„Es besteht großer Handlungsbedarf in der Erfolgskontrolle“

Bundeskongress Compliance Management

Herr Professor Seidenglanz, Frau Lopper, Sie haben heute auf dem Bundeskongress Compliance Management die nach 2013 zweite große Befragung der deutschen Compliance-Manager vorgestellt. Welche guten Nachrichten haben Sie für die Compliance-Verantwortlichen in Deutschland?
René Seidenglanz:
Eine der wichtigsten Botschaften: Das Berufsfeld ist in den Organisationen in Deutschland angekommen – zumindest gilt das für die großen Unternehmen. Dazu zählen die Herausbildung von (internen) Strukturen, das Aufsetzen von Prozessen sowie die Verankerung in der Organisationshierarchie.

Welche Ergebnisse haben Sie überrascht?
Elisa Lopper:
Dass im Schnitt der Compliance-Bereich außerordentlich gut verdient, war schon in der letzten Erhebung aufgefallen. 100.000 Euro brutto bekommt eine durchschnittliche Compliance-Führungskraft pro Jahr. Es dürfte aber erneut den einen oder anderen Compliance-Manager aufhorchen lassen – gerade wenn er deutlich darunter liegt.

Bei der ersten Erhebung vor drei Jahren gaben 87 Prozent der Befragten optimistisch, dass die Compliance-Profession bis 2016 weiter an Bedeutung gewinnen wird. Haben sich diese Hoffnungen Ihren Ergebnissen nach erfüllt?
René Seidenglanz:
Man kann sagen: teilweise. In bestimmten Aspekten hat Compliance in Deutschland in der Tat weiter an Bedeutung gewonnen. Die Aufgabenbreite ist gewachsen. Über das gesamte Berufsfeld gesehen, haben sich die Budgets für Compliance eher erhöht, die Steigerungsraten nehmen allerdings ab. Gleichermaßen hat sich an der hierarchischen Verortung von Compliance in den Organisationen kaum etwas verändert. Eine Mehrheit von 60 Prozent ist der Meinung, dass der strategische Beitrag von Compliance erhöht werden sollte, zehn Prozent mehr als vor drei Jahren. Das kann aber auch mit einem stärkeren Bewusstsein von Defiziten zusammenhängen. Allerdings ist der Anteil an Optimisten, die für die nächsten drei Jahre Compliance einen weiteren Bedeutungszuwachs vorhersagen, von 87 auf 60 Prozent zurückgegangen.

Neben organisatorischen Themen haben Sie sich in der Berufsfeldstudie auch den Themen Work-Life-Balance, Stresserleben und Zufriedenheit im Beruf gewidmet. Wie zufrieden ist denn die Compliance-Branche mit Ihrem Beruf?
Elisa Lopper:
71 Prozent der Befragten sind mit ihrer Tätigkeit im Compliance-Bereich zufrieden oder sogar sehr zufrieden. Besonders zufrieden sind Führungskräfte. Im Vergleich mit anderen Branchen fällt Compliance jedoch etwas zurück. Beispielsweise sind PR-Manager und Manager aus dem Human Ressource Bereich deutlich zufriedener.

Und wie steht es um das Stressempfinden beziehungsweise die Work-Life-Balance?
Elisa Lopper:
Hohen beziehungsweise sehr hohen Stress erlebt nur etwa die Hälfte der Compliance-Verantwortlichen. Interessant ist, dass Führungskräfte zufriedener sind, aber auch mehr Stress bei ihrer Tätigkeit empfinden. Das eine schließt das andere also nicht aus. Durchschnittlich betrachtet erleben die Studienteilnehmer eine recht hohe Work-Live-Balance – Führungskräfte im Übrigen positiver als Fachkräfte.

In welchen Bereichen sehen Sie beziehungsweise die Befragten noch Handlungsbedarf für die kommenden Jahre?
René Seidenglanz:
Großer Handlungsbedarf besteht auf jeden Fall in der Erfolgskontrolle von Compliance. Um einen strategischen Einfluss in der Organisation zu erlangen, sind Erfolgskontrollen der Abteilung erforderlich. Vielleicht schafft es Compliance dann auch an mehr Strategiesitzungen teilzunehmen und die Akzeptanz des Themas in der Organisation auszubauen. Um eine Profession zu werden, muss Compliance in den nächsten Jahren verstärkt Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten aufbauen. Momentan fehlen oft noch standardisierte Wege, die direkt in den Beruf des Compliance Managers führen, wie sie in den klassischen Professionen spezifische, theoretisch fundierte Ausbildungen leisten.

Wie zufrieden sind Sie mit der Beteiligung an der Studie und damit mit dem Interesse der Compliancer, die Profession weiterzuentwickeln?
René Seidenglanz:
Wenn wir uns große deutsche Berufsfeldstudien in anderen Professionen aus den letzten beiden Jahren anschauen, wie etwa für HR-Management, Vertrieb oder PR, so ist die Teilnahmequote durchaus vergleichbar und sie erlaubt auch hier aussagekräftige Ergebnisse. Weit über 500 Teilnehmer machen die Untersuchung zu einer der umfangreichsten zum Berufsfeld Compliance überhaupt.

Die Berufsfeldstudie des Berufsverbandes der Compliance Manager (BCM) wurde im Rahmen des Bundeskongresses Compliance Management in Berlin vorgestellt und wird in Kürze über den Verband zu beziehen sein.

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