche Ziele definiert. Erstens, wir möchten Praxistipps teilen. Zweitens, wir wollen den Austausch von Erfahrungswerten fördern. Und drittens, wir wollen Ansprechpartner in Dingen Kommunikation in unserem Verband sein.

Dazu haben wir zunächst das weite Feld der Kommunikation eingegrenzt und beschäftigen uns vor allem mit der internen Kommunikation und mit der Regelkommunikation. Wir haben bisher einen Leitfaden erarbeitet, der bestimmte Kommunikationsinstrumente aufgreift. Darin gibt es für jedes Instrument eine Checkliste, die wir in Stufen von der Planung bis zur Kontrolle der Schulung geordnet haben. Dieser Leitfaden ist für alle Mitglieder im Intranet unter der Fachgruppe Kommunikation abrufbar. Mit diesem Leitfaden erheben wir natürlich nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, sondern es ist das, was wir bisher an Erfahrungsschatz und Best-Practice-Ansätzen zusammentragen konnten.

Gibt es aus Ihrer Sicht Schlüsselfaktoren, die die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Compliance-Kommunikation erhöhen?
Ja, natürlich. An erster Stelle steht die Praxisnähe jeder Kommunikationsmaßnahme. Das bedeutet, dass man in den Schulungen viel mit Beispielen arbeiten muss, die tatsächlich aus dem Geschäftsalltag der Mitarbeiter stammen, die man gerade schult. Dazu muss man wissen, in welchem Umfeld sich die Zielgruppe bewegt, welchen Wertbeitrag sie zum Unternehmenserfolg leistet und welchen täglichen Herausforderungen sie sich hierbei stellen muss. Voraussetzung dazu ist natürlich, dass man mit den eigenen Kollegen spricht. Das Ziel einer jeder Schulung sollte sein, dass man das Gelernte anwenden kann und dass man die Mitarbeiter zu einem bestimmten Verhalten überzeugt.

Dann ist es wichtig, Lösungen anzubieten und nicht grundsätzlich zu allem nein zu sagen. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, aufzuzeigen, „was noch geht“ statt aufzulisten, „was alles nicht geht“. Als Compliance-Referentin muss ich also  emphatisch sein, gut zuhören und mich auf verschiedene Berufsgruppen einstellen können. Was ich auch für richtig halte, ist, dass man gegenüber den Mitarbeitern im Unternehmen die Unschuldsvermutung praktiziert. Denn die meisten Mitarbeiter eines jeden Unternehmens sind völlig selbstverständlich jeden Tag compliant. Das bedeutet, dass man den Fehler vermeiden sollte, dass man mit seinen Inhalten ohne Unterschied auf alle Mitarbeiter gleich zugeht. Knüpfen die Inhalte einer Schulung nicht an das Arbeitsumfeld einer Mitarbeitergruppe an, würde man sie damit eher abstrafen. Für den Beruf eines Compliance Officers sind daher zwar die kommunikativen Fähigkeiten wichtig, aber ebenso wichtig ist es, emphatisch und ein guter Networker zu sein. Denn dann kann man zum einen innerhalb des Unternehmens auf Viele zurückgreifen, wenn man Unterstützung für seine Ziele braucht, und zum anderen erfährt man viel Nützliches über das Unternehmen und was in den Einheiten passiert.

Derzeit gibt es ja den Trend, dass eher Führungskräfte eine Compliance-Schulung bekommen und weniger normale Mitarbeiter. Denn die Compliance Officer argumentieren, sie wären personell dazu gar nicht in der Lage, beispielsweise 20.000 Mitarbeiter zu schulen. Man setzt also auf den Tone from the Middle. Die Führungskräfte sollten dann als Multiplikatoren das Ganze in ihre Einheiten tragen. Aber können es die Führungskräfte auch? Das bedeutet, wenn man diese Strategie wählt, müsste man dann nicht gleichzeitig auch die Führungskräfte dazu erst befähigen, den Compliance-Gedanken weiterzutragen?
Ja, sicher. Die Führungskräfte tragen eine besondere Verantwortung – insbesondere in ihrer Vorbildfunktion. Noch wichtiger als die Führungskräfte zu befähigen, gute Kommunikatoren zu sein, ist es, sie zu Compliance-Fans zu machen. Die Führungskräfte müssen den Compliance-Gedanken zunächst für sich verinnerlichen, um ihn dann zu teilen. Manche Führungskräfte sind Naturtalente in Sachen Kommunikation und führen die Leute immer zusammen. Solche Führungskräfte muss man dann für sich gewinnen. Andere Führungskräfte brauchen etwas mehr Unterstützung. Diesen kann man zum Beispiel Schulungsunterlagen zur Verfügung stellen und verstärkt als Ansprechpartner zur Verfügung stehen.

Dennoch, es ist unsere Aufgabe als Compliance Officer, nach Wegen zu suchen, um möglichst alle Mitarbeiter mit Compliance-Themen zu erreichen. Heute denke ich, dass man auch den Mut dazu haben muss, mit einem E-Learning die Massen von Mitarbeiter zu schulen. Gleichzeitig sollte man trotzdem, zumindest in Risikobereichen, tatsächlich zu den Einheiten vor Ort fahren und dort Präsenzschulungen durchführen.

Es reicht eindeutig nicht, wenn man an einen Ort die Führungskräfte zusammentrommelt, sie dort den ganzen Tag in Compliance schult und ihnen sagt, welche Lösungen zu welchen Problemen passen. Und dann sollen sie in ihre Einheiten fahren und das Gehörte ihren Mitarbeitern mitteilen. Da müssen wir schon selbst zu den Leuten hinfahren.

Das Gespräch führte Irina Jäkel.

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